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3D-DruckKieferprothese aus dem Drucker

Am 29. September veranstaltet der Industrieverband Spectaris zusammen mit dem Fraunhofer Institut für Produktionstechnik und Automatisierung (IPA) in Mannheim das Forum „3D-Druck in der Medizintechnik“. Wir haben im Vorfeld mit Markus Safaricz über das Potenzial der jungen Technologie gesprochen.

Der 3D-Druck wird derzeit vor allem für das Rapid Prototyping eingesetzt. Was ist das genau?
Für diese Verfahren werden zunächst die dreidimensionalen Daten eines Objekts berechnet, um es dann per 3D-Druck zum Beispiel mit Kunststoffen zu reproduzieren. So haben Sie sehr schnell einen Prototyp. Das ist etwa bei dem Zusammenfügen von Knochenteilen sehr hilfreich, da Sie bereits vor der Operation exakt bestimmen können, wo und wie Sie diese Teile zusammenfügen und anbringen müssen. Die Modelle helfen auch bei der Planung komplexer Rekonstruktionen, zum Beispiel von Kiefern.

Welche Vorteile bergen die Verfahren gegenüber herkömmlichen Methoden?
Sie erlauben eine größere Designfreiheit, und das bei einer signifikanten Zeitersparnis. Wenn Sie das Beispiel einer Augenprothese nehmen, so müssen Sie durchschnittlich rund 20 Wochen warten, bis sie mit den klassischen Verfahren hergestellt ist. Mit dem 3D-Druck können Sie dagegen fünf solcher Prothesen pro Stunde produzieren.

Kann man mit den per 3D-Druck hergestellten Augenprothesen tatsächlich auch wieder sehen?
Nein, sie dienen ausschließlich der Gesichtsästhetik. Von der Produktion eines funktionierenden Auges sind wir derzeit noch weit entfernt. Allerdings wurden bereits erfolgreich Netzhautzellen gedruckt. Die Problematik beim Drucken von funktionsfähigen Zellverbänden ist allerdings, diese Zellen lebendig durch die feinen Düsen des Druckers passieren zu lassen. Dafür müssen die Zellen üblicherweise geschrumpft werden, und dabei sterben bisher noch sehr viele Zellen ab.

Die Hoffnung, Organe wie künstliche Herzen per 3D-Druck zu erstellen, ist also utopisch?
Um die Überlebensrate der gedruckten Zellen zu erhöhen, muss noch viel passieren. Allerdings rechnet man durchaus damit, bis zum Jahr 2020 funktionierende Zellverbände produzieren zu können, die bei Patienten zur Anwendung kommen. Das Deutsche Herzzentrum und die Technische Universität in Berlin erforschen derzeit, ob sich ein per 3D-Druck produziertes individuelles Herzklappengerüst mit Blutgefäßzellen aus der Nabelschnur besiedeln lässt. Die daraus entstehende Herzklappe wäre dann in der Lage, mit dem Patientenkörper mitzuwachsen – die künstlichen Herzklappen von heute können das nicht.

Werden mit dem 3D-Druck auch fertige Prothesen hergestellt?
Ja, durchaus. Zum Beispiel Kieferbrücken, Zahnimplantate oder sogar Knochen, die ersetzt werden. Teilweise werden auch schon ganze Gelenke ausgedruckt. Einer flächendeckenden Einführung der Technologie in Kliniken stehen allerdings gegenwärtig die Anforderungen des Medizinproduktegesetzes und Haftungsfragen im Wege.

Kann der 3D-Druck die Medizintechnik revolutionieren?
In jedem Fall. Die gedruckten Produkte werden zukünftig auch in Sachen Haltbarkeit optimiert. Die Verfahren sind heute schon nicht nur schneller, sondern auch bedeutend günstiger als klassische Verfahren. Etwa bei den Augenprothesen: So kostet eine mit 3D-Druck hergestellte Prothese etwa 150 Euro, eine konventionell erzeugte Prothese ist dagegen rund 3.600 Euro teuer. Handprothesen kosteten früher bis zu 35.000 Euro, für ein 3D-Modell bezahlen Sie dagegen nur 800 Euro. Abgesehen davon wird es in Zukunft auch günstiger werden, sich einen 3D-Drucker anzuschaffen – sodass sich selbst Arztpraxen die Investition leisten können.

Aber dass man sich im Krankenhaus schnell mal eine funktionstüchtige Niere ausdruckt, bleibt Utopie?
Auch wenn ich damit rechne, dass das zukünftig nicht mehr nur Utopie ist, werden dafür sicherlich noch einige Jahrzehnte vergehen müssen. Die derzeitige Entwicklung dahin ist allerdings sehr vielversprechend.

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