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Fachleute schlagen AlarmKinderärzte fordern gezieltere Versorgung von Flüchtlingen

Für die medizinische Versorgung von Flüchtlingen ist aus Sicht des Verbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) dringend ein bundesweit einheitliches Vorgehen nötig.

Impfaktionen, Krankenversicherungskärtchen und sogenannte Laufzettel, auf denen Untersuchungen dokumentiert werden, gebe es bislang nur punktuell, sagte Verbandspräsident Wolfram Hartmann. Er sieht deshalb "erhebliche Probleme" bei der Gesundheitsversorgung der Flüchtlinge. Nach der "Tortur" der Flucht unter unhygienischen Bedingungen kämen viele Kinder mit Erkrankungen wie Durchfall an. "Man muss damit rechnen, dass sie Sachen wie Ruhr oder andere Darmerkrankungen mitbringen", sagte Hartmann. Bedenklich sei zudem, dass vielen Ärzten das Wissen über Tropenkrankheiten fehle. Nicht fit sei man auch bei in Deutschland seit Jahrzehnten nicht mehr auftretenden Krankheiten wie Polio: "Wir müssten flächendeckend für Ärzte Fortbildungen haben, damit sie Gefahren erkennen können."

Versichertenkarte für Flüchtlinge zum Jahresende
Ehrenamtliche Helfer vor der Berliner Erstaufnahmestelle berichten zudem von Frauen mit Kindern im Alter weniger Tage: Sie seien bei und nach der Geburt nicht medizinisch betreut gewesen, sagte Hebamme Simone Logar. "Hinzu kommen Erkältete und chronisch Kranke wie Diabetiker, denen lange keine Medikamente zur Verfügung standen." Gerade unzureichend oder nicht geimpfte Kinder müssten sofort in Erstaufnahmeeinrichtungen geimpft werden, um der Verbreitung von Krankheiten wie Masern, Mumps oder Röteln vorzubeugen, fordert der Kinderärzte-Verband schon länger. In Berlin hat der Gesundheitssenat zwar die Einrichtung einer Impfstelle angekündigt - in Betrieb ist sie aber bislang nicht. Eine Versichertenkarte für Flüchtlinge soll es zum Jahresende geben.

Meist das Engagement einzelner
Nicht nur syrische Kinder sind aktuell oft ungeimpft: Dass etwa in Bosnien durch den Bürgerkrieg in den 90er Jahren die Gesundheitsversorgung zusammengebrochen war, zeigt sich auch in Impflücken bei Erwachsenen. Es war ein Grund, aus dem sich die Masern Ende 2014 in einem Berliner Flüchtlingsheim ausbreiteten. Da auch viele Berliner ungeimpft waren, erkrankten allein in Berlin bisher mehr als 1.350 Menschen. Impfaktionen in Flüchtlingsheimen gingen bislang meist auf das Engagement Einzelner zurück, sagte Hartmann. Oft fehle es aber an Spritzen und Desinfektionsmitteln. Auch an Aufklärungsmaterialien mangelt es, dabei müssen Eltern der Impfung ihrer Kinder zustimmen. Bei minderjährigen Flüchtlingen ist ein Amtsvormund gefragt. "Das ist alles extrem kompliziert und wir haben auch viel zu wenig Dolmetscher, die uns helfen könnten", sagte Hartmann. Dabei ließen sich manche Bedenken von Flüchtlingen - wie die Angst vor wiederwendeten Kanülen - an sich leicht ausräumen.

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