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ProzessoptimierungDie Orchestrierung des OP-Betriebs

Zeit ist Geld, das gilt auch für den Operationssaal – schließlich kostet eine durchschnittliche OP-Minute 25 Euro. Trotzdem läuft dort in vielen Kliniken nicht alles rund. kma hat mit Christian Heitmann, Leiter des Bereichs Healthcare der Managementberatung ZEB, über Prozessoptimierung, ungenutzte Potentiale und die Zukunft der Digitalisierung im OP gesprochen.

Der Operationssaal ist das Herzstück jedes Klinikbetriebs. Daher könnte man vermuten, dass dort alle Abläufe optimal aufeinander abgestimmt sind. Dennoch haben viele Kliniken gerade hier Probleme mit der Prozessoptimierung. Woran liegt das?
Der OP ist nicht nur das Herzstück, sondern auch der Bereich mit den kompliziertesten Prozessabläufen, die es im Krankenhaus gibt – schließlich konzentriert sich dort alles zu einem Zeitpunkt auf eine Person, nämlich den Patienten. Ich vergleiche das gerne mit einem Golfschwung: Wenn man nur eine Sache falsch macht, ist der Treffmoment des Balls nicht mehr optimal. So ist es auch im OP. Außerdem reicht es hier nicht, nur die internen Abläufe richtig zu planen und umzusetzen – auch die Schnittstellen nach außen und die Prozessketten, die im Haus für den pünktlichen Transport des Patienten in den OP verantwortlich sind, müssen optimal abgestimmt sein. Das macht die Prozessoptimierung dort sehr spannend, ist aber auch eine große Herausforderung.

Wie steht es um die unterbrechungsfreie Digitalisierung und die IT im Operationssaal, die hier Unterstützung leisten kann?
Die Digitalisierung ist natürlich ein ganz relevanter Punkt, weil man darüber die durchgehende Planung sicherstellen kann, die dann zu einem reibungslosen Ablauf führt. Sie betrifft auch das Thema Transparenz, sprich das Planen in Tools, die visuell auch im OP zu sehen sind und zwar von allen Beteiligten. Außerdem erleichtert sie das Ausleiten der im OP gesammelten Information, im Sinne von Dokumentation und der Verzahnung dieser Daten hinein ins KIS und die elektronische Patientenakte. Das scheint vielen Häusern noch nicht bewusst zu sein.

Welche Technik ist hier unerlässlich, um den optimalen Ablauf gewährleisten zu können?
Dreh- und Angelpunkt ist das Krankenhausinformationssystem (KIS), das alle anfallenden Informationen des Patienten im Krankenhaus zentral elektronisch abbildet – angefangen bei einem ersten Kontakt in der Anmeldung, über die OP-Planung, bis hin zum digitalen Ausleiten des OPBerichtes. Es nützt allerdings nichts, sich nur auf die Technik zu verlassen, man muss sie auch zu nutzen wissen und bereit sein, seine Prozessabläufe danach ausrichten. Eine Konsequenz davon ist, auf Vorlieben und über die Jahre festgefahrene Gewohnheiten zu verzichten.

Nicht immer lässt sich ein geplanter OP-Termin auch tatsächlich einhalten. Wie kann man solche Verzögerungen kompensieren?
Dafür muss man alle Prozesse rund um den OP so organisieren, dass trotz aller geplanten Abläufe Flexibilität möglich ist. Hier gibt es eine Menge Möglichkeiten, die bei der transparenten und übergreifenden Planung beginnen, aber auch die Patientenlogistik im Haus betreffen. Ein Beispiel in größeren OPs sind sogenannte Holdingareas, wohin Patienten von Stationen aus abgerufen werden, so dass kurzfristige Veränderungen sehr schnell kompensiert werden können, weil der Patient schon in unmittelbarer Nähe ist.

Wie steht es um die optimale Vernetzung der Technik im OP?
Die Technik im OP befindet sich heute schon auf einem sehr hohen Niveau. Trotzdem sind die einzelnen Geräte dort oft nicht vollständig miteinander vernetzt. Da gibt es einen erheblichen Nachholbedarf. Das fängt schon damit an, wie Implantate im OP für die Dokumentation registriert werden. Einige Häuser setzen dafür Scannerlösungen ein, es gibt aber auch andere, die nach wie vor Aufkleber mit der Identifikationsnummer in die Patientenakte kleben. Hier sieht man, wie ein digitalisierter Workflow von manuellen Papierformen unterbrochen wird.

Was ist für eine optimale Organisation der am Operationsprozess beteiligten Personen unerlässlich?
Das Rückgrad im OP bilden die OP-Pflege und die Anästhesie-Pflege. Wenn diese Teams gut miteinander harmonieren und eingespielt arbeitet, dann ist das schon deutlich mehr als die halbe Miete. Außerdem sollte es möglichst durch ein starkes OP-Management nicht nur organisiert, sondern auch geschützt werden. Häuser, die dies erkennen, haben immer eines gemeinsam: sie zeichnen sich in der Regel durch ein zentrales OP-Management aus, welches direkt an die Geschäftsführung oder beim Ärztlichen Direktor als Staabsstelle angegliedert ist und sich um nichts anderes kümmern als die optimale Gestaltung der OP-Abläufe - und zwar mit einer entsprechenden Durchgriffsmacht. Wenn sie niemand haben, bei dem alle Fäden zusammenlaufen und der alle Abläufe orchestriert, kann der OP-Prozess nicht optimal organisiert sein. Nicht zuletzt trägt das auch entscheidend zur Wertschätzung dieser Berufsgruppen bei und genau daran hapert es oft erheblich.

Was raten sie den Klinikmanagern, die ihre OP Prozesse verbessern wollen – wie sollte man das in Angriff nehmen?
Jedes Haus hat spezielle Probleme, und die gilt es zu erkennen. Häufig bekommen sie mit zwei bis drei Stellschrauben schon viel bewegt. Aber das sind oft auch Stellschrauben, die am Schwierigsten zu verändern sind. Hier kann der externe Blick eines Beraters manchmal mehr bewirken als das eigene Personal.

Werden Kliniken in Zukunft, von der Ablauforganisation mal abgesehen, um eine stärkere Automatisierung des Operationsprozesses durch IT herum kommen können?
Die Digitalisierung wird auch hier nicht Halt machen. Es gibt bereits Verfahren wie die digitalisierte OP-Führung, die Qualitätssicherung, Standardisierung und Dokumentation der OP miteinander verbindet. Hier durchläuft der Arzt mit der Operation eine sehr detaillierte Prozessroutine, die ihm bei Standardeingriffen ansagt, welchen Operationsschritt er als nächstes machen muss. Ich glaube das ist absolut sinnvoll, weil man so sicherstellt, dass jede OP zumindest unter Normalbedingungen gleich abläuft. Auch ein Pilot wird heute trotz seiner hohen Qualifikation beim Flugprozess von der IT geleitet. Daher frage ich mich immer, warum das nicht auch im OP opportun ist.

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