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InterviewPilotprojekt zur Suchtbekämpfung

Die unterschiedlichen Akteure in der Suchtbekämpfung haben in den vergangenen Jahren nur selten ihre Kompetenzen gebündelt: Suchtexperte Karl Mann im Interview.

Seit etwa einem Jahr gibt es in Baden- Württemberg das Pilotprojekt der obligatorischen kommunalen Suchthilfenetzwerke, die insbesondere durch verstärkte Kommunikation schnellere und effizientere Hilfe für die Betroffenen gewährleisten sollen. Nach Meinung des Suchtexperten Professor Karl Mann von der Universität Heidelberg ist damit ein nachahmungswürdiges Projekt für ganz Deutschland entstanden.

Was genau sind bzw. bieten die kommunalen Suchthilfenetzwerke?

Mann: "In diesen kommunalen Suchthilfenetzwerken müssen all diejenigen zusammenarbeiten, die mit Suchtproblemen in irgendeiner Weise therapeutisch zu tun haben. Das sind z.B. die Beratungsstellen, die Kliniken oder auch niedergelassene Ärzte. Unter der Führung jeweils der Stadt oder des Landkreises werden sie zu einer verbindlichen Zusammenarbeit verpflichtet. Durch diesen 'sanften Druck' wird erreicht, dass jetzt viel mehr Kommunikation, Austausch und Information stattfindet. Es gibt auch runde Tische in bestimmten Abständen, wo dann 'Patienten-Karrieren' miteinander besprochen werden, so dass die Hilfeleistungen der verschiedenen Stellen auch wirklich miteinander abgestimmt werden können."

Was ist das Hauptziel dieser Netzwerke?

Mann: "Vor allem Kommunikation, aber auch das Vermeiden von Doppel- und Dreifach-Leistungen. Beratungen sollen nicht wieder bei Null anfangen. Wenn ich weiß, wo der Betroffene schon einmal war, kann ich auf einem höheren Niveau bei der erneuten Episode ansetzen. Zudem wurden viele neue Tageskliniken für Suchtpatienten eingerichtet ­ in Baden-Württemberg viel mehr als sonst in der Republik. Denn es hat sich gezeigt, dass es durchaus sinnvoll ist, Patienten sechs bis acht Stunden am Tag zu behandeln und abends wieder nach Hause gehen zu lassen. Dieser gesamte Ansatz der kommunalen Suchthilfenetzwerke ist in Deutschland einmalig. Die anderen 15 Länder schauen jetzt, welche Erfahrungen wir damit machen und überlegen, ob sie es dann auch für sich übernehmen sollen."

Welche positiven Effekte haben Sie bereits feststellen können?

Mann: "Zum einen können sich die Beteiligten besser kennen lernen und greifen auch schneller zum Telefon, wenn es um den Austausch von Informationen geht. Zum anderen sehen wir aber auch Verbesserung in der akuten Hilfe: Bei den jugendlichen 'Koma- Trinkern', die in der Aufnahmestation des Kreiskrankenhauses landen, kann sofort der zuständige Berater dazu geholt werden ­ noch im Krankenhaus selbst, wenn die Betroffenheit des Patienten und eventuell auch der Eltern noch besonders groß ist und damit auch die Motivation, etwas zu ändern."

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