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ArzneimittelversorgungPharmabranche räumt Lieferprobleme ein

In einem Schreiben an Spitzenvertreter der Gesundheitspolitik haben Medikamentenhersteller Lieferengpässe bestätigt.


Ein Konzentrationsprozess mit einer immer kleineren Zahl von Herstellern und eine Produktionsverlagerung an kostengünstige Standorte außerhalb der EU: Dies sind offenbar die Hauptursachen für die immer wieder - und oft kurzfristig auftretenden - Lieferengpässe in der Arzneimittelversorgung in Deutschland. Dies berichtet die "Frankfurter Rundschau" unter Berufung auf einen Brief von Pharmaunternehmen an führende Gesundheitspolitiker in Bund und Ländern.

Ursachen vielfältig
Grundsätzlich verantwortlich für das Problem ist nach Darstellung der Unternehmen ein "zunehmender Kostendruck im Arzneimittelbereich, der die Hersteller zur Nutzung aller Möglichkeiten der Effizienzsteigerung bei der Herstellung" zwinge. Als dessen Folgen beziehungsweise als weitere Ursachen für Engpässe werden genannt: zu geringe Produktionskapazitäten, eine geringere Lagerhaltung entlang der Lieferkette, Probleme bei der Wirkstoffbeschaffung und höhere Anforderungen der Aufsichtsbehörden an die Herstellungsqualität. Hinzu kommen Produktionsstopps, die umso schwerer wiegen, wenn ein Produkt für den gesamten Weltmarkt nur in einer Fabrik hergestellt wird, was zunehmend der Fall ist. Sinkende Preise für bestimmte Arzneien können zudem dazu führen, dass der Hersteller seine Produktionskapazitäten lieber für die Herstellung lukrativerer Medikamente nutzt.

Die Konsequenzen für die Engpässe relativierten die Unternehmen allerdings. Diese könnten kurzfristig sein, aber auch längere Zeiträume umfassen, heißt es in dem Bericht weiter. Nicht jede Lieferschwierigkeit verursache auch einen Versorgungsengpass, in den allermeisten Fällen gebe es Alternativmedikamente.

DKG: Schwerstkranke Patienten gefährdet
Genau dies ist nach Einschätzung der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) nicht der Fall. Erst Anfang der Woche hatte die DKG auf die Gefahren von Lieferengpässen im Kliniksektor aufmerksam gemacht und von "einer deutlichen Zunahme von Lieferengpässen in den vergangenen Monaten" gesprochen. Sie beträfen vielfach lebenswichtige Arzneimittel, die zur Behandlung schwerster Erkrankungen zwingend benötigt werden", heißt es in einem DKG-Papier für das Bundesgesundheitsministerium, aus dem die Berliner Zeitung zitiert. In 80 Prozent der Fälle seien die Arzneimittelengpässe plötzlich und ohne Vorabinformation der Hersteller aufgetreten. Vier bis sechs Prozent der Arzneimittel stehen in Krankenhäusern dem Bericht zufolge gar nicht oder in nicht ausreichender Menge zur Verfügung. In jedem fünften Fall mussten Patienten auf therapeutisch nicht gleichwertige, also schlechtere Alternativpräparate umgestellt werden.

In dem DKG-Papier werden dem Zeitungsbericht zufolge erstmals belastbare Zahlen zum Ausmaß der Lieferengpässe vorgelegt. Sie basieren auf einer repräsentativen Datenerhebung bei rund 100 Kliniken. Die DKG wertet die Resultate der Untersuchung als einen drohenden Versorgungsnotstand bei Arzneimitteln und spricht von "alarmierenden Ergebnissen" sowie der "Gefahr, dass bei einer weiteren Verschärfung der Situation die Versorgung von schwerstkranken Patienten mit den notwendigen Arzneimitteln nicht mehr sichergestellt werden kann". Am häufigsten von Lieferausfällen betroffen seien Arzneimittel zur Behandlung von Krebspatienten und Antibiotika sowie insgesamt Mittel, die intravenös verabreicht würden. Dazu zählt zum Beispiel auch injizierbares Aspirin, das zum Beispiel Notfallpatienten mit Verdacht auf einen Herzinfarkt gegeben wird.

Dass es noch nicht zu gravierenden Beeinträchtigungen in der Patientenversorgung gekommen sei, sei den Krankenhausapothekern zu verdanken, die mit großen Anstrengungen daran arbeiteten, Lieferengpässe zu kompensieren, heißt es weiter. Sie versuchen die Mittel im Ausland oder bei anderen Apotheken aufzutreiben. Gleichzeitig wägen sie nach Angaben des Verbandes Deutscher Krankenhausapotheker ab, welcher Patient ein Mittel wirklich dringend benötigt und bei wem womöglich ein alternatives Präparat ausreichend ist.

Politik erkennt die Brisanz
Das Thema wird mittlerweile auch in der Politik ernst genommen. Am vergangenen Dienstag hat das Bundesgesundheitsministerium Vertreter von Apotheken und Ärzteschaft zu einem Gespräch eingeladen. "Das Ministerium erkennt zunehmend die Brisanz des Themas und dass das nicht nur ein Nebenkriegsschauplatz ist", berichtete ein Teilnehmer. Ein Gespräch mit den Arzneimittelherstellern soll folgen. Der Geschäftsführer von Pro Generika, Bork Bretthauer, räumte Probleme in der Arzneimittelversorgung offen ein. "Das System ist viel störanfälliger geworden. Es gibt einzelne Wirkstoffe, die man in ganz Europa nicht kaufen kann", sagte Bretthauer. "Wir haben eine Marktverengung auf der Produktionsseite."

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft fordert nun ein zentrales Melderegister für Arzneimittel-Lieferengpässe, die gesetzliche Verpflichtung der Hersteller auf eine ausreichende Lagerhaltung von lebenswichtigen Arzneimitteln sowie ein zentrales Risikomanagement, um mit Rationierung und Produktionsausweitung frühzeitig auf drohende Engpässe reagieren zu können.

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