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TagungExperten diskutieren Hilfen für Traumaopfer

Traumatisierte eignen sich Verhaltensmuster von ihren Peinigern an und können selbst zu Tätern werden. Darüber diskutieren Experten bis Montag in Leipzig.

Hilfen für traumatisierte Opfer von Gewalt stehen im Fokus einer internationalen Expertentagung in Leipzig. Dort haben sich am Donnerstag rund 250 führende Wissenschaftler und Therapeuten aus den USA, England und Deutschland getroffen. Sie wollen bis Montag neue Studien sowie Methoden zur Behandlung der seelischen Krankheit vorstellen und diskutieren.

Bei der Tagung über trauma- und körperorientierte Psychotherapie geht es vor allem um Verhaltensmuster, die Opfer von ihrem Täter bewusst und unbewusst annehmen. Dadurch könnten Betroffene in Teufelskreise der Gewalt, der Selbstmordgefährdung oder des Amoklaufes geraten, sagte der Kongressleiter Ralf Vogt.

Die Traumatologen fordern auf Grundlage ihrer Erkenntnisse bessere Hilfen für Opfer körperlicher und seelischer Gewalt. Die Herangehensweise an solche traumatisierten Opfer müsse grundlegend überarbeitet werden, sagte der Leipziger Traumatologe Vogt im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. "Wir können bei der Therapie nicht länger nur im Sessel sitzen und Notizen machen."

Die Ursachen müssten bei den betroffenen seelisch Erkrankten direkt gelöst werden, insbesondere schon bei sogenannten Problemkindern, sagte Vogt. Kinderärzte hatten in den vergangenen Jahren berichtet, dass immer mehr Erstklässler verhaltensauffällig seien. Im Kindesalter wurzeln nach Angaben des Experten persönlichkeitsgesteuerte Traumata. Sie brennen später Erwachsenen auf der Seele und können dann Kurzschlusshandlungen verursachen, zum Beispiel Messerattacken oder Gewalt an Zufallsopfern auf Bahnhöfen.

Psychotherapeuten müssten daher vorbeugend und vorsorgend solche Patienten aufsuchen, bei Kindern auch gegen den Willen der Eltern, sagte Vogt. Auch im Kindergarten und in der Schule könne gegengesteuert werden. Dazu müssten Erzieher und Lehrer in Konflikthilfe weitergebildet werden. "Kinder lernen zwischen drei und acht Jahren mit Konflikten umzugehen. Eltern haben heute weniger Zeit für die Erziehung. Aggressionen und schwierige Gefühle werden nicht genug erklärt oder gespiegelt."

In der Pflicht sieht Vogt auch die eigene Zunft. "Die alten Zöpfe" aus Zeiten des Begründers der Psychoanalyse, Sigmund Freud, würden in der heutigen Therapie von traumatisierten Opfern nicht helfen. "Die Psychotherapeutenausbildung muss reformiert werden. Wir müssen uns dorthin bewegen, wo der Traumapatient seine Störung hat. Das muss auch politisch gewollt sein. Eine richtige Behandlung ist billiger als eine Dauertherapie mit Psychopharmaka."

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