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SterilgutskandaleTeure Schadensbegrenzung

Der Sterilgutskandal in Mannheim macht deutlich, welche gravierenden Folgen der Ausfall einer zentralen Sterilgutversorgungsabteilung (ZSVA) haben kann. Die Kliniken in München-Bogenhausen, Fulda und Kassel mussten ähnliche Skandale bewältigen und haben daraus ihre Konsequenzen gezogen.

Nachdem in der Uniklinik Mannheim offenbar mit verschmutztem Besteck operiert worden war, musste die Klinikleitung ihren OP-Betrieb nach tagelangen Ermittlungen des Regierungspräsidiums Karlsruhe auf ein Minimalprogramm herunterfahren und konnte nur noch Notfall-Operationen durchführen. Die Defizite sollen bekannt gewesen sein, die Klinikleitung räumte „Qualitätsprobleme” ein. Klinikchef Alfred Dänzer, der pikanterweise auch Präsident der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG) war, hat im Zuge der Affäre seinen Hut genommen – das Image ist angekratzt.

Millionenschwere Einbußen
Die Klinik geht bislang davon aus, dass die Einnahmeausfälle bis Ende des Jahres im „mittleren einstelligen Millionenbereich” liegen werden. Zwar hat Mannheim in den vergangenen Jahren schwarze Zahlen geschrieben und kann möglicherweise einen Teil der Einbußen auffangen – der Ruf wird sich allerdings nicht so einfach wiederherstellen lassen. Zumal die Staatsanwaltschaft Mannheim Ermittlungen wegen des Verdachts eines Verstoßes gegen das Medizinproduktegesetz aufgenommen hat und der Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung im Raum steht. Die Sterilgutabteilung übernimmt in den nächsten zwei Jahren eine Fremdfirma, das eigene Mitarbeiterteam wird in dieser Zeit neu aufgestellt und erst danach wieder Herr im Haus sein.

Zweieinhalb Monate ohne OP
Betreibt man in Mannheim noch Schadensbegrenzung, ist in den Kliniken in München-Bogenhausen, Fulda und Kassel, die ähnliche Skandale bewältigen mussten, schon etwas Gras über die Sache gewachsen. In der städtischen Klinik Bogenhausen hatte das Münchener Gesundheitsamt die zuständige ZSVA bereits Mitte 2010 schließen lassen, nachdem verdrecktes Operationsbesteck aus der Sterilisation zurück in den OP gelangte. Auch in der Bogenhausener Klinik gab es Stimmen, die im Vorfeld auf die Probleme hingewiesen hatten. Der Skandal kostete den Steuerzahler ganze 19 Millionen Euro, der OP-Betrieb der Klinik musste zweieinhalb Monate lang ruhen. Auch hier rollten Köpfe, drei der vier früheren Geschäftsführer mussten gehen. Hans-Jürgen Hennes, derzeit noch Medizinischer Geschäftsführer des Städtischen Klinikums München, hat daraus Konsequenzen gezogen. Neben verbesserten Schulungen der Mitarbeiter hat er organisatorische Änderungen vorgenommen und die ZSVA zertifizieren lassen. „Wir haben uns angeschaut, wie man hier mit den Instrumenten im OP umgeht, wie sie vorgereinigt werden, wie lange sie stehen und wann sie in die Sterilisa­tionsmaschinen kommen. Dazu gehören auch Schnittstellen zum Einkauf, dem Reparaturwesen und der Wartung”, erklärt er.

Flugrost und Blutreste am Sterilgut
Nach Bogenhausen kam das Klinikum Fulda wegen Hygienemängel in die Schlagzeilen. Laut Klinikinformationen wurde dort im Frühjahr 2011 rund ein Dutzend Patienten mit nicht korrekt gereinigtem OP-Besteck behandelt. Auch hier musste der Operationsbetrieb für mehrere Monate geschlossen werden. In der Klinik waren bereits Ende September 2010 mit Flugrost und Blutresten verschmutzte OP-Instrumente nach der Aufbereitung gefunden worden. Auch der Vorwurf der Sabotage stand zeitweise im Raum, ein Rollwagen mit OP-Instrumenten soll von einem langjährigen Klinikum-Mitarbeiter am für den Sterilisierungsprozess unverzichtbaren Dampfsterilisator vorbei geschoben worden sein. Der Skandal kostete das Klinikum laut Vorstandssprecher Thomas Menzel rund zwölf Millionen Euro. Außer den 5,2 Millionen Euro für die ZSVA, die daraufhin neu errichtet wurde, schlugen unter anderem 4,8 Millionen Euro an Gewinnausfällen durch abgesagte Operationen zu Buche. Im Anschluss hat ein externer Dienstleister den Betrieb der ZSVA übernommen und war bis Ende Februar 2013 verantwortlich für die Abteilung im Klinikum. Im Zuge dessen sind die Mitarbeiter intensiv geschult, eine neue Hygienikerin eingestellt und eine computergestützte Qualitätssicherung eingebaut worden.

Endgültige Ursache nie gefunden
Der Fuldaer Skandal hatte kurz darauf auch für das Klinikum Kassel, das zum Krankenhauskonzern Gesundheit Nordhessen gehört, unangenehme Folgen. Nach dem Ausfall der Sterilgutabteilung hatte sich Fulda Instrumente aus der ZSVA in Kassel ausgeliehen – worauf Mitarbeiter des Regierungspräsidiums auch dort Ablagerungen an den Edelstahl-Bestecken entdeckten. „Wir haben daraufhin alle Sterilisationseinheiten stillgelegt und gesagt, bei uns wird überhaupt nicht mehr sterilisiert, bis die Sache geklärt ist”, so Klinik-Geschäftsführer Gerhard M. Sontheimer. Nach gründlichen Untersuchungen wurden, im Gegensatz zu Fulda, keine organischen Ablagerungen gefunden. „Es gab anorganische Ablagerungen, im wesentlichen Eisen und Silikat. Wir haben eine endgültige Ursache zwar nie gefunden, allerding wurde auch nie ein Patient gefährdet.” Die Klinik beschränkte ihren OP-Betrieb in den nächsten Wochen auf Notfälle und benutzte nur noch Einmal- oder Leihinstrumente aus anderen Kliniken. Anschließend baute die Klinik den Zentral-OP um, kaufte eigene Einheiten für die Dampfsterilisation, ließ ihre Reinigungsgeräte und Sterilisatoren überholen und verwendete andere Reinigungschemikalien. Auch hier ist der Klinik ein millionenschwerer Schaden entstanden, allein die externe Aufbereitung der Instrumente kostete rund zwei Millionen Euro.

Die betroffenen Kliniken haben aus ihren Sterilgutskandalen Konsequenzen gezogen und das Thema in die Öffentlichkeit gerückt. Der jüngste Skandal in Mannheim verdeutlicht aber, dass vielen Klinikleitungen noch nicht klar zu sein scheint, wie wichtig ein gutes Qualitätsmanagement für das reibungslose Zusammenspiel von ZSVA und OP-Betrieb ist. Gerhard Sontheimer betrachtet die Situation skeptisch: „Wir konnten weniger als die Hälfte der aus anderen Krankenhäusern ausgeliehenen Instrumente verwenden – soviel zu der Frage, ob der Kasseler Befund auch in anderen Kliniken vorkommt”.

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