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RoMed-KlinikenMehr Entscheidungsmacht für die Pflege

Die Transformation des Gesundheitswesens erfordert auch ein neues Führungsverständnis. Bei den RoMed-Kliniken haben agile Strukturen und die verstärkte bereichsübergreifende Teamarbeit zu einer höheren Mitarbeitendenzufriedenheit geführt.

Kleine Holzfiguren sind in einem Kreis angeordnet
Andrii Yalanskyi/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Krankenhausreform und der demographische Wandel stellen viele Kliniken vor große Herausforderungen. Auch die Anforderungen an Führungskräfte steigen. Der Pflegedirektion des RoMed-Verbundes im Raum Rosenheim mit drei Landkreiskliniken war klar: Um dem gerecht zu werden, braucht es mehr Kooperation und eine neue Führungsstruktur. Sie schrieb sich deshalb die Neugestaltung der Bereiche und die Verschlankung von Prozessen auf die Agenda, um sich dem sich weiter verschärfenden Fachkräftemangel in der Pflege zu begegnen. Das Ziel: Die Zentrums- beziehungsweise Pflegedienstleistungen darin zu stärken, ihre Kliniken autonomer zu leiten. Sie sollen befähigt werden, Strukturen agiler zu gestalten, damit die Pflege mehr Entscheidungsmacht bekommt. Ebenso sollte das Teamwork gestärkt und Silodenken abgebaut werden.

Bisher verstanden sich die Führungskräfte zwar als gute Fachkräfte, doch vielen war nicht bewusst, was ihre Führungsrolle tatsächlich beinhaltete. Die Pflegedirektion war überzeugt: Wenn die Teams selbstverantwortlicher zusammenarbeiten und die Prozesse optimiert werden, profitieren sowohl die Patientenversorgung als auch die Mitarbeitenden. All das sollte mit einer Workshopreihe und insgesamt circa 150 Stations- und Bereichsleitungen angegangen werden. Im Mittelpunkt die Frage: Was bedeutet das auf der strukturellen Ebene, was benötigen die Leitungen, um mehr Verantwortung zu übernehmen?

Vernetztes Handeln fördern

Wichtig für die Zentrums- und Pflegedienstleitungen war es, sich abteilungsübergreifend besser kennenzulernen, sich zu vernetzen und Vertrauen aufzubauen. Welche gemeinsamen Werte haben wir, was können wir gut, und was brauchen wir, um unsere Führungsrolle gut auszufüllen? Das Format „Speed-Dating“ eignete sich zur gut Reflexion, wie man selbst von einer anderen Führungskraft wahrgenommen wird. Das Feedback des Gegenübers trug zur Weiterentwicklung der Führungskompetenz bei.

Die Bereichs- und Stationsleitungen lernten in eintägigen Workshops, wie unkonventionelle Organisationen die Ideen des Einzelnen wertschätzen. In Kleingruppen erörterten sie, welche typischen Stolpersteine es im betrieblichen Alltag gibt, wie Muster gebrochen und künftige Herausforderungen angegangen werden können, um noch erfolgreicher zu sein. Einig waren sich die Führungskräfte darin, dass sie mehr Einblick in Zahlen, Daten und Zusammenhänge benötigen, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Zum Beispiel müssen Stationsleitungen der Pädiatrie wissen, wie Perinatalzentren finanziert werden. Das hat Auswirkungen auf die Belegung der Betten und dem, was medizinisch und pflegerisch vorgehalten werden muss.

Einig waren sich die Führungskräfte darin, dass sie mehr Einblick in Zahlen, Daten und Zusammenhänge benötigen.

Auch auch zwischen den Kliniken braucht es mehr Kooperation, um eine nahtlose und effiziente Betreuung der Patienten und Patientinnen zu gewährleisten. Ein Beispiel für eine erfolgreiche Veränderung: In der Physiotherapie wurde die Patientenzuteilung verändert, so dass mehr Patienten versorgt werden und bei Ausfällen schneller Patienten nachrücken können. Zwei Stationen haben ihre Zusammenarbeit verstärkt: Im Fall eines kurzfristigen Personalengpasses tauschen sie Mitarbeiter aus; auch Prozesse wurden synchronisiert und verschlankt.

Tanja Reuther ist freie Organisationsberaterin und Gründerin von „Neuzeit“ in Raubling – mit dem Ziel, aus Umbrüchen Aufbrüche zu machen. Sie begleitet Menschen und Organisationen in Zeiten des Wandels und arbeitet mit ihnen an erfolgreichen Transformationsprozessen. Zuvor war die Diplom-Sozialarbeiterin als stellvertretende Einrichtungsleiterin und Leiterin der Fachstelle für Suchtvorbeugung der Drogenberatungsstelle DROBS in Dortmund tätig.

Agile Strukturen für mehr Wertschöpfung

Mit wiederkehrenden „New Work“-Workshops für alle Führungskräfte wollen sich die RoMed-Kliniken zukunftssicher aufstellen. Im Verlauf des Change-Prozesses wurden die Einführung flexibler Arbeitszeiten und -orte beschlossen und interdisziplinäre Teams eingesetzt. Das bedeutet, dass heute auf verschiedenen Stationen Fachkräfte mit unterschiedlichen Qualifikationen zusammenarbeiten. Jetzt gibt es auch eine eigene Expertengruppe für die  Einführung dieses „Fachkräfte-Mix“ und die Zuordnung der jeweiligen Verantwortungsbereiche und Aufgaben. Heute ist für die Umsetzung jede Station selbst verantwortlich. Das bedeutet, dass jedes Team gemeinsam entscheidet, wie die einzelnen Abläufe in der Pflege mit Fachkräften – sowohl mit examinierten als auch nicht-examinierten – effizienter gestaltet werden können. Die Voraussetzung dafür: Klarheit darüber, wer was mit seiner Ausbildung tun darf. Nachfolgend wurden die Aufgaben verteilt und die Abläufe jeweils angepasst.

Auch Arbeitsprozesse wurden im Sinne des Musterbrecher-Ansatzes optimiert. Dabei stand die Weiterentwicklung der Führungskräfte und insbesondere die Stärkung der Entscheidungskompetenzen im Fokus. Zum Beispiel wird heute in der Pädiatrie eine Bereichsleitung eingesetzt, die die täglichen Personalengpässe managt und weitere Aufgaben der Zentrumsleitung übernommen hat. Dazu zählen unter anderem die Durchführung von Teamsitzungen und das Führen von Mitarbeitergesprächen. Auch die Teams haben heute mehr Verantwortung, zum Beispiel bei der Dienstplangestaltung. Um einen rechtssicheren Dienstplan schreiben zu können, müssen sie jedoch die gesetzlichen Vorgaben kennen. Die Stationsleitung trägt Sorge dafür, dass die Teams entsprechend angeleitet und geschult werden. Im Vorfeld erfolgt die Absprache dazu, welche Entscheidungsbefugnisse die Mitarbeitenden haben, um Interessenkonflikten bezüglich des Urlaubs oder freier Tage vorzubeugen.

Weniger Silodenken, mehr Wissenstransfer

Heute gibt es bei den RoMed-Kliniken ein gewachsenes Verständnis, dass alle gemeinsam das Unternehmen voranbringen und die Patientenversorgung optimieren können. Neue regelmäßige und abteilungsübergreifende Besprechungsformate sowie das sich kontinuierliche Auseinandersetzen mit neuen Arbeitsformen und Entwicklungsmöglichkeiten, zum Beispiel Führungskräfte-Coachings, prägen die neue Führungskultur. Unabhängig von Hierarchien findet jede passende Idee für die Lösung eines Problems heute mehr Gehör.

Die RoMed-Klinikenverbund mit vier Kliniken in Rosenheim, Bad Aibling, Prien am Chiemsee und Wasserburg versorgt 160 000 PatientInnen pro Jahr. Davon rund 44 000 stationär und 73 000 ambulant in den Kliniken, sowie 42 000 ambulant über das Medizinische Versorgungszentrum (MVZ).

Die Führungskräfte haben verstanden, dass Fehler gemacht werden dürfen, um Innovation zu ermöglichen. Es fällt ihnen heute leichter, bei einem Problem spontan an einen runden Tisch zusammenzukommen, offen zu diskutieren und kontroverse Sichtweisen zuzulassen. Besonders stolz ist die Führungsmannschaft darauf, dass die Zusammenarbeit im Alltag kooperativer geworden ist. Das Silodenken hat sich deutlich verringert, bei Personalengpässen springen Kollegen ein. Eine weitere positive Veränderung ist der Wissenstransfer. Zum Beispiel bieten Dokumentationsbeauftragte als interne Experten Fortbildungen an und leisten Hilfestellung auf den Stationen und Bereiche der jeweiligen Kliniken. 

Die Zufriedenheit unter den Führungskräften und den Mitarbeitenden der verschiedenen Ebenen ist gewachsen. Künftig sollen weitere Prozesse optimiert werden, darunterder Bewerbungsprozess. Die Sichtung der Unterlagen und die Durchführung der Vorstellungsgespräche sollen künftig von den Bereichsleitungen übernommen werden. Auf diese Weise können sich die Zentrums- und Pflegedienstleitungen anderen wichtigen Aufgaben, zum Beispiel der Digitalisierung und der fachlichen Weiterentwicklung, ihrer Zentren widmen.

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