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MedizinKunstherz: Patient überlebt fünf Jahre


Mit schnellen Schritten ist Wolfram unterwegs zur Ambulanz der Medizinischen Hochschule Hannover. Vor fünf Jahren wäre er auf dem Weg schon nach wenigen Metern außer Atem gewesen, sein Herz war damals zu schwach für körperliche Anstrengung. Eines Tages brach er im Badezimmer zusammen und kam ins Krankenhaus.

Ein neues Herz musste her, doch die Transplantationsliste war zu lang. Zu viele Kranke warteten bereits. Deshalb erhielt Wolfram zusätzlich zu seinem kranken Herz eine künstliche Pumpe, die sein Blut durch den Körper befördert. Seit mittlerweile fünf Jahren lebt er damit, so lange wie niemand anderes in Europa.

Martin Strüber, stellvertretender ärztlicher Direktor der Klinik für Herzchirurgie in Hannover, hat Wolfram und zwei weiteren Patienten 2005 die mechanischen Organe eingesetzt. Alle drei präsentierte er am Mittwoch in Hannover. Sie sind nach Angaben der Klinik die Patienten, die in Europa am längsten mit einem Kunstherz leben. Nur zwei Menschen in den USA hätten die Pumpen noch etwas früher erhalten.

Wenn Wolfram einen langen Tag vor sich hat, muss er morgens mit einem schweren Rucksack aus dem Haus gehen. "Vor fünf Jahren hat niemand damit gerechnet, dass jemand so lange mit dem Kunstherz leben kann", sagt Strüber. Zuerst wurden schwere Bleiakkus verwendet; inzwischen gebe es aber auch leichtere Lithium-Ionen-Akkus.

Zufrieden mit dem Herz aus Metall ist auch Uwe Schulze. Etwas Besseres habe ihm nicht passieren können, sagt der 50-Jährige. "Nach drei Treppenstufen habe ich früher gejapst wie ein Marathonläufer", berichtet er. Mit seinem Kunstherz fliegt er heute in den Urlaub und arbeitet als Prokurist in zwei verschiedenen Betrieben, ist bis zu 14 Stunden am Tag außer Haus. Entsprechend schwer ist sein Rucksack am Morgen.

Weil die Warteliste für Organtransplantationen sehr lang ist, wird das künstliche Herz für die Patienten immer mehr zur langfristigen Alternative. Nach Angaben der Klinik warten dieses Jahr rund 1000 Menschen in Deutschland auf ein neues Herz, während nur etwa 300 Organe gespendet werden.

Die Kunstherz-Patienten können im Alltag nahezu alles tun, nur Schwimmbad und Badewanne sind tabu: Die Elektronik würde im Wasser versagen. Für die Dusche gibt es eine Spezialtasche, die das Wasser abhält. Wolfram trainiert sogar im Fitnessstudio und fährt regelmäßig mit dem Fahrrad. Nur wenn er etwas Schweres in den fünften Stock tragen muss, gehe ihm die Puste aus, sagt er.

Von den 100 Patienten, die in Hannover ein Kunstherz erhielten und derzeit in der Nachsorge sind, gehen 40 arbeiten. Wolfram gehört nicht dazu, er hatte keine Chance auf eine Ausbildung und ist heute Frührentner. Doch das Wichtigste hat er geschafft: "Ich habe mich voll und ganz mit dem Kunstherz arrangiert."

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