
Der Leiter eines Pflegeheims in Wilstedt im Landkreis Rotenburg (Wümme) ist fassungslos. Zehn Beschäftigte der Einrichtung sollen abgeschoben werden. Wegen der drohenden Abschiebung droht dem Heim für demenzkranke Menschen nach eigenen Angaben die Schließung. „Angehörige und Belegschaft haben sich nun zusammengeschlossen und kämpfen für das Bleiberecht der aus Kolumbien stammenden Pflegekräfte und das Zuhause der Patientinnen und Patienten“, teilte die Einrichtung in einer Pressemitteilung mit. Demnach geht es um zehn Beschäftigte – Pfleger, Pflegerinnen und eine Reinigungskraft.
Brief an Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker
„Es ist absolut unverständlich, warum Menschen, die so gut integriert sind, hier Steuern zahlen und das Sozialsystem stützen, abgeschoben werden sollen“, sagte Heimbetreiber Tino Wohlmacher laut Mitteilung. „Wenn diese Pflegekräfte wegfallen, muss ich das Haus zumachen. Es gibt einfach keinen Ersatz – bei dem Pflegenotstand.“
Es ist absolut unverständlich, warum Menschen, die so gut integriert sind, hier Steuern zahlen und das Sozialsystem stützen, abgeschoben werden sollen.
Um die drohende Abschiebung zu verhindern, haben die Heimleitung, die Belegschaft sowie Angehörige ein Schreiben an verschiedene Bundes-, Landes- und Kommunalpolitiker verschickt. „Wir fordern mit allem Nachdruck, dass die Abschiebung der betreffenden Pflegekräfte ausgesetzt wird! Wir werden nicht ruhen, bis die Pflegekräfte eine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung erhalten, damit sie in Haus Wilstedt weiter beschäftigt werden“, heißt es darin. Über die drohende Abschiebung hatten zunächst mehrere Medien berichtet.
Asylanträge von Kolumbianern oft abgelehnt
Das niedersächsische Innenministerium verwies darauf, dass ausländische Staatsangehörige, die kein Recht auf Asyl und auch keine andere aufenthaltsrechtliche Bleibeperspektive haben, gesetzlich zur Ausreise verpflichtet sind. Wenn sie nach Ablauf der Frist nicht freiwillig ausreisen, seien die Ausländerbehörden gesetzlich verpflichtet, die Abschiebung einzuleiten.
Bei Asylanträgen von kolumbianischen Staatsangehörigen sei die Anerkennungsquote verschwindend gering. Für kolumbianische Staatsangehörige sei es daher zielführender, sich vom Herkunftsland heraus um einen Aufenthaltstitel im Rahmen der Fachkräfteeinwanderung zu bemühen. „Niedersachsen ist grundsätzlich sehr daran interessiert, ausländische Fachkräfte aufzunehmen, wenn sie auf legalem Wege nach Deutschland kommen“, hieß es. Für Asylverfahren ist das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge zuständig.
Ministerium spricht von misslicher Lage und prüft
Im Fall des Heims in Wilstedt sprach der Sprecher von einer „äußerst misslichen Lage“. Das Innenministerium stehe im Kontakt mit der örtlich zuständigen Ausländerbehörde, um die rechtlichen Gegebenheiten in den jeweiligen Einzelfällen und mögliche Handlungsoptionen zu klären.
Der Wechsel von einem bisherigen „Asylaufenthalt“ zu einem „Arbeitsaufenthalt“ ist in Deutschland nur unter bestimmten Umständen möglich. Seit November 2023 können Asylbewerber, die vor dem 29. März 2023 eingereist sind und eine Qualifikation sowie ein Jobangebot haben, eine Aufenthaltserlaubnis als Fachkraft beantragen – wenn sie ihren Asylantrag zurücknehmen. Ob dies eine Möglichkeit für die betroffenen Beschäftigten sein könnte, war zunächst unklar.
Eine kurzfristige Abschiebung der Beschäftigten ist dem Ministerium zufolge derzeit nicht geplant. Eine Mitarbeiterin des Heims bestätigte, dass die aus Kolumbien stammenden Beschäftigten noch dort arbeiten.
Wut über ein „krankes“ System
Anlässlich jüngster Bemühungen um Fachkräfte aus dem Ausland hatte auch das Pflegebündnis Mittelbaden kritisiert, dass es eine offensichtliche Diskrepanz zwischen den offiziellen politischen Wunschvorstellungen und den realen Erfahrungen in den Pflegeeinrichtungen gibt.
Peter Koch, Vorsitzender des Pflegebündnisses fand am 14. November scharfe Worte dafür, dass Poliker zwar medienwirksam um die Welt fliegen würden, um ausländische Pflegefachpersonen anzuwerben. Gleichzeitig erlaube „die Bürokratie eine Anerkennung lediglich im Schneckentempo“, so Koch. Auch er schilderte ein Beispiel aus seiner aktuellen betrieblichen Praxis in Gaggenau, Baden-Württemberg: In dem Fall eines Marokkaners hätte alles vorgelegen, damit der engagierte Mann seine Ausbildung antreten kann. Allerdings würde es die Botschaft seit vielen Wochen nicht fertigbringen, ein Visum auszustellen.






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