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CharitéStumme DNA ist gefährlicher Krebstreiber

Forscher haben einen neuen Mechanismus der Aktivierung von Krebsgenen und des Krebswachstums entdeckt.

Wissenschaftlier der Universitätsmedizin Berlin, des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC), ebenfalls in Berlin, sowie der Universität Leeds in Großbritannien konnten beim Hodgkin-Lymphom erstmals für eine Tumorerkrankung des Menschen nachweisen, dass wiederholt auftretende Abschnitte im Genom, sogenannte LTRs, als gefährliche Krebstreiber agieren können. Stephan Mathas (Charité, MDC) und Constanze Bonifer (Universität Leeds) berichten in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift "Nature Medicine"* über ihre Vermutung, dass aktivierte LTRs auch bei der Entstehung anderer Krebsarten eine wichtige Rolle spielen.

Fast die Hälfte des menschlichen Genoms besteht nach bisherigen Annahmen der Wissenschaft aus DNA, deren Funktion unbekannt ist. Sie umfasst Regionen außerhalb der eigentlichen Gene, die keine Information für ein Protein tragen. Darunter befindet sich auch sogenannte Junk-DNA (Englisch "junk" steht für überflüssiger Krempel). Dazu zählen unter anderem DNA-Schnipsel, die wiederholt im gesamten Genom vorkommen und als LTRs (long terminal repeats) bezeichnet werden. Vor Jahrmillionen sind sie von Retroviren zu Tausenden in das Genom des Menschen gelangt. Solche Viren haben die Fähigkeit, ihr eigenes genetisches Material in das Wirtsgenom einzubauen. Sie werden über verschiedene Vorgänge (zum Beispiel DNA-Methylierung) jedoch in der Regel stillgelegt und richten somit keinen Schaden an.

Untersuchungen am Hodgkin-Lymphom

Geht diese Kontrolle verloren, können die zuvor stummen DNA-Stücke angeschaltet werden und Gene in ihrer Nachbarschaft aktivieren, darunter prinzipiell auch solche, die Krebs auslösen. Das konnten Forscher bereits in Mäusen zeigen, nicht jedoch bei Krebserkrankungen des Menschen. Die Forschergruppe aus Berlin und Leeds hat jetzt erstmals für das Hodgkin-Lymphom, einen Lympdrüsenkrebs beim Menschen, nachgewiesen, dass aktivierte LTRs zur Krebsentstehung beitragen können.

Verwirrende Eigenschaften

Die Krebszellen des Hodgkin-Lymphoms, die sogenannten Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen, waren ursprünglich Zellen des Immunsystems, haben aber fast alle Eigenschaften ihrer Ursprungszellen, der B-Zellen, verloren. Abhanden gekommen ist diesen Krebszellen auch der normalerweise für das Überleben von B-Zellen nötige B-Zell-Rezeptor - er fehlt auf den Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen. Was aber hält die Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen am Leben und bringt sie zum Wachsen, wenn der ursprüngliche B-Zell-Rezeptor verloren gegangen ist?

Es gelang den Forschern zu zeigen, dass das Wachstum der Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen wesentlich von einem Faktor abhängt, der normalerweise nicht auf den B-Zellen vorkommt. Dieser Faktor, kurz CSF1R, (die englische Abkürzung steht für colony stimulating factor 1 receptor) kontrolliert eigentlich die Bildung anderer Immunzellen, der Monozyten und Makrophagen. Weiter wiesen die Forscher nach, dass aus dem Ruder gelaufene LTRs das Gen für diesen Faktor in Hodgkin-/Reed-Sternberg-Zellen aktivieren und damit das Überleben der Krebszellen sichern.

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