Nach Schätzungen der Sterilgut-Dienstleister bereiten etwa 80 Prozent der rund 2.000 Kliniken in Deutschland ihr Sterilgut nach wie vor selbst auf. „Es werden sehr viele OPs gemacht, von denen man nichts hört und bei denen alles perfekt läuft“, sagt Peter Walger, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Allerdings fällt auf, dass es in fast allen Skandalen der letzten Jahre bereits im Vorfeld Probleme mit der eigenen Sterilgutversorgung gab. Dass die Mahner kein Gehör fanden legt nahe, dass die Kommunikation zwischen den einzelnen Abteilungen dieser Krankenhäuser nicht optimal abgestimmt war.
Ein Vergleich der Ergebnisse des Steri-Reports 2012 der Fachhochschule Frankfurt am Main mit den Untersuchungen aus dem OP-Barometer bestätigt das. Im Steri-Report wurden rund 120 deutsche ZSVA-Leitungen gefragt, ob es aus dem OP regelmäßig Klagen über unsachgemäß aufbereitetes Sterilgut gab. 25 Prozent der ZSVA-Leitungen bejahten das. Im aktuellen OP-Barometer dagegen gaben ganze 39 Prozent der OP-Leiter an, dass die Sterilgutqualität verbesserungswürdig sei. Der Geschäftsführende Direktor der Fachhochschule, Thomas Busse, führt diese Diskrepanz auf die schlechte Kommunikation beider Abteilungen zurück. „Der Steri ist innerhalb der Klinik ein Stiefkind, da kümmert sich keiner drum“, sagt auch Axel Kramer, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Hygiene und Umweltmedizin der Uniklinik Greifswald. Immer wieder mahnen die Experten deshalb, die Zusammenarbeit der beiden Abteilungen zu verbessern.
DGSV fordert eigenständiges Berufsbild
Die Ausbildung der Mitarbeiter in ZSVAs sehen viele Experten ebenfalls als Triebfeder der Skandale. „Eine maßgebliche Ursache von Fehlern ist die mangelnde Berufsausbildung der Mitarbeiter in diesem Tätigkeitsfeld. Bis heute dürfen ungelernte Personen die hochkomplexe Arbeit an OP-Instrumenten ausführen“, beklagt die Deutsche Gesellschaft für Sterilgutversorgung (DGSV) in einer aktuellen Pressemitteilung. Sie fordert daher seit Jahren die Schaffung eines eigenständigen Berufsbildes für Mitarbeiter in Aufbereitungsabteilungen für Medizinprodukte. Neben der Ausbildung wird auch die regelmäßige Weiterbildung angemahnt, denn die Instrumente für minimalinvasive Chirurgie und Operationsroboter wie Da Vinci erfordern heute deutlich mehr Sorgfalt bei der Reinigung, Desinfektion und Sterilisation, als das klassische Instrumentarium im OP.
Auch klinikeigene Kontrollen sind verbesserungswürdig
Man sollte meinen, dass wenigstens die Kontrollen seitens der Behörden die Qualität der Sterilgutabteilungen garantieren. Dem ist aber nicht so, denn die Kontrollpflicht ist in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich geregelt. „Ich kann aus meinen beiden Kliniken berichten, dass wir bis jetzt einmal begangen worden sind, seit es das Medizinproduktegesetz gibt. Das gibt es schon seit 1994, und 2007 war hier die Kontrolle“, bemängelt Maik Roitsch, Vorstandsvorsitzender der DGSV und Leiter der ZSVA für die Schlosspark-Kliniken Berlin. Dass auch die klinikeigenen Kontrollen verbesserungswürdig sind, verdeutlicht eine Untersuchung, die Kramer zusammen mit Isabel Dörflinger für die Universität Greifswald durchgeführt hat. Sie analysierte 156 deutsche ZSVAs, darunter auch die von 14 regionalen Krankenhäusern. Obwohl die europäische Richtlinie 93/42/EWG die Etablierung eines Qualitätsmanagements für die Sterilgutabteilung vorschreibt, deckt die Analyse hier deutliche Mängel auf. „13 Prozent der Befragten ZSVA haben keine Funktionsprüfung gemacht, ganze 31 Prozent hatten kein Reklamationsmanagementsystem – dann kann das ja auch nicht funktionieren“, bemängelt Kramer und ergänzt: „Die Kliniken dürfen nicht erst reagieren, wenn die Behörde vor der Tür steht.“
Trotzdem beseitigen viele Klinikleiter Mängel oft erst, wenn die Öffentlichkeit davon Wind bekommt. Das ist nicht nur teuer, sondern kann auch ihren Job kosten, wie die Skandale der letzten Jahre belegen –, selbst wenn Patienten nicht gefährdet sein sollten.


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