In der Niere befreien eine Million mikroskopisch kleiner Kanälchen den Körper ständig von Schadstoffen, halten dabei aber lebenswichtige Substanzen zurück und regulieren so die Zusammensetzung des Blutes. Für neue Erkenntnisse zur vorgeburtlichen Entwicklung der Nierenkanälchen ehrt die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) den Arzt Soeren Lienkamp mit dem Theodor-Frerichs-Preis. Die prämierte Publikation in Nature Genetics erlaubt nach Einschätzung der DGIM neue Einblicke in die Entstehung von Nierenzysten. Der Preis ist mit 30.000 Euro dotiert.
Weltweit leiden etwa zwölf Millionen Menschen an Zystennieren. Die flüssigkeitsgefüllten Blasen vergrößern sich im Verlauf des Lebens und verdrängen allmählich das gesunde Nierengewebe. "Zystische Nierenerkrankungen gehören nach wie vor zu den häufigsten Ursachen für ein Nierenversagen mit der Notwendigkeit zur Dialyse", sagt Ulrich R. Fölsch, Generalsekretär der DGIM. Viele Zystennieren sind genetisch bedingt, was auf eine Entwicklungsstörung der Nierenkanälchen hinweist. Denn von hier nehmen die Zysten ihren Ausgang. Eine Voraussetzung für deren Erforschung ist deshalb die Kenntnis der Entwicklung der Kanälchen.
Kaulquappen geben im Lasermikroskop Aufschluss
Mithilfe der modernen konfokalen Lasermikroskopie beobachtete Lienkamp erstmals an Kaulquappen in Echtzeit, wie sich Zellhaufen langsam zu Nierenkanälchen strecken. Dabei verbinden sich zunächst mehrere Zellen zu einer Art Rosette. Danach formieren sie sich zu einem Schlauch. Den Antrieb hierfür liefert das Muskeleiweiß Myosin. Ein ähnlicher Mechanismus ist bereits für die Nierenentwicklung bei Fruchtfliegen beschrieben. Die Studien des 1978 in Essen geborenen Assistenzarztes bestätigen dies nun. Und sie legen nahe, dass es sich hier um einen in der Evolution stabilen und damit wichtigen Vorgang handelt, so die Juroren der DGIM.
In der Laudatio hebt die DGIM-Jury eine weitere Entdeckung hervor: Dr. Lienkamp zeigte, dass dieselben Signale für Rosettenbildung und Streckung der Nierenkanälchen bei der Kaulquappe auch die Entwicklung des menschlichen Embryos steuern. Auch dies belegt, dass die Nierenentwicklung nach bewährten Bauplänen abläuft. "Die Bedeutung der Ergebnisse für unser Verständnis zur Entstehung zystischer Nierenerkrankungen ist evident", sagt Professor Fölsch. Besonders herauszustellen sei, dass die Arbeit in einem klinischen Umfeld entstanden ist und auf konsequente Vorarbeiten des Preisträgers in der Klinik fußt. Sie belege in herausragender Weise, dass grundlagenbezogene Studien wesentlich zum Krankheitsverständnis beitragen können.
Der DGIM-Preis ist nach dem Präsidenten des ersten Deutschen Kongresses für Innere Medizin – dem Internisten Friedrich Theodor von Frerichs – benannt.


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