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„Man fühlt sich verhöhnt“Intimfotos in Frauenarztpraxis

35 000 Mal soll ein Frauenarzt heimlich Patientinnen fotografiert haben - teils nackt während der Untersuchung. Nun kämpft er vor Gericht um seine Zulassung als Arzt. Die Frauen sind entsetzt.

Die Tat an sich scheint unfassbar. Jahrelang soll ein Frauenarzt aus dem pfälzischen Schifferstadt seine Patientinnen fotografiert haben - heimlich, während der gynäkologischen Untersuchung in der Praxis. Rund 35 000 Digitalfotos wurden bei ihm gefunden, nachdem die Sprechstundenhilfen vergangenes Jahr Verdacht geschöpft und sich an die Polizei gewandt hatten. Nun kämpft der Mediziner vor Gericht um seine Zulassung als Arzt. Auch das will den Patientinnen nicht in den Kopf.

"Das war noch einmal ein Schlag ins Gesicht. Man fühlt sich verhöhnt", sagt Ute Sold, Gleichstellungsbeauftragte in Schifferstadt und ehemalige Patientin des Gynäkologen. Sie kann sich noch genau an den Termin bei der Polizei erinnern, die sie als Betroffene identifiziert und ihr Bilder zugeordnet hatte. "Ich bin auf alles gefasst gewesen, aber dass sie doch so pornografisch, so ekelhaft sind, hätte ich nicht gedacht." 15 Fotos habe der Arzt von ihr gemacht, bei jedem einzelnen Termin, zu dem sie in die Praxis gekommen war.

Als Gleichstellungsbeauftragte habe sie auch einige der anderen Patientinnen betreut, berichtet die 47-Jährige. Keine der Frauen habe von den Aufnahmen etwas bemerkt - neben den Fotos sind auch einige Videos gefunden worden. Am meisten zu schaffen macht ihnen laut Sold der Vertrauensmissbrauch, den der Gynäkologe begangen habe.

Strafrechtliche Ermittlungen gegen den Arzt laufen. Mindestens drei Monate werden sie noch dauern, berichtet die Staatsanwaltschaft in Frankenthal. In monatelanger Kleinarbeit hat eine Ermittlungsgruppe der Polizei im Winter die Aufnahmen ausgewertet und sie mehr als 1800 Patentinnen zugeordnet. Der überwiegende Teil von ihnen hat Strafantrag gestellt, in einigen Fällen wurde Frauen bereits Schmerzensgeld zwischen 500 und 1000 Euro zugesprochen. Weitergegeben wurden die Fotos nach den bisherigen Erkenntnissen nicht.

Der Mediziner hat sich noch nicht geäußert, über das Motiv rätseln die Ermittler deshalb bis heute. Sein Anwalt Götz Stuckensen hatte in Interviews im vergangenen Monat gesagt, der Gynäkologe könne sich die Tat selbst nicht erklären. Einen sexuellen Hintergrund schloss der Jurist aus und sprach stattdessen von krankhafter Sammelwut.

Am kommenden Donnerstag (19. April) steht in dem Fall der erste Gerichtstermin an. Vor dem Verwaltungsgericht in Neustadt an der Weinstraße setzt sich der Arzt gegen eine Entscheidung der rheinland-pfälzischen Landesbehörden zu Wehr, nach der seine Zulassung als Mediziner ruht. Dies ist laut Bundesärzteordnung möglich im Fall eines "Verdachts einer Straftat, aus der sich seine Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des ärztlichen Berufs" ergeben könne.

Der Gynäkologe will nach Angaben seines Anwalts nicht mehr mit Patientinnen arbeiten. Er sehe sich nun eher in einem Labor oder in einem Fachverlag, eine Teil-Zulassung oder eine Approbation unter Auflagen würde ihm deshalb vollauf genügen.

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