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EndoskopieOptische Quantensprünge

Die technischen Fortschritte in Sachen Auflösung von Videobildern sind immens. Auch im Krankenhaus hat die HD-Technik die Bildgebung revolutioniert, schließlich liefert eine höhere Auflösung den Ärzten deutlich schärfere Aufnahmen. Das gilt auch für die Endoskopie.

Mit dem HDTV lassen sich Bilder erzeugen, die mit der bisher verwendeten Übertragungstechnik in der Endoskopie nicht vergleichbar sind, schwärmen Experten. HDTV enthält beispielsweise etwa viermal so viele Bildpunkte (Pixel) pro Bild wie herkömmliches Fernsehen. Die verbesserte Optik macht es Ärzten möglich, bei endoskopischen Untersuchungen im Inneren ihrer Patienten mehr zu sehen und damit etwa Tumore bereits im Frühstadium schneller zu diagnostizieren und behandeln zu können. „Vor 25 Jahren hat man durch ein Fiberglasgerät geschaut, seit etwa 15 Jahren sind Videoendoskope der Standard. Mittlerweile blickt man auf 26 Zoll Flatscreen-Monitore in HDTV-Auflösung – ich sehe damit eine Läsion in fünf Millimetern Durchmesser in einer Präzision und Klarheit, die man sich vor wenigen Jahren überhaupt nicht vorstellen konnte”, erklärt Mirko Feuring, Produktmanager für flexible Endoskopie des Medizintechnikanbieters Olympus. Mit den Vorteilen der HD-Technik ist aber noch ein anderer Effekt verbunden, den sich die Endoskopie zunutze macht: das räumliche Sehen. Durch die Schärfe und den Detailreichtum der Bilder lässt sich auch räumliche Tiefe und damit ein 3D-Effekt erzielen.

Aufbruch in die dritte Dimension
Bereits vor zehn Jahren gab es Ansätze, die 3D-Technik für Endoskope nutzbar zu machen. Die Videobilder hätten auch damals schon mit den heutigen 3-D-Bildschirmen gezeigt werden können – allerdings gab es sie noch nicht. Deshalb mussten Ärzte dafür eine eigens entwickelte Brille aufsetzen, um dreidimensional sehen zu können. „Man musste mit sogenannten Shutterbrillen arbeiten. Die veränderte Koordination von Auge und dem von der Brille erzeugten Bild beeinträchtigte den Gleichgewichtssinn, weshalb viele Untersucher bei der Endoskopie Schwindel und Kopfschmerzen bekamen”, so Peter Solleder, Leiter für neue Applikationen des Endoskopherstellers Karl Storz. Der Effekt hat sich erst mit den neuen polarisierenden 3D-Brillen gelegt. Sie sind deutlich leichter und erinnern an die schwarzen Sonnenbrillen, die Helden in modernen Actionfilmen tragen. „Die Technik der 3D-Bildschirme funktioniert im Grunde genauso: die Bildinformation wird in zwei unterschiedlichen Polarisierungsrichtungen dargestellt, womit die visuelle Information für das rechte und linke Auge getrennt wird. Diese Bilder werden dann im Gehirn zu einem Stereobild zusammengefügt”, erklärt Solleder. Wer heute bei solchen Eingriffen einen Blick in den OP-Saal wirft, sollte sich daher nicht wundern, wenn die Chirurgen dunkle Brillen tragen, während sie auf den Bildschirm schauen. Das könnte sich aber schnell ändern, denn einige Hersteller liefern bereits heute Monitore, die das Bild auch ohne Brille dreidimensional darstellen.

Optischer Filter für mehr Kontrast
Die 3D HD-Technik kommt etwa in der Laparoskopie zum Einsatz, wo die Organe mit starren Endoskopen durch Öffnungen in der Bauchdecke sichtbar gemacht werden. Dafür bringen Ärzte über einen Hautschnitt zunächst einen sogenannten Trokar in die Bauchdecke ein, durch den die Videokamera eingeführt wird. Bei operativen Eingriffen werden über weitere Hautschnitte zusätzlich Instrumente eingeführt, mit deren Hilfe die Operation erfolgt. Selbst Tumoroperationen werden mittlerweile laparoskopisch gemacht. Mit der Detailgenauigkeit ergeben sich aber noch weitere Neuerungen. So kann das Kamerabild zusätzlich gefiltert werden, um bestimmte Strukturen hervorzuheben. Das können rein digitale Filtertechniken sein, wie man sie etwas von Photoshop kennt. Sie erlauben es, die sichtbaren Oberflächenstrukturen stärker zu akzentuieren. Mittlerweile gibt es auch optisch-digitale Techniken, die mit einer Veränderung der Lichtquelle des Endoskops arbeiten. „In der Lichtquelle lässt sich ein Filter aktivieren, der ein spezielles Licht im Blau- und Grünbereich erzeugt und so abgestimmt ist, dass er die Gefäße und Kapillare der Schleimhaut stärker kontrastiert. So lassen sich Frühkarzinome und deren Vorstufen besser beurteilen”, so Feuring. Diese relativ junge Weiterentwicklung, das sogenannte Narrow Band Imaging (NBI), wird nicht nur für die Bronchoskopie, sondern auch die Gastroenterologie eingesetzt, da insbesondere Polypen im oberen Darm, die sich von der Darmschleimhaut nur durch eine leichte Schwellung unterscheiden, mit den neuen Geräten besser identifiziert werden können.

Endomikroskopie mit 1.400-fachem Zoom
Eine andere Neuentwicklung lässt es sogar zu, eine In-vivo-Mikroskopie vorzunehmen. Bei diesen (auch Endomikroskopie genannten Verfahren) ist in den Endoskopkopf ein Minimikroskop verbaut. Mit der Hilfe von Laserlicht sieht der untersuchende Arzt damit ein Schwarz-Weiß-Bild, das die zelluläre Ebene des Patientenkörpers zeigt. An der Uniklinik Erlangen ist ein Prototyp mit 1.400-facher Vergrößerung im Einsatz, der sogar ein Farbbild liefert. Der Vorteil dieses Superzoom-Endoskops ist, dass Ärzte damit auch NBI nutzen können. Derzeit untersuchen Forscher damit, wie Medikamente bei chronischen Darmerkrankungen wirken.

Rundumsicht entdeckt kleinste Läsionen
Für eine umfassende Diagnose ist auch der Blickwinkel des Endoskops entscheidend. „Bei der Darmspiegelung etwa hat man immer noch blinde Flecken. Der Darm hat fast ballonartig hintereinander gefaltete Regionen, hinter die man nicht schauen kann, wenn die Kamera nur nach vorne ausgerichtet ist”, erklärt Hans-Dieter Allescher, Kongresspräsident der Deutschen Gesellschaft für Endoskopie (DGE-BV). Bei flexiblen Endoskopen lässt sich die Spitze in jede gewünschte Richtung abwinkeln. Die Industrie entwickelt aber bereits Weitwinkelendoskope mit Blickwinkeln von 270 Grad, die wie ein Fischauge fungieren. Die sogenannte Full Spectrum Endoskopie kann mit mehreren in den Endoskopkopf verbauten Kameras den Blickwinkel sogar auf ganze 330 Grad erweitern. „Wenn man eine Wandstruktur eines Darms abbilden will, braucht man diese Fischaugenoptik, um möglichst viel von dem Areal abzubilden. Das hilft gerade bei Diagnoseverfahren, in denen man kleinste Läsionen und Tumore sucht, und verbessert die Detektionsrate”, so Allescher.

Trotz der Quantensprünge musste die Endoskopie auf einigen Feldern ihre technischen Grenzen erkennen. Vor wenigen Jahren versprachen sich Experten von NOTES (natural orifice transluminal endoscopic surgery), einem Verfahren, bei dem man endoskopische Operationen durch natürliche Körperöffnungen durchführt, sehr viel. „Das war vor fünf Jahren ein zentrales Kongressthema, wir hofften, das könnte die operativen Eingriffe im Bauchraum ersetzen. Dies hat sich allerdings auf Grund technologischer Limitationen nicht so weiterentwickelt”, so Allescher. So stellte sich heraus, dass die Eingriffe in vielen Fällen, etwa der Entfernung der Gallenblase durch eine Öffnung in der Magenwand, deutlich schwieriger waren. „Dabei wurde regelmäßig die Gallenblase getroffen und lief dann in die Bauchhöhle aus. Zudem dauerte der Eingriff sehr lange. Das ist eigentlich eine Routineoperation, ein Viszeralchirurg braucht dafür in der Regel weniger als eine Stunde”, ergänzt Feuring.

Bessere Ausbildung dank virtuellem Simulator
Um solche Eingriffe vorzunehmen, bedarf es großen Könnens. „Ein interventioneller Endoskopiker braucht eine Ausbildungszeit von fünf bis sieben Jahren nach seinem Facharzt”, so Allescher. Schließlich sind die Instrumente für die minimalinvasiven Eingriffe nicht nur kleiner, sondern auch schwieriger zu handhaben. Werden sie etwa mit Hilfe eines Trokars rechts und links neben der Kamera in den Körper eingeführt, müssen Ärzte damit sogar überkreuz arbeiten. Für Übungszwecke nutzen sie bisher ein analoges Boxmodell. Heute liefert die Industrie auch virtuelle Modelle, die ähnlich wie Flugsimulatoren aufgebaut sind. „Die Handgriffe der Instrumente und die Kamera sind real. Auf dem Bildschirm sieht man die Abbildung des Organs und die Spitze der Instrumente. Mit VR-Simulatoren lassen sich deutlich mehr Organe und klinische Situationen darstellen, sodass damit auch unterschiedliche Eingriffe geübt und der Lernfortschritt dokumentiert werden kann”, erklärt Solleder.

Das Ende der Entwicklung ist noch längst nicht erreicht. So haben Forscher am Fraunhofer Institut für Integrierte Schaltungen einen Prototyp entwickelt, der aus Endoskopiebildern eine dreidimensionale Landkarte generieren kann. Da die HD-Aufnahmen sehr lange brauchen, bis sie elektronisch verarbeitet sind, beschränkt man sich derzeit darauf, Speiseröhren damit abzubilden. Experten wie Allescher erhoffen sich davon sehr viele Vorteile – schließlich zeigt die virtuelle Landkarte etwa, welche Regionen bei der Untersuchung vergessen wurden. Außerdem kann man sie bei Folgeuntersuchungen verwenden, um damit auch kleinste Veränderungen zu sehen, die vorher nie aufgefallen wären. In Zukunft könnte sich mit der Methode sogar eine komplette Darmuntersuchung kartografieren lassen. Man darf also gespannt sein.

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