Herr Seifert, seit wann gibt es denn Hybrid-OPs?
Die ersten Entwicklungen hinsichtlich eines hybriden Operationssaals haben vor circa acht bis zehn Jahren begonnen. Man hat damals versucht, einen Standard-OP mit einer Angiografie-Anlage zu verknüpfen und den Raum zum Hybrid-OP erklärt, wenn dort auch Narkosen durchgeführt wurden. Auch heute gibt es immer noch eine Reihe von Eingriffsräumen, in denen eine Röntgengroßanlage steht und in denen man unter teils abenteuerlichen Bedingungen Narkosen machen kann. Dem Standard eines echten Hybrid-OPs genügen sie aber letztendlich nicht. Die ersten richtigen Hybrid-OPs mit entsprechenden Hygienestandards, Materiallagern und ausreichendem Platzangebot gibt es seit etwa fünf Jahren.
Welche Art Hybrid-OP hat das Klinikum Chemnitz?
Wir sind weltweit die Einzigen, die gleich zwei unterschiedliche Konzepte nebeneinander haben: Einen sogenannten mobilen Hybrid-OP und einen mit einer Festanlage. Wir haben hier den großen Vorteil, beide auch in identischen Räumlichkeiten testen zu können. Der mobile Hybrid-OP hat einen standardisierten High-End-C-Bogen, der motorisiert gefahren werden kann und sich über ein Plug-In-Kabel in die Wand eindocken lässt. Anschließend kann er über ein Panel vom Operateur gesteuert werden, und wir können über die zahlreichen Monitore genauso arbeiten wie mit einer Festanlage. Dieses Konzept wird zukünftig aus Kostengründen wahrscheinlich für sehr viele Kliniken in Frage kommen, da es erlaubt, die Anlage in einen anderen OP-Saal zu fahren. Im zweiten Hybridsaal ist ein festes Angiografie-System verbaut.
Welche unterschiedlichen Arten von Hybrid OPs gibt es derzeit?
Hybrid-OP bedeutet, ein bildgebendes oder anderes technisches Verfahren mit dem Setting und den Anforderungen eines OPs zu verknüpfen – und zwar unter hygienisch definierten Bedingungen. Großanlagen, die radiologische Bilder zur Durchleuchtung von Gefäßen und Interventionen ermöglichen, sind in Deutschland am weitesten verbreitet. Für die Neurochirurgie nutzt man auch offene MRTs, um während der OP Untersuchungen machen zu können. Im Grunde könnte man sogar OPs mit Operationsrobotern wie DaVinci als Hybrid-OP bezeichnen. Bisher noch nicht umgesetzt sind dagegen Hybrid-OPs, die mehrere Bildgebungstechniken enthalten. Auch ein OP, der hybride Bildgebungsverfahren wie PET-CT enthält, gibt es noch nicht. Hier in Deutschland gibt es derzeit etwa 30 echte Hybrid-OP-Säle.
Welche Wettbewerbsvorteile bieten die Hybrid-OPs?
Moderne Gefäßmedizin, die ja heute ebenfalls eine Hybrid-Medizin ist, wäre ohne sie nicht möglich. Unsere Eingriffe sind heute in 70 Prozent der Fälle Hybrideingriffe. Vorher mussten die Patienten mehrere Prozeduren über sich ergehen lassen: Um etwa einen Stent zu legen, mussten sie nach einer Operation extra nochmal unter eine Angiografie-Anlage, und das geht mit Hybrid jetzt in einem Schritt. Sie ermöglichen also nicht nur schnellere, sondern auch komplexere und umfassendere Operationen.
Bringen sie auch Nachteile mit sich?
Neue Technik hat immer auch Nachteile, zum Beispiel weil sie komplexer ist und damit anfälliger für Ausfälle. Wenn das passiert, sind sie quasi bewegungsunfähig. Früher haben sie dann einfach einen anderen C-Bogen genommen, das geht damit nicht mehr. Ein anderer Nachteil ist, dass sie im OP viel mehr mit Röntgenstrahlung zu tun haben und das Personal viel näher am Strahlenfeld steht. Das bringt neue Anforderungen an den Strahlenschutz mit sich, wir sind also von Kopf bis Fuß „verbleit”, wenn wir dort agieren. Und der Workflow ist ein anderer, weil sie dort viel mehr Technik einsetzen.
Was raten Sie Klinikmanagern, die vor der Entscheidung stehen, einen Hybrid-OP zu installieren?
Zunächst rate ich, sich für die Planung mindestens ein halbes Jahr Zeit zu nehmen, um alle Eventualitäten durchspielen zu können. Hier sollte man von Anfang an alle beteiligten Fachdisziplinen – von der Pflege über die Anästhesie bis hin zu den Operateuren, Technikern und der IT – an einen Tisch setzen. Außerdem sollte man sich klar machen, welche Leistungen dort wirklich erbracht werden sollen und sich überlegen, wo die Reise hingehen wird. Wenn Sie etwa nur am Bein und im Bauchraum arbeiten wollen, müssen Sie anders planen, als wenn Sie dort auch am Kopf operieren wollen. Man sollte also prospektiv planen und Erweiterungsmöglichkeiten berücksichtigen. Das Entscheidende dabei ist, ausreichend Platz- und Lagerkapazitäten einzuplanen.
Wo geht die Reise hin?
Die Hybrid OPs neuester Generation werden binnen fünf Jahren Standard in großen Einrichtungen sein. Es gibt allerdings bereits Zwischenlösungen für kleinere Kliniken, etwa Hybrid-OPs in Containerbauweise. Die sind zwar kleiner, erfüllen aber – wenn auch eingeschränkt – trotzdem ihren Zweck. Auch sehe ich gerade in Sachen Strahlenreduktion, Fusions- und 3D-Bildgebung vielversprechende Softwarelösungen, die derzeit entwickelt werden. Außerdem wird man bald sogar hybride Bildgebungsverfahren mit der Technik des OP-Saals verknüpfen können. Da wird einiges passieren in Zukunft.


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