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DRK Schwesternschaft BerlinGefährdet Gehaltsaffäre die Gemeinnützigkeit?

Nach Enthüllungen des Fernsehmagazins „Klartext” kassierte Heidi Schäfer-Frischmann Jahresbezüge von über einer halben Millionen Euro. Eilig beschloss der gemeinnützige Verein die Prüfung der Angemessenheit durch externe Berater. Bevor die Prüfer loslegen, wirft Hermann Müller, Mitautor des Fernsehberichts, einen Blick hinter die Kulissen und entdeckt eine Menge Zündstoff.

Heidi Schäfer-Frischmann, bis Oktober 2012 Oberin der DRK Schwesternschaft Berlin, liebt große Auftritte. Ihr 40-jähriges Dienstjubiläum feiert sie 2008 in den Neuen Kammern im Park Sanssouci in Potsdam, mit etwa 100 Gästen. Passend zur ehrwürdigen Location wird ihr schon zu Lebzeiten eine eigene Büste geschenkt. Auch ihr Abschied als Oberin wird 2012 groß gefeiert. Im Berliner Umspannwerk, ein Industriedenkmal. Mit 300 Mitstreitern, Moderation und Live-Musik.

Eine Büste zu Lebzeiten
In Deutschland gibt es 33 Schwesternschaften. Der gemeinnützige Berliner Verein besitzt vier Kliniken (1.500 Betten), ein Pflegewohnheim und beschäftigt 3.400 Mitarbeiter – Jahresumsatz: circa 220 Millionen Euro. Ein Geschäftsführer leitet den Verein und ein Aufsichtsrat kontrolliert ihn. Auf den Vorsitz in diesem Gremium verzichtet Schäfer-Frischmann Ende März überraschend aus "persönlichen Gründen". Ein leiser Abschied, keine Feier, die Öffentlichkeit wird nicht informiert.

Offenbar ist das Tischtuch zerschnitten. Vor zwei Wochen erscheint Schäfer-Frischmann nicht zur Feier des 140. Geburtstages in der Zentrale der Berliner Schwesternschaft. Sie ist nur stummer Zaungast, auf einem Gemälde der Ahnengalerie. Dabei war sie 16 Jahre Oberin, prägte fast 30 Jahre den Verein, erhielt 1999 im Schloss Bellevue vom damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau das Bundesverdienstkreuz für ihr Engagement für die DRK Schwesternschaft.

Boni zwischen 130.000 und 180.000 Euro
Schäfer-Frischmann sei aus dem Aufsichtsrat gedrängt worden, wollen Insider wissen. Von heftigen Konflikten ist die Rede. Dazu schweigt die Schwesternschaft. Seit Jahren wird über das hohe Gehalt der Oberin spekuliert. Einen umfangreichen Fragenkatalog von "Klartext", auch zum früheren Gehalt, beantwortet Schäfer-Frischmann nicht. Nachfolgerin Doreen Fuhr versichert, sie kenne die Höhe des Gehalts nicht.

Nach internen Unterlagen aus der Schwesternschaft, die "Klartext" präsentierte, verdiente die gelernte Krankenschwester jährlich bis zu 540.000 Euro. Zum Jahresgehalt von 360.000 Euro kamen Boni zwischen 130.000 und 180.000 Euro. So heißt es in einem Schreiben vom 1. Juli 2010 an die "Liebe Frau Oberin", man habe entschieden, ihr "eine einmalige persönliche Zuwendung von 180.000 Euro" zu zahlen. Für die "hervorragenden Leistungen", "Ihrer Verantwortung" und der "Bedeutung Ihres Amtes". Unterschrieben von Peter Michael Kupsch, Rechtsanwalt und Notar. Schatzmeister Milos Stefanovic, im Hauptberuf Geschäftsführer der Bürgschaftsbank Brandenburg und Diane Bedbur als Mitglied im Aufsichtsrat, die die kleine Verwaltung der Schwesternschaft leitet und jahrelang als enge Vertraute von Schäfer-Frischmann galt.

Sie war eine Art Pflegedirektorin
Das Trio gehört zur "Gesellschafterversammlung", ein kleines Gremium mit Vertretern aus Vorstand und Aufsichtsrat. Es fasst Beschlüsse über Gehalt und Boni, deren Höhe gehütet wurde wie ein Staatsgeheimnis. Die Oberin selbst war Mitglied des Gremiums, das über ihre Bezüge entschied. Auch wenn sie an Beschlüssen nicht beteiligt war, stellen sich zwangsläufig Fragen nach Transparenz, Kontrolle, nach Gründen für das exorbitant hohe Gehalt.

Schäfer-Frischmann war Vorsitzende der DRK-Schwesternschaft Berlin; die Funktion ist in dem gemeinnützigen Verein ehrenamtlich. Sie war Vorsitzende im Aufsichtsrat, dafür erhielt sie eine Aufwandsentschädigung. Und als Oberin war sie so etwas wie eine Pflegedirektorin für etwa 1.100 Pflegekräfte der DRK Kliniken, die vor Ort durch Pflegedienstleitungen geführt wurden. Nach Zahlen der Unternehmensberatung Kienbaum verdienten 2010 drei Viertel der Pflegedienstleitungen zwischen 50.000 und 90.000 Euro. Pflegedirektoren großer Unikliniken, wie etwa Irene Maier in Essen, kamen auf 180.000 Euro. Irgendwo dazwischen könnte Schäfer-Frischmann eingeordnet werden. Doch die Oberin ließ selbst Manager weitaus größerer Landesunternehmen locker hinter sich. Wie Joachim Bovelet, damals Geschäftsführer im Klinikkonzern Vivantes, mit 440.000 Euro.

Bezüge meilenweit über den Vorgaben der Oberinnenordnung
Ihre Jahresbezüge lagen meilenweit über Vorgaben der "Oberinnenordnung". Das Papier, in der Öffentlichkeit kaum bekannt, sieht "eine monatliche Vergütung" vor, "die der Größe der Schwesternschaft und dem Verantwortungsbereich der Oberin entspricht." Das waren 2009 in der höchsten Vergütungsgruppe VIII monatlich 7.859,44 Euro, bei 13. Monatsgehältern rund 100.000 Euro pro Jahr. Das Papier enthält einen Passus zur "Besitzstandswahrung". Wer vor der Wahl mehr verdiente, soll keinen Nachteil erleiden. Dieser Passus griff vermutlich bei Schäfer-Frischmann, erklärt aber nicht ihre jahrelang hohen Jahreseinkommen. Sie wurde 1996 zur Oberin gewählt, war zuvor Geschäftsführerin (mit Schwerpunkt Pflege) der DRK Kliniken Berlin. Damals orientierten sich die Gehälter am BAT, mit Zulagen waren etwa 200.000 DM (rund 100.000 Euro) üblich.

Schwesternschaft schaltet externe Berater ein
Seit den brisanten Enthüllungen durch "Klartext" jagt eine Krisensitzung die andere, das Deutsche Rote Kreuz und der DRK Verband der Schwesternschaften sind eingebunden. Das Deutsche Rote Kreuz findet das Einkommen "völlig überzogen", die Berliner Schwesternschaft lässt diese Frage durch externe Berater prüfen. Eine kurze Stellungnahme für die Öffentlichkeit verschwindet nach einem Tag von der Internetseite.

Es gibt gute Gründe für die Krisenstimmung: Verein und Klinikgesellschaften sind gemeinnützig, genießen Steuervorteile, unterliegen umgekehrt Verpflichtungen. Nach Paragraf 55 Ausgabenordnung darf eine gemeinnützige Körperschaft "keine Person durch Ausgaben, die dem Zweck der Körperschaft fremd sind, oder durch unverhältnismäßig hohe Vergütungen begünstigen." Experten fragen: Was passiert, wenn das Finanzamt ganz genau hinschaut? Beim Entzug der Gemeinnützigkeit drohen hohe Steuernachzahlungen für die Vergangenheit.

Gleichzeitig brodelt es in der Belegschaft, in Internetforen ist von "ekelhafter Doppelmoral" die Rede. In vielen Beiträgen findet sich die Forderung nach einem Neuanfang. So heißt es an einer Stelle: "Fünf Jahre unternehmerische Fehlentscheidungen und eine Anti-Unternehmenskultur, die ihresgleichen sucht, kosten das Unternehmen unter dem Strich ein Vielfaches."

In Internetforen brodelt die Debatte
Krankenschwestern sind empört, sie verdienen nach eigenen Angaben mit Schichtzulagen etwa 1.700 Euro netto, weniger als in anderen Häusern. "Unfassbar hoch" sei das Gehalt der früheren Oberin, die von allen Sparsamkeit gefordert habe Die Schwestern sind nicht Angestellte der DRK Kliniken, sie werden von der Schwesternschaft gestellt und von ihr bezahlt. Dafür erstatten die Kliniken Personalkosten, Sozialversicherung, Verwaltungskosten. Bei der Gehaltsabrechnung behält die Schwesternschaft zwei Prozent der Bruttobezüge als Mitgliedsbeitrag gleich ein.

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