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Nach TransplantationsskandalenZahl der Organspenden erreicht Zehn-Jahres-Tief

Experten fordern mehr Transparenz und eine Reduzierung von Transplantationszentren.

Die Zahl der Organspenden ist 2012 im Vergleich zum Vorjahr bundesweit um 12,8 Prozent gesunken und hat damit den niedrigsten Stand seit 2002 erreicht. "Mit dieser besorgniserregenden Entwicklung erreicht die Organspende mit einem bundesweiten Durchschnitt von 12,8 Spendern pro eine Million Einwohner einen dramatischen Tiefstand", warnt die Deutsche Stiftung Organtransplantation (DSO). Vorläufigen Zahlen der DSO zufolge spendeten im vergangenen Jahr 1.046 Menschen nach ihrem Tod 3.508 Organe, um schwerkranken Patienten zu helfen. Im Jahr zuvor seien es noch 1.200 Spender und 3.917 Organe gewesen, die für lebensrettende Transplantationen hätten bereitgestellt werden können. Den stärksten Rückgang registrierte die DSO im Verlauf des zweiten Halbjahres 2012 nach Bekanntwerden der Manipulationen in drei Transplantationszentren. Ein weiterer wahrscheinlicher Rückgang nach dem aktuellen Skandal am Universitätsklinikum in Leipzig ist darin noch gar nicht enthalten.

"Ohne Zweifel sind die Manipulationsvorfälle in den Transplantationszentren durch nichts zu entschuldigen. Mit großer Sorge sehen wir allerdings, dass im Zuge dessen auch das Vertrauen in die postmortale Organspende massiv erschüttert wurde und die nachlassende Spendenbereitschaft das eigentliche Grundproblem, den Organmangel, weiter verschärft", betont der Medizinische Vorstand der DSO, Günter Kirste. In diesem Zusammenhang fordert der Mediziner eindeutige Konsequenzen. Nur so könne das Vertrauen wieder hergestellt werden. Bundesweit warten rund 12.000 Menschen dringend auf eine Transplantation.

Nach dem jüngsten Transplantationsskandal in Leipzig ist das Vertrauen der Deutschen in die Organspende-Praxis offenbar ein weiteres Mal erschüttert worden. Nach einer Umfrage des Instituts Emnid sind derzeit noch 59 Prozent der Deutschen bereit, Organe zu spenden, nach 61 Prozent im vergangenen August. Damals lehnten 34 Prozent eine Organspende ab, heute sind es 37 Prozent. Auch sind 71 Prozent der Bundesbürger davon überzeugt, dass Wohlhabende und Prominente bei der Organvergabe bevorzugt würden. 87 Prozent der Deutschen fordern der Befragung zufolge härtere Strafen bei Korruption durch Mediziner. Der Vorsitzende des Verbandes der niedergelassenen Ärzte Deutschlands, Dirk Heinrich, hält bestehende Strafmaßnahmen indes für ausreichend: "Einem korrupten Arzt kann zum Beispiel die Zulassung entzogen werden", sagte er der "Bild am Sonntag".

Ärztevertreter: "Zahl der Leber-Transplantationszentren halbieren"
Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie(DGCH), Karl-Walter Jauch, forderte unterdessen die Schließung von jedem zweiten Leber-Transplantationszentrum in Deutschland. Statt 24 Kliniken für solche Organverpflanzungen sollten künftig nur noch 12 existieren, sagte Jauch dem Magazin "Focus". Der Wettbewerb zwischen den Zentren wirke sich negativ auf die Qualität aus. In diesem Zusammenhang warnte Jauch auch vor falschen wirtschaftlichen Anreizen in der Medizin. Die Medizin müsse weg vom Kommerz, sagte der DGCH-Präsident im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Für die aktuell aufgedeckten Betrugsvorgänge machte der Mediziner auch die Vorschriften bei der Vergabe von Organen, insbesondere Lebern, verantwortlich. Mediziner müssten "den Mut haben, zu sagen, dass man Patienten, die nur mehr eine minimale Chance auf Rehabilitation haben, nicht mehr einer Transplantation unterzieht".

Für eine Reduzierung von Transplantationszentren hat sich auch die Deutsche Stiftung Patientenschutz ausgesprochen, weil dies die Aufsicht deutlich erleichtere. "Wir fordern einen bundesweit zu entwickelnden Masterplan, der alle Aspekte im Blick hat. Bisher plant aber jedes Land für sich allein", teilte die Stiftung mit. "Länder, Krankenhausbetreiber, Bundesärztekammer, Krankenkassen und Patientenorganisationen müssen an einen Tisch, um die Bedingungen für den Betrieb der Transplantationszentren festzulegen."

Das Jahr 2012 war nach Einschätzung der Stiftung DSO "ein bewegtes Jahr" für die Organspende und Transplantation. Erfreulicherweise habe die Politik mit der Entscheidungslösung und der bundesweiten Einführung von Transplantationsbeauftragten entscheidende Weichen für die Organspende gestellt. Dies sei aber überschattet worden von den Vorwürfen gegenüber einzelnen Transplantationskliniken, Daten manipuliert und damit Patienten schneller zu einem Spenderorgan verholfen zu haben. Die DSO ist seit Juli 2000 die beauftragte Koordinierungsstelle für Organspende in Deutschland. Deren neuer hauptamtlicher Vorstand, Rainer Hess, appellierte an alle Partner, gemeinsam für mehr Transparenz zu sorgen und über eine strengere Qualitätssicherung zukünftig einen solchen Missbrauch des Systems zu verhindern. "Das Vertrauen müssen wir uns neu verdienen. Die Organspende und die Organübertragung sind zwar getrennte Bereiche mit eigenen Regeln, aber wenn Ärzte bei der Transplantation manipulieren, ist das gesamte System betroffen", sagte Hess.

Nieren-Spender Steinmeier verurteilt Gewinnstreben
Am Dienstag vergangener Woche hatte die Leipziger Uni-Klinik die Manipulationen bei Lebertransplantationen in ihrem Haus öffentlich gemacht. 38 Patienten sollen fälschlicherweise als Dialyse-Fälle geführt worden sein, um sie auf der Warteliste für eine Spenderleber nach oben rutschen zu lassen. Drei Mediziner wurden suspendiert. Sonderprüfer sollen nun Hunderte von Patientenakten prüfen. Nach Ansicht von SPD-Spitzenpolitiker Frank-Walter Steinmeier dürfen Mediziner, die aus Gewinnstreben gegen Regeln verstoßen, obwohl es um Leben und Tod geht, "unter keinen Umständen mehr praktizieren". Was unter anderem in Leipzig bekanntgeworden sei, habe er für undenkbar gehalten, sagte der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion der Zeitschrift "Superillu". Steinmeier hatte seiner Frau Elke Büdenbender im Jahr 2010 eine Niere gespendet. Seiner Frau gehe es heute sehr gut, sagte Steinmeier.

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