Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Recherche der Funke Mediengruppe, der Wochenzeitung "Die Zeit", "Zeit Online" und des Rechercheteams "Correctiv". Darin wurden die Abrechnungsdaten aller deutschen Krankenhäuser ausgewertet, die das Statistische Bundesamt zur Verfügung gestellt hat. Ob die Menschen an den Keimen gestorben sind, lässt sich aus den Daten jedoch nicht ablesen. Das Bundesgesundheitsministerium gibt die Zahl der an den Keimen Verstorbenen mit 7500 bis 15.000 an. Fast alle Experten sind jedoch sicher, dass die tatsächliche Zahl deutlich darüber liegt. Professor Walter Popp, Vizepräsident der deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene, spricht von "mindestens einer Million Infektionen und mehr als 30.000 bis 40.000 Todesfällen".
9011 Fälle mit multiresistenten Erregern
Für Berlin hat das Rechercheteam 9011 Patienten gezählt, bei denen MRSA diagnostiziert wurde – doch nicht bei allen gelangte der Erreger ins Blut, sondern war zum Beispiel auf der Haut nachweisbar. Nach Auskunft des Landesamts für Gesundheit und Soziales wurden 321 Fälle von MRSA-Infektionen gemeldet. Der Landkreis Leipzig-Stadt ist Spitzenreiter, was die Zunahme der Behandlungen von multiresistenten Keimen betrifft: hier hat sich die Zahl seit 2010 um ganze 270 Prozent auf 1724 Fälle erhöht. Seit 2011 sind die Kliniken zu einer Meldung verpflichtet, wenn dieser Keim im Blut nachgewiesen wird. Auch beim Robert-Koch-Institut (RKI) wird bisher nur MRSA gemeldet. Gefährliche Erreger wie der Darmkeim VRE oder die Keimgruppe ESBL werden von dem Institut nicht erfasst. Dabei ist allein ESBL im Jahr 2013 in deutschen Krankenhäusern fast 120.000 Mal abgerechnet worden. Besonders junge und alte Patienten mit einem schwachen Immunsystem sterben an diesen Keimen, die sich auch durch mangelnde Hygiene in Krankenhäusern ausbreiten können. Für den Präsidenten der Berliner Ärztekammer, Günther Jonitz, ist die hohe Fallzahl das Ergebnis eines fehlerhaften Systems, gegen das der einzelne Arzt nicht ankomme. "Hygiene ist keine Frage von Nachlässigkeit, sondern eine Frage des Personalschlüssels", so Jonitz. Oft bleibe im hektischen Krankenhausalltag nicht die Zeit, alle Hygienemaßnahmen einzuhalten.
Massentierhaltung fördert die Verbreitung
Besonders in der Massentierhaltung eingesetzte Antibiotika befördern die Verbreitung multiresistenter Keime. Je mehr Antibiotika verabreicht werden, desto größer werden die Resistenzen – bei Mensch und Tier. Die Agrarexpertin des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND), Reinhild Benning, fordert deswegen: "Bund und Länder müssen das Arzneimittelgesetz massiv nachbessern, damit Reserveantibiotika aus der Massentierhaltung verbannt und ein klares Senkungsziel für Antibiotika im Stall verankert wird." Reserveantibiotika werden eingesetzt, wenn kein anderes Mittel mehr hilft. "Tierärzte in Deutschland dürfen noch immer Antibiotika verschreiben und gleichzeitig auch verkaufen." In Dänemark sei dies bereits verboten.


Derzeit sind noch keine Kommentare vorhanden. Schreiben Sie den ersten Kommentar!
Jetzt einloggen