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Fragen und AntwortenEin Stammzell-Urteil und seine Folgen

Wissenschaftler in der EU dürfen nach einem Urteil des Europäischen Gerichtshof zwar weiter an menschlichen embryonalen Stammzellen forschen. Ihre Ergebnisse können sie in der Regel aber nicht mehr patentieren lassen.

Demnach sind die in Europa entwickelten Techniken für Pharmafirmen weniger interessant geworden.

Worum ging es dem Stammzellforscher Oliver Brüstle bei seinem Patent?

Der Forscher Brüstle hatte embryonale Stammzellen erhalten, die aus menschlichen Embryonen gewonnen wurden. Diese Embryonen werden bei dem Verfahren zerstört. Forscher beispielsweise in den USA produzieren solche Stammzellen seit langem. In Deutschland ist deren Produktion jedoch verboten. Brüstle hatte im Labor aus Stammzellen Nervenvorläuferzellen mit dem Ziel geschaffen, später damit beispielsweise Parkinson-Patienten zu helfen. Diese und weitere Techniken zur Entwicklung von spezialisierten Zellen aus embryonalen Stammzellen dürfen nach dem neuen Urteil nicht patentiert werden.

Ist dies das Ende der Forschung an embryonalen Stammzellen in Europa?

Nein. Jeder Forscher kann unter den bisherigen Bedingungen weiter mit Stammzellen forschen und damit Therapien entwickeln. Er darf das gefundene Verfahren aber nicht mehr patentieren lassen. Einzige Ausnahme: Das Verfahren hilft dem Embryo, aus dem die Zellen stammen.

An welchen Techniken arbeiten die Forscher derzeit?

Die Forscher versuchen, embryonale Stammzellen zu vermehren und sie zu ganz bestimmten Zellen zu entwickeln. Dabei müssen die Zellkulturen sauber bleiben und sollten möglichst nur aus einer Zellart bestehen. Zudem muss gewährleistet sein, dass die Zellen später gut in den Körper transplantiert werden können, dort effektiv arbeiten und keinen Krebs im Körper auslösen. Bis zum regulären Einsatz in der Medizin ist noch viel Forschung nötig.

Und wie geht es weltweit weiter?

In Ländern wie den USA ist die Forschung und Patentierbarkeit weniger streng geregelt. Dagegen ist Europa nach Brüstles Worten in der Verfahrensentwicklung im Prinzip abgemeldet: "Europäische Forscher dürfen Grundlagenforschung betreiben, die dann andernorts in medizinische Verfahren umgesetzt wird, welche letztendlich wieder nach Europa importiert werden."

Welche medizinische Alternativen gibt es und wie weit sind sie?

Im Wesentlichen gibt es zwei ethisch unbedenkliche Alternativen: Zum Gewinnen von sogenannten induzierten pluripotenten Stammzellen (iPS-Zellen) programmieren Forscher beispielsweise Hautzellen in einem embryonalen Zustand zurück. Ob solche iPS-Zellen ein vollwertiger Ersatz für embryonale oder andere Stammzellen sein können, muss sich noch erweisen.

Adulte Stammzellen finden sich im Nabelschnurblut und an vielen Stellen im erwachsenen Körper. Im Knochenmark etwa entstehen daraus immer neue Blutzellen. Sie werden in der Medizin seit langem beispielsweise gegen Blutkrebs eingesetzt. In einigen Studien gab es auch schon Erfolge bei Herzinfarktpatienten. Adulte Stammzellen können sich aber nicht mehr in alle Zelltypen entwickeln.

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