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Bundesverband PflegemanagementAusgewählte Führungsinstrumente an Beispielen der Pflegeprofession

Hedwig Francois-Kettner, Pflegedirektorin der Berliner Charité, und Walter Schär, Emeritus der Humboldt-Universität, erklären die Wirkung ausgewählter Führungsinstrumente am Beispiel der Pflege.

Zielstellung
Insbesondere im Mittleren Management der Gesundheitseinrichtungen werden die Grundlagen und die besondere Bedeutung für die Personalgewinnung und Personalhaltung der Zukunft gesehen. Den Stationsleitungen wie den Ambulanten Leitungen sollen mit diesem Beitrag Anregungen und Hinweise gegeben werden, wie sie ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zeiten hoher Leistungsdichte und personeller Knappheit motivieren und unterstützen können.

Leitungen haben hinsichtlich der Leistungserbringung für Patienten die Aufgabe,  Mitarbeiter so zu führen, dass diese mit Motivation und Ausdauer den Alltagsprozess professionell und sicher gestalten können. Damit soll auch auf das im Pflegeberuf oft geforderte Flexibilitätsverhalten bei plötzlich notwendigen eingetretenen Änderungsprozessen im jeweiligen Tätigkeitsbereich hingewiesen werden.

Zu einigen Grundauffassungen des Führungsverhaltens
Unter einem Führungsprozess ist eine zielbezogene, planvolle Einflussnahme auf arbeitende Menschen zu verstehen. Führung ist unverzichtbar, wann immer Menschen etwas Gemeinsames erreichen wollen. Damit diese Aussagen in den Gesundheitseinrichtungen realisiert werden können, bedarf es geeigneter verbaler und nonverbaler Kommunikationsformen zwischen Vorgesetzten und Mitarbeitern. Von den leitenden Mitarbeitern sind deshalb neben mehr allgemeinen Managementqualitäten insbesondere Führungsqualitäten gefordert. In der Regel wird unter dem Begriff des Führungsstils die Art und Weise verstanden, in der Führungskräfte sich ihren Mitarbeitern gegenüber verhalten. Es handelt sich dabei um ein relativ kontinuierliches und in Bezug auf verschiedene Situationen konstantes Führungsverhalten zur Aktivierung und Steuerung des Leistungsverhaltens der Mitarbeiter.

Nach TANNENBAUM / SCHMIDT wird an eine Unterscheidung zwischen autoritärem und demokratischem Führungsstil angeknüpft. Abgestuft differenziert erscheinen die Kategorien patriarchalisch, informierend, beratend, kooperativ und partizipativ. Je nachdem, welche der Verhaltensmöglichkeiten dominiert, übt die Führungskraft einen mehr oder weniger autoritären bzw. partizipativen Führungsstil aus. Die nachfolgende Abbildung (immer noch sehr aktuell) zeigt diese kontinuierlich zusammenhängende Vernetzung in schematischer Form. Die beiden Pole „autoritär” und „demokratisch” sind isoliert durch zu starke Überbetonung negativ in ihrem Wirkungsmechanismus. Die Zielvorstellung des Führungsverhaltens sollte mehr in der Mitte der aufgenommenen Kategorien liegen.

Ausgewählte Aspekte und Wirkungsmechanismen der Führungstätigkeit

Elemente der positiven Verstärkung
Ausgehend von der Erkenntnis, dass der Mitarbeiter Anerkennung, Wertschätzung und Zuneigung verdient, wird Lob oft zu wenig als Motivationsschub angewendet. Der Führungskraft kann es in bestimmten Situationen besonders bei gewachsener Antipathie schwerer fallen, personengebundene positive Verhaltensweisen, Persönlichkeitseigenschaften, Fertigkeiten u.a.m. zu identifizieren. Insbesondere in solchen Situationen  zeigt sich jedoch eine geeignete Leitungspersönlichkeit durch faires Verhalten aus. Umsichtiges Handeln auf der Station, konstruktive Vorschläge bei organisatorischen Schwächen, Förderung eines verständnisvollen Umgangs mit Patienten und Angehörigen kann durch Lob positiv verstärkt werden.

Sinngebung und Kreativität
Diese Prinzipien sollen aufzeigen, dass der Führungsprozess mittels Sinngebung und Visionen begleitet werden sollte. Die Anwendung solcher Führungsprinzipien fordert ein Höchstmaß an Transparenz durch Information und Kommunikation. An Beispielen wird bei der Darstellung der Werkzeuge/Tools belegt werden, dass dort, wo Mitwirkungs- und Mitgestaltungsmöglichkeiten bestehen, auch die Innovationsbereitschaft steigt.

Bedeutung des  Kohäsionsverhaltens
Bei allen Loyalitätsappellen und Beachtung sinnvoller Corporate-Identity- Bemühungen von Unternehmen ist bekannt, dass der Mitarbeiter sich mit seiner konkreten Tätigkeit und seinen Teamkollegen mehr identifiziert als mit seinem Arbeitgeber. Besteht eine ausgeprägte Kohäsion – also enger Zusammenhang zwischen den Teammitgliedern -  so werden auch in besserer Form Ärgernisse und Rückschläge ertragen, die der berufliche Alltag mit sich bringt.

Lernen am Vorbild
Mitarbeiter orientieren sich häufig an dem, was andere für sie wichtige Personen ihnen vorleben. Diesen Vorgang kann man auch als Modell- oder Imitationslernen bezeichnen. Im Rahmen der konkreten Auseinandersetzung mit Führungsinstrumenten wird dazu pflegeberufstypisch Stellung bezogen. Führungskräfte müssen sich ständig ihrer Vorbildwirkung bewusst sein und sie müssen erkennen, dass ihr eigenes Verhalten stets kritisch reflektierbar bleibt. Offenheit, Ehrlichkeit und Geradlinigkeit sind wichtige Bausteine einer geschätzten Führungspersönlichkeit. Eine Stationsleitung wird in ihrer Tätigkeit grundsätzlich daran gemessen, wir sie sich fortlaufend kompetent und durchsetzungsfähig einsetzt und wie ihre Bereitschaft zu Qualifizierungen und Reflexion erlebt wird. Das Engagement wird so für das Team und allen weiteren Beteiligten deutlich wahrnehmbar.

Führungskultur im Arbeitsbereich
Eine mitarbeiterorientierte Führungskultur schafft auch im Pflegebereich einen Ausgleich zu unreflektierten Ansprüchen und Statusüberlieferungen und kann dazu beitragen, professionelles Selbstbewusstsein und gelebte Realität in der Pflegepraxis umzusetzen. Auch hier folgen an späterer Stelle typische Beispiele aus dem Bereich der Gesundheitswirtschaft. Die Pflegenden gewährleisten mit einer vertrauensvollen Führungspersönlichkeit eine patientenorientierte sichere Pflege, die Stationsleitung eine mitarbeiterorientierte motivierende Leitungsleistung, wobei der zufriedene Patient das Ziel der gemeinsamen Aufgabenleistung ist und bleibt.

Aufgaben wirksamer Führung
Nach Fredmund Malik wird insbesondere auf Kriterien einer effektiven Führungsleistung eingegangen wie Zielstellung, Organisation, Entscheidung, Kontrolle sowie Förderung und Entwicklung der Mitarbeiter.

In dem ZIELE schriftlich definiert und verständlich dargestellt werden, kann der Mitarbeiter sich an diesen Vorgaben orientieren. So wird im Literaturangebot des Titel´s „Führen mit Zielen” siehe u. a. (Drucker, Peter F: The Practice of Management, New York, 17. Auflage 1995), Malik, Fredmund  „Führen Leisten Leben” , S. 176-191, 2006 empfohlen, in jährlichen Zielvereinbarungen die Aufgaben des Unternehmens mit den Mitarbeitern abzusprechen. Häufig sind damit variable Vergütungen verbunden, die nach zuvor festgelegten Kriterien zu erreichen sind. Es empfiehlt sich wenige aber wichtige / bedeutsame Ziele zu vereinbaren. Auch wenn keine Vergütung dabei ausschlaggebend ist, werden jährliche Mitarbeitergespräche empfohlen. Der Vorgesetzte soll sich 1x pro Jahr 1 ½ Stunde Zeit nehmen, um mit jedem Mitarbeiter in ruhiger und angenehmer Atmosphäre das betreffende Aufgabenspektrum zu beleuchten, die Ergebnisse aus dem Vorjahr zu bewerten und die neuen Ziele schriftlich festzulegen. Der Mitarbeiter sollte die Bewertung der erreichten Leistungen selbst einschätzen sowie die noch zu optimierenden Ziele und seine Ideen hinsichtlich Potentialen und Eigeninitiativen selbst benennen. „Was soll ich, was will ich, aber auch was will ich nicht mehr tun?” Der Vorgesetzte nimmt damit eher die Rolle eines Supervisors ein.

ORGANISIEREN ist die zweite Aufgabe einer wirksamen Führung. Das bedeutet, dass tägliche Aufgabenpensum zu bewerkstelligen, systembedingte Schwachstellen zu analysieren und Reorganisationen sorgfältig im Voraus durchdacht zu planen und zügig durchzuführen. Unschlüssigkeit und Zögerlichkeit entmutigen Befürworter und stärken die Gegner erforderlicher Maßnahmen. Grundsätzlich sollte beachtet werden, dass bei aller Restrukturierung ein humanes Vorgehen selbstverpflichtend ist.

ENTSCHEIDEN ist eine sehr wichtige Aufgabe in der Führung von Mitarbeitern. Ein Grundsatz könnte lauten. „Wer nicht entscheidet ist keine Führungsperson”. Andererseits werden bei Entscheidungen auch häufig Fehler gemacht. Es wird Irrtümern aufgesessen oder Missverständnisse liegen Entscheidungen zugrunde. Es empfiehlt sich also eine gründliche und vollständige Analyse auftretender Probleme im Vorfeld durchzuführen (nicht zu vergleichen mit Meinungen oder Symptomen). Unerwünschte Begleiterscheinungen können bei sorgfältiger Planung in der Regel vermieden werden. Intuition ist infolgedessen nie allein ein guter Ratgeber und kein Ersatz für Lernen, Nachdenken sowie intensive Auseinandersetzung mit dem betroffenen Problem. Erfahrene Führungskräfte mit großem Detailwissen mögen schneller Entscheidungen treffen können, aber auf jeden Fall wird bei schwierigen Entscheidungsfindungen eine schriftliche Vorbereitung empfohlen. So sind z. B. Personalentscheidungen in jedem Fall sorgfältig zu erwägen. Entscheidungen, die konsentiert werden konnten, sind deutlich vielversprechender in der Umsetzung. Entscheidungen, denen allerdings ein Dissens zugrunde liegt der nicht ausgetragen wurde sind in der Regel zum Scheitern verurteilt. Gute Führungskräfte gehen hier mit Verantwortungsbewusstsein, Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit vor. Mit der Entscheidung ist die Realisierung zu planen und dementsprechend umzusetzen. Entscheidungen bedürfen demnach einer gründlichen Vorbereitung im Umsetzungsprozess. Also, wer muss informiert werden, muss einbezogen sein, welches Training, welche Werkzeuge sind erforderlich, wer steuert und überwacht den Prozess, wie sieht das Reporting aus? Mit der Methode der Partizipation fließt viel Wissen in eine Entscheidung ein. Mit der Mitwirkung der Mitarbeiter und einer hohen Dimensionalität wird zwar mehr Zeit benötigt, aber sie ist eine sehr wirkungsvolle Methode. Sie ermöglicht richtige Informationen und trägt gute Argumente zusammen, die für eine Realisierung der Zielerreichung notwendig sind. Die Entscheidung selbst muss allerdings nach Abwägung aller vorliegenden Erkenntnisse von der Führungskraft getroffen werden.

KONTROLLE ist nach nahezu allen Regeln eines beschriebenen Managements für das Unternehmen unverzichtbar. Dabei ist wichtig, in welcher Form kontrolliert wird. Die Grundlage einer Kontrolle ist ein gerechtfertigtes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter und ihrer Leistungsbereitschaft. Man hat dabei sicherzustellen, dass das Vertrauen nicht missbraucht wird. In einem solchen Fall sind nicht verhandelbare Folgen zu veranlassen. So sind nur solche Informationen zu sammeln und auszuwerten, die tatsächlich benötigt werden. Der Stand der Umsetzung von Expertenstandards in der Pflege ist z. B. sinnvoll, weil wir hier den Grad der Qualität in der Patientenversorgung ersehen und daraus lernen können. Mitunter können bereits vorliegende Daten genutzt werden um ein Bild über den Stand der Ergebnisse zu erhalten. Solange man messen kann ist Kontrolle relativ einfach und akzeptabel. Schwierig sind Ermessens- und Beurteilungskontrollen, die leicht wegen Objektivitätsfragen und Zuverlässigkeit angezweifelt werden können. Die Empfehlung lautet hier: Eine erfahrene und eine lernende Mitarbeiterin begutachten (nicht auf der eigenen, sondern auf der Nachbarstation und umgekehrt) nach zuvor festgelegten Kriterien gemeinsam. Im Zweifel kann jemand vom zentralen Qualitätsmanagement hinzu gezogen werden (interkollegiale Kontrolle). Kontrollen werden gut akzeptiert, wenn die Ergebnisse im Anschluss fair vorgestellt werden. Etwa nach dem Motto nicht wer, sondern was war schuld an nicht so guten Ergebnissen.

FÖRDERN UND ENTWICKELN ist mit das schönste Aufgabensegment einer Führungsperson. Auch bei gut funktionierenden Personalabteilungen sind Vorgesetzte für die direkte Personalentwicklung und Förderung von Fähigkeiten bei ihren Mitarbeitern ausschlaggebend. Bei aller Standardisierung ist dabei auf Individualität zu achten und personengebundene Besonderheit zu beachten. Eine Wertschätzung dem Mitarbeiter gegenüber ist hier am besten möglich – ich erkenne seine Fähigkeiten und unterstütze ihn bei seien Zielen. Bei der Förderung ist die persönliche Unterstützung bei einer Karriereförderung einerseits ein Anliegen wobei andererseits die unternehmensbezogene Zielsetzung damit auch beachtet werden sollte. Es muss auch erwähnt werden, dass die Entwicklung eines Mitarbeiters nicht immer mit einer besseren Bezahlung verbunden sein muss. Eine Umorientierung, in der persönliche Fähigkeiten besonders gut eingesetzt werden können oder/und die Unterstützung bei Qualifizierungen sind ebenfalls wichtige Motivationsfaktoren. Entwicklung muss stärkenorientiert sein und sollte zu Sicherheit und Souveränität des entsprechenden Mitarbeiters beitragen.

EMPATHISCHE FÜHRUNG kann erlernt und unterstützt werden. Seriöse Anbieter bieten Führungskräftetrainings an, die die verschiedenen Personalentwicklungs- und Personalbindungskonzepte mit ihren Kunden für ihr Unternehmen, ihre Bereiche zusammen entwickeln und trainieren. Damit kann Aufbruchstimmung und Motivation wirksam gestaltet werden. In der Sicherstellung pflegerischer Expertise sowie pflegerischer Nachwuchssicherung werden die Unternehmen erfolgreich sein, die sich mit empathischer Führung in praktischer Umsetzung intensiv befassen.

Literatur:

  • Drucker, Peter F: The Practice of Management, New York, 17. Auflage 1995
  • Malik, Fredmund  „Führen Leisten Leben” , S. 176-191, 2006.
  • Mutmann, V.; Eberts, E.: „Führen mit Vision”, in: Die Schwester Der Pfleger 50. Jhg. 09/11, S. 908-911
  • Schär, W.: „Aspekte der Führung und Führungsstile”, in: Betriebswirtschaft und Management in der Gesundheitswirtschaft, Hrsg. Haubrock, M., Schär, W. Hans Huber Verlag, 5. Auflage 2009, S. 426-440
  • Tannenbaum R., Schmidt W.; W. H. „How to Choose a Leadership Pattern: Harvard Business Review, 36, 1958 (Abb.)
  • Tunder, R., Ruhl S.: „Führen mit Gefühl – Das Konzept der Empathischen Führung”, in: Management & Krankenhaus 7/2011, S. 3
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