Interview mit Gerhard Adam
Herr Adam, das Motto des 96. Deutschen Röntgenkongresses lautet „Technik für Menschen”. Wie ist das zu verstehen?
Mit diesem Motto will der Röntgenkongress einerseits vermitteln, wie segensreich der Einsatz von Technik in der bildgebenden Diagnostik für unsere Patienten ist. Andererseits entwickeln wir diese Technologien natürlich nicht allein, sondern im Konzert mit den anderen Disziplinen. Erst dieses Zusammenspiel sorgt für den kontinuierlichen Innovationsfluss. Ich möchte diesen Zusammenhang zum Anlass nehmen, um ein paar Dinge hervorzuheben, die in den nächsten Jahren auf unser Fach zukommen werden. Etwa in der Nanotechnologie, der Computertechnologie, den Ingenieurwissenschaften und der Chemie. Dort passieren viele Dinge, die sich unmittelbar auf die Patientenversorgung auswirken werden.
Dennoch dauert es meist eine gewisse Zeit, bis neue Technologien im Krankenhaus angekommen sind. Das liegt auch oft am Preis.
Verhindert das den Innovationsschub in deutschen Kliniken?
Die investiven Aufwendungen für bildgebende Diagnostik (CT, MRT) haben gemessen am Gesamttopf der Gesundheitsdienstleistungen Deutschlands laut ZVEI im Rahmen der GKV nur 1,5 Prozent betragen. Trotzdem haben wir Radiologen den Ruf, dass unsere Technik sehr viel Geld kostet. Vergleicht man das aber mit den Kosten einer einzigen OP-Minute, dann ist die bildgebende Diagnostik quasi zu einem Discountpreis zu haben. Wenn man gleichzeitig erkennt, dass sie in der Krankenversorgung eine ganz zentrale Rolle spielt – denn dort werden schließlich Entscheidungen getroffen, die Therapieentscheidungen sind –, dann relativieren sich diese angeblich so hohen Kosten ganz schnell. Man darf außerdem nicht vergessen, dass Bildgebung gerade in der interventionellen Radiologie heute zunehmend auch therapeutisch eingesetzt wird, etwa bei der palliativen Tumortherapie. Diese Entwicklungen machen Behandlungen wesentlich schneller und einfacher und tragen so ebenfalls zur Kostenreduktion bei.
Verändert das auch die Rolle der Radiologen?
Klinische Radiologen stehen heute im Zentrum des Diagnose- und Behandlungsprozesses. Wenn ich mein eigenes Umfeld anschaue, dann sind wir in den Kliniken so etwas wie Informationsbroker – weil bei uns sehr viele Informationen zusammenlaufen und weiter kommuniziert werden. Radiologen sind außerdem wichtige Player bei zunehmend interdisziplinären Behandlungskonzepten. Allein bei uns in der Klinik sind wir in der Woche in circa 20 interdisziplinären Onkologieboards vertreten, in denen die Bildinformationen vermittelt und kritisch hinterfragt werden.
Als Informationsbroker spielt sicherlich auch der Begriff Big Data eine große Rolle …
Wir sind heute in der glücklichen Lage, alle bildgebenden Informationen in großen Datenbanken abzuspeichern. Diese Datenbanken bieten, zusammen mit den klinischen Informationen aus dem KIS, einen Schatz, der im Moment noch gar nicht gehoben ist. Wenn wir uns darüber Gedanken machen, dass uns in Zukunft zum Beispiel die parametrische Bildgebung mit voxelbasierten quantitativen Analysen von Bilddaten zur Verfügung steht, dann werden solche Technologien natürlich sehr wichtig. Dass man dabei den Datenschutz berücksichtigen muss, versteht sich von selbst.
Von welchen Technologien erwarten Sie in nächster Zeit die größte Veränderung?
Vor allem in der Fusionsbildgebung wird sich in Zukunft einiges tun. Bei uns wird gerade das Thema Magnetic Particle Imaging (MPI) experimentell untersucht – die Möglichkeit des direkten Auslesens des Magnetismus von eisenhaltigen Kontrastmittelpartikeln. Im Ultraschall wird es ebenfalls interessante Neuentwicklungen geben. Die Hybridisierung und die intelligente Handhabung der so gesammelten Daten werden in Zukunft einen immer breiteren Rahmen finden. Auch Nanopartikel haben das Potenzial, in der Diagnostik oder sogar der Therapie eingesetzt zu werden. In experimentellen Ansätzen ist das sogar schon Realität. Die Theranostik gilt als eine der Schlüsseltechnologien des 21. Jahrhunderts; ich denke, davon haben wir noch einiges zu erwarten.
Ist auch der 3D-Druck eine mögliche Zukunftstechnologie für die Medizin?
Meine Kollegen nutzen den 3D-Druck teilweise schon zur Therapieplanung, beispielsweise in der Versorgung von zerebralen Aneurysmen. Auch dies wird auf dem Röntgenkongress vorgestellt. Das ist also nicht mehr Zukunftsmusik, sondern schon ein Stück klinischer Alltag. Ich denke, das hat nicht nur in der Radiologie, sondern auch bei großen rekonstruktiven Eingriffen der Chirurgie großes Potenzial.
Welche Highlights können die Besucher denn auf dem Röntgenkongress erwarten?
Es gibt eine ganze Reihe interessanter Vorträge, etwa die Eröffnungsveranstaltung mit Hermann Requardt, dem ehemaligen Vorstandsvorsitzenden von Siemens Medizinsysteme. In einem anderen Vortrag wird Horst Weller hier aus Hamburg über das Potenzial der Nanomaterialien in der Medizin referieren. Die Beiträge zu den Neuentwicklungen von Röntgenstrahlen, Big Data und zum 3D-Druck werden ebenfalls sehr spannend. Auch Kollegen, die erst am Anfang ihrer wissenschaftlichen Laufbahn stehen, werden dort Interessantes und Brandneues vorstellen.
Welche Entwicklungen wünscht sich der Radiologe denn in Zukunft von der Forschung?
Zukunftsaussagen bleiben natürlich zunächst Spekulation. Was sich der Radiologe von der Forschung allerdings erhofft, lässt sich auf drei einfache Punkte bringen: Wir müssen noch präziser, noch schneller und noch spezifischer werden.


Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen