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Delegation ärztlicher TätigkeitenPflegekräfte ziehen den Kürzeren

In den allermeisten Kliniken übernehmen inzwischen Pflegekräfte viele einst ärztliche Tätigkeiten wie Wundversorgung, das Legen von Venenkanülen und die Gabe von Chemotherapeutika. Doch längst nicht alle können zugleich Aufgaben an Service- und Assistenzkräfte abgeben. So schafft die neue Aufgabenverteilung offenbar keine wirkliche Entlastung.

Dies ist zumindest das Ergebnis einer Online-Befragung des Instituts Arbeit und Technik (IAT) unter mehr als 2.500 Krankenhausbeschäftigten – vor allem Pflegekräften (1.900) und Ärzten (205) aus ganz Deutschland. Mehr als 78 Prozent der befragten Krankenschwestern und Pfleger haben nach eigener Angabe in letzter Zeit Tätigkeiten vom ärztlichen Dienst übernommen. Aber nur knapp 44 Prozent der Pflegekräfte werden von Service- oder Assistenzkräften entlastet. Am häufigsten hat der Pflegedienst Mahlzeitenbestellungen, die Begleitung von Patienten im Krankenhaus, Boten- und Transportaufgaben sowie Reinigungsarbeiten abgeben können. Ein gutes Drittel der Befragten gibt an, dass derartige Dienste auf ihrer Station neu eingerichtet worden sind.

Wachsende Distanz zwischen Arzt und Patient
Von einer "effektiven Reorganisationen" könne aber keine Rede sein, meinen die IAT-Experten, deren Studie von der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung gefördert wurde. Josef Hilbert und seine Ko-Forscher sprechen von "Experimenten", die die Praktiker auf den Stationen meist nicht überzeugten. Beispiel Pflegedienst: Dessen "Entlastung von patientenfernen Aufgaben" sei "bei weitem noch nicht systematisch und flächendeckend umgesetzt". Und wenn die Pflegekräfte Aufgaben und Verantwortung von Ärzten übernähmen, dann handele es sich oft nur um "Einzeltätigkeiten" und nicht um zusammenhängende "Aufgabenkomplexe". Auf der anderen Seite konzentrierten sie die Ärzte mehr und mehr ganz auf Diagnostik und Therapie. Dies führe zu einer gewissen Distanz zum Patienten, weil sie dessen tägliche Turbulenzen immer seltener mehr miterlebten, sagte Hilbert.

Jeder Dritte sieht Defizite bei der Dokumentation
Ein besonders bedenkliches Ergebnis der Befragung: Fast 83 Prozent aller Beschäftigten geben an, dass auf ihrer Station wichtige Aufgaben vernachlässigt würden. Rund 60 Prozent der Pflegenden und rund die Hälfte der Mediziner beobachten beispielsweise, dass nicht genug für die Information, Anleitung und Beratung von Patienten getan werde. Jeweils knapp die Hälfte der Befragten finden, dass die Ausbildung auf ihrer Station zu kurz komme. Ein Drittel der Pflegenden und etwa jeder fünfte Mediziner sprechen von Defiziten bei der Dokumentation.
An der nicht-repräsentativen Studie beteiligten sich vor allem Pflegekräfte und Ärzte aus öffentlichen Häusern (1.486), die meisten von ihnen kamen aus Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern.

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