Bisher schätzen Experten die Zahl der Fälle im Jahr, in denen sich Patienten in einem deutschen Krankenhaus eine Infektion zuziehen. Diese Schätzungen basieren auf Erhebungen, die weit über zehn Jahre alt sind, nur Stationen mit einem besonders hohen Risiko oder an einem einzelnen Stichtag berücksichtigten, und sind daher entsprechend unsicher. Zahlen von 600.000 und mehr werden genannt, weil aktuelle, fundierte Ausgangsdaten fehlen.
Krankenhausinfektionen bei 4,3 Prozent
Für die Studie wurden bei fast 40.000 Patienten in den vergangenen zwölf Monaten klinikumsweit Daten weit über das übliche Krankenhausinfektionsüberwachungssystem KISS hinaus erhoben, beispielsweise auch Daten zur Antibiotikatherapie oder die Schwere einer Krankenhausinfektion. Das Ergebnis: Bei 4,3 Prozent der in den ersten sechs Monaten behandelten Fälle, genau 823-mal traten Krankenhausinfektionen auf. Die Auswertung weiterer sechs Monate läuft noch. "Damit können wir die bisherigen Expertenschätzungen für deutsche Kliniken bestätigen und erstmals wissenschaftlich untersetzen", erklärt der Studienleiter Frank M. Brunkhorst.
Stufe 2: Maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen
In der zweiten Studienphase wollen die Jenaer nun maßgeschneiderte Präventionsmaßnahmen entwickeln - gezielt für die häufigsten Krankenhausinfektionen wie Wund- oder Atemwegsinfektionen. Die Maßnahmen sollen speziell auf die Patientengruppe und die Abläufe in der Klinik zugeschnitten werden. "Wir wollen Maßnahmenbündel schnüren, die im Alltag auch umsetzbar sind. Deshalb fassen wir jetzt die für die jeweilige Infektion vielversprechendsten Maßnahmen zusammen, zur Verringerung der katheterassoziierten Infektionen zum Beispiel die kritische Prüfung der Notwendigkeit, die strikt aseptische Anbringung und die rechtzeitige Entfernung von Venenkathetern. Dann testen wir, ob sich durch diese Maßnahmenbündel auch unter Real-Life-Bedingungen in einem großen Klinikum eine Reduzierung der Krankenhausinfektionen erreichen lässt", so Studienkoordinator Stefan Hagel.
Ziel: Reduzierung der Infektionen um 20 Prozent
Ob und wie wirksam die einzelnen Maßnahmen sind, wird sich ab März 2013 zeigen. Dann beginnt eine erneute Erfassung der Infektionen. Parallel wird anhand der Daten ein exakteres Risikoprofil formuliert, um so spezielle Patientengruppen noch gezielter und wirksamer zu schützen zu können. Brunkhorst: "Es ist unser Ziel, die Krankenhausinfektionen an unserem Klinikum nachhaltig um 20 Prozent zu reduzieren."
Posterkampagne für Händedesinfektion
Auch des hygienischen Dauerbrenners Händedesinfektion nimmt sich das Studienteam an: Eine mit der Bauhaus-Universität Weimar entwickelte Posterkampagne spricht alle Klinikumsmitarbeiter, aber auch Angehörige und Besucher an. Die ergonomische Anbringung von Desinfektionsmittelspendern in der Nähe der Patientenbetten soll Abläufe in der täglichen Routine vereinfachen.


Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen