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BakterienEwiges Wettrüsten gegen antibiotikaresistente Keime

Immer mehr Bakterien sprechen auf gängige Antibiotika nicht mehr an. Die Zahl der Infektionen mit resistenten Keimen hat sich in der Europäischen Union (EU) von 2007 bis 2015 fast verdoppelt. Das betrifft häufig die Methicillin-resistenten Staphylokokken: Gegen diese so genannten MRSA-Stämme ist kaum mehr ein Kraut gewachsen.

Bakterien
Sebastian Kaulitzki/stock.adobe.com
Symbolfoto

Ganz allgemein gilt: Für gesunde Menschen sind multiresistente Keime ungefährlich. Es kann jedoch für jene gefährlich werden, deren natürliches Abwehrsystem geschwächt ist. Im Krankenhaus kommen besonders viele Menschen mit Abwehrschwäche auf engem Raum zusammen. Bakterien finden hier ideale Bedingungen vor. So verstarb beispielsweise 2017 eine Patientin in den USA an einer Infektion, nachdem alle 26 dort zugelassenen Antibiotika keine Wirkung gegen die Erreger gezeigt hatten. Bei der Rentnerin war ein multiresistenter Klebsiella-Pneumoniae-Keim gefunden worden, der nicht wirksam mit Antibiotika behandelt werden konnte, teilte damals das US-Seuchenabwehr­zentrum CDC mit.

Sie hätte sich in den Jahren zuvor des Öfteren in Indien aufgehalten und war dort auch wegen eines Oberschenkelhalsbruches behandelt worden. In späteren Analysen zeigte sich, dass die Klebsiellen gegen ein bestimmtes Antibiotikum nur wenig resistent waren. Diese Arznei war in den USA allerdings nicht zugelassen. Auch in Deutschland gehören nosokomiale Infektionen, was so viel heißt wie Krankenhausinfektionen, zu den häufigsten Komplikationen medizinischer Behandlungen. Laut Deutscher Gesellschaft für Krankenhaushygiene infizieren sich fast eine halbe Million Patienten jährlich im Krankenhaus, bis zu 40 000 sterben pro Jahr an solchen Hospitalinfektionen.

Bakterienschleuder Waschmaschine

In Studien wurde bereits beschrieben, dass sich antibiotikaresistente Bakterien in Waschmaschinen einnisten können. Jetzt haben Wissenschaftler der Uni­klinik Bonn erstmals nachgewiesen, dass so die resistenten Keime auch auf Menschen übertragen werden können. Und das ausgerechnet auf einer Neugeborenenstation. In einer weiteren Studie soll nun dieser Verbreitungsweg weiter untersucht werden. Auf der Neugeborenenstation eines Kinder­­krankenhauses in Deutschland, so die Untersuchungsergebnisse der Forscher, sei bei routinemäßigen Hygienescreenings vermehrt das Bakterium Klebsiella oxytoca festgestellt worden. Der Keim kann zu Magen-Darm- und Atemwegserkrankungen und im schlimmsten Fall zur tödlichen Blutvergiftung führen. Gängige Antibiotika konnten nicht mehr oder nur eingeschränkt eingesetzt werden.

Jedoch hatten weder Eltern noch das Pflege­personal die Bakterien übertragen. Die Klebsiellen konnten an einer handelsüblichen Waschmaschine im Spülfach und am Türgummi nachgewiesen werden, mit der handgestrickte Söckchen und Mützchen der Babys gewaschen wurden. Durch die Kleidung wurde der Keim auf die Neugeborenen übertragen. Zu gefährlichen Infektionen kam es dabei nicht. Dieses Resultat hat auch Konsequenzen für den häuslichen Bereich. Die meisten Menschen waschen aus Umweltschutzgründen bzw. aufgrund der Waschanleitung die Textilien bei Temperaturen unter 60 Grad. Gerade wenn pflegebedürftige, ältere Personen mit offenen Wunden oder jüngere Menschen mit eiternden Verletzungen oder Infektionen im Haushalt leben, sollte die Wäsche bei mindestens 60 Grad und wärmer gewaschen werden, um die Übertragung von gefährlichen Keimen zu vermeiden.

Resistenzen ausgebildet

Nicht immer ist eine Lösung so einfach wie im Falle des Klebsiella-oxytoca-Bakteriums, der selbst von Medizinern als Sonderfall bezeichnet wurde. Der vermehrte Einsatz von Breitspektrum-Antibiotika steht mit der Zunahme von multiresistenten Erregern in direkter Wechselbeziehung. Zu häufig verordneten Ärzte in der Vergangenheit Antibiotika, obwohl die Patienten sie gar nicht brauchten. Denn: Viele Erkältungskrankheiten etwa werden von Viren ausgelöst, gegen die Antibiotika unwirksam sind. Zunehmend verkompliziert sich demzufolge auch die antibiotische Therapie von Hospitalinfektionen, wobei häufig mehr als ein Medikament gegeben werden muss. Aber auch Patienten haben es selbst in der Hand: Wer das verordnete Antibiotikum zu kurz oder falsch einnimmt, verbessert für Bakterien die Chance, sich an die Wirkstoffe so anzupassen, dass diese die Erreger nicht mehr abtöten können. Bakterien können sich widrigen Bedingungen anpassen, indem sie sich verändern. Die Mutation schützt sie dann vor der zerstörerischen Wirkung von Antibiotika. Resistente Keime sind also ein weltweit wachsendes Problem. 

Europaweite Verbreitungswege

Wie sich die Bakterien genau verbreiten, beschreibt eine internationale Forschungsgruppe um Wissenschaftler des Uniklinikums Freiburg in einer jüngst erschienenen Studie. Demnach leisten Krankenhäuser und die Verlegung von Patienten den entscheidenden Beitrag zur Verbreitung der Erreger. Die Verbreitungswege ließen sich anhand detaillierter genetischer Analysen nachvollziehen. Dabei wurden ein halbes Jahr lang in 455 Krankenhäusern in 36 europäischen Ländern Proben gesammelt: „Unsere Beobachtungen sprechen dafür, dass sich extrem resistente Bakterien vor allem innerhalb einzelner Krankenhäuser sowie bei der Verlegung von Patienten zwischen geografisch naheliegenden Krankenhäusern verbreiten“, erläutert Professor Hajo Grundmann, Leiter des Instituts für Infektionsprävention des Freiburger Uniklinikums. Das A und O sei jedoch eine gute Krankenhaushygiene. Daher sei es auch extrem wichtig, Patienten bei der Aufnahme nach früheren Krankenhausaufenthalten im In- und Ausland zu befragen.

Neue Waffe gegen resistente Keime?

Neben der Hygiene könnte auch Teixobactin das Kräfteverhältnisse wieder zu Gunsten der Mediziner zurechtrücken. Es setzt – wie das artverwandte Penicillin – an der Bakterienzellwand an, so dass sich der Erreger nicht mehr teilen kann. „Ohne Zellwand sind die Bakterien nicht lebensfähig“, erklärt Dr. Tanja Schneider von der Uniklinik Bonn. Forscher sehen daher in diesem Wirkstoff eine vielversprechende Leitsubstanz für neue Antibiotika.

Das Team um Schneider forscht – zusammen mit Tübinger Kollegen – zu Multiresis­tenzen durch Antibiotika und will neue, wirksame Substanzen ent­wickeln. Für die Professorin für Pharmazeutische Mikrobiologie gehören das zu häufige Einnehmen und mitunter zu frühzeitige Absetzen von Antibiotika ganz klar zu den Ursachen der zunehmenden Wirkungslosigkeit der einstigen Wundermittel: „Die Resistenzen entwickeln sich deutlich schneller als neue Wirkstoffe auf den Markt kommen.“ Schneider erklärt weiter: „Das Teixobactin ist ein ganz außergewöhnliches Antibiotikum, denn wir konnten es im Labor bisher nicht schaffen, durch wiederholte und immer mehr Gabe der Substanz Resistenzen zu erzeugen“. Das ruft verhaltenen Optimismus beim Team vor. Dennoch sei auch mit der neuen Substanz das Resistenz-Problem nicht auf Dauer gelöst. „Es ist immer nur eine Frage der Zeit, bis die Erreger mutieren und ihnen auch die neuen Medikamente nichts mehr anhaben können“, gibt Schneider zu bedenken. „Das ist ein ewiges Wettrüsten.“ 

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