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FamilienpflegezeitPflege als Halbtagsjob - und Rürup hilft dabei

Arbeitnehmer sollen mit der neuen Familienpflegezeit bald mehr Zeit haben, kranke Angehörige zu pflegen.

Eigentlich hört sich die Idee gut an: Arbeitnehmer sollen zwei Jahre Pflegezeit für Angehörige bekommen, in dieser Zeit nur halb arbeiten - aber drei Viertel ihres Gehalts erhalten. Einen solchen Rechtsanspruch hält Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) für unabdingbar, um die Pflege mit der Berufstätigkeit zu verbinden. Arbeitnehmer sollen die Zeit, die sie gepflegt haben, aber später wieder nacharbeiten: Sobald sie wieder voll im Beruf sind, bekommen sie ebenfalls nur drei Viertel des Gehalts. So lange wie sie zuvor eben Teilzeit gearbeitet haben. Pflege als Halbtagsjob?

Mehr als 2,2 Millionen Menschen sind in Deutschland pflegebedürftig. Davon werden 1,4 Millionen zu Hause versorgt. "Wir müssen die häusliche Pflege stärken, weil uns die demografische Entwicklung dazu zwingt", betont Schröder. Eine Umfrage des Allensbach-Institutes belege, dass zwei Drittel aller Berufstätigen ihre gebrechlichen Angehörigen zu Hause pflegen wollen. Sie befürchten aber Nachteile im Job. Derzeit ist es schon möglich, sich für sechs Monate unbezahlt freistellen zu lassen.

Schröder erntet mit der erweiterten Familienpflegezeit nicht nur Beifall. Von Sozialverbänden, Wirtschaft und Politik hagelt es Kritik. Für die Pflege- und Sozialverbände sind Lohnverzichte während der Pflegezeit nicht akzeptabel. Und dass die Arbeitnehmer in der Zeit überhaupt arbeiten sollen, sei eigentlich unzumutbar. Denn die Pflege von Angehörigen sei an sich schon ein Fulltime-Job. "Es ist nicht einsehbar, wieso pflegende Angehörige deutlich schlechter gestellt werden als Erziehende in der Elternzeit", meint der Vorsitzende des Paritätischen Gesamtverbandes, Eberhard Jüttner.

Oppositionspolitiker wie der SPD-Abgeordnete Karl Lauterbach sehen in der geplanten Pflegeteilzeit eine Falle vor allem für berufstätige Frauen. Die müssten um ihre Karrierechancen bangen. Zudem seien es ohnehin schon meist Frauen, auf denen die häusliche Pflege lastet. Und die Wirtschaft fürchtet ein neues Kostenrisiko für Betriebe, wenn die Beschäftigten bis zu zwei Jahren ausfallen.

Diese Argumente weist Schröder zurück: "Der Arbeitnehmer muss keine allzu großen Einkommenseinbußen hinnehmen, der Arbeitgeber hat keine zusätzlichen Kosten." Ohnehin hätten die Betroffenen ein hohes Interesse, wieder zur Arbeit zurückzukehren. Die Unternehmen blieben also nicht auf den 25 Prozent Gehaltsaufstockung während der Pflegezeit sitzen. "Eines ist klar: Wir werden uns von der Illusion verabschieden müssen, jedes Problem mit mehr Geld zu lösen", meinte die Bundesfamilienministerin mit Blick auf die knappen Kassen.

Mindestens zwei prominente Unterstützer hat Schröder für ihr Konzept sicher. Da ist zum einen der Vorsitzende des Sachverständigenrates für Gesundheit, Eberhard Wille. Der andere ist der ehemalige Berater der Bundesregierung und Ex-Chefvolkswirt des Finanzdienstleisters AWD, Bert Rürup. Für das neue Modell hat er - sicher nicht ganz zufällig - eigens eine Spezialversicherung in petto und aus der Pressekonferenz gleich eine Verkaufsveranstaltung gemacht. Die neue Rürup-Versicherung soll Arbeitnehmer absichern, wenn sie nach der Pflegeauszeit nicht in der Lage sind, den "Lohnvorschuss" von 25 Prozent wieder abzuarbeiten. Die Prämien dafür seien gering, warb der geschäftstüchtige Rürup.

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