Der Gutachter verlas eine entsprechende Stellungnahme im Prozess am Landgericht im niedersächsischen Oldenburg. Demnach spritzte der Angeklagte 90 Patienten am Klinikum Delmenhorst eigenmächtig ein Herzmedikament, das schwere Komplikationen verursachte. Es könnte eine der größten Mordserien in Krankenhäusern sein. An anderen Arbeitsstätten will der Angeklagte den Angaben zufolge Patienten jedoch keinen Schaden zugefügt haben.
Damit nahm der Prozess gegen den ehemaligen Pfleger eine überraschende Wende. Der 38-Jährige ist wegen dreifachen Mords und zweifachen Mordversuchs an Patienten auf der Delmenhorster Intensivstation angeklagt. Die Vorwürfe habe der Mann in den Gesprächen weitgehend eingeräumt, sagte der Psychiater vor Gericht. Er hatte sich im Dezember und Januar viermal mit dem Angeklagten getroffen. Dabei habe sich dieser zutiefst beschämt über seine Taten geäußert, an die er sich nicht vollständig erinnern könne.
Keine Angaben zu den Motiven
Bis zu 30 Patienten starben laut der Stellungnahme des Angeklagten von 2003 bis 2005 in Delmenhorst, nachdem er ihnen das Medikament gespritzt hatte. Zu den Motiven äußerte er sich nicht. Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft löste er die tödlichen Notfälle aus, um zu beweisen, wie gut er Patienten wiederbeleben kann. Später habe er aus Langeweile mit dem Leben der Kranken gespielt. Dem Gutachter sagte der Angeklagte, sein Handeln sei nicht entschuldbar. Er sei sich bewusst, dass er den Angehörigen großes Leid zugefügt habe.
In der Intensivstation von Kollegin ertappt
Ein Ende nahm die Serie erst, als eine Kollegin den Pfleger im Sommer 2005 auf frischer Tat ertappte. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn im Dezember 2008 wegen Mordversuchs zu siebeneinhalb Jahren Haft. Damals schon gab es Hinweise, dass das Ausmaß der Taten viel größer sein könnte. Gegen zwei damals zuständige Staatsanwälte wird deshalb wegen Strafvereitlung im Amt ermittelt.
Eine Sonderkommission der Polizei geht inzwischen zahlreichen Verdachtsfällen nach - auch an früheren und späteren Arbeitsstätten des Pflegers in Wilhelmshaven und Oldenburg sowie bei den Rettungssanitätern. Das Klinikum in Oldenburg hatte im vergangenen Jahr einen Experten den Tod von Patienten während der Dienstzeit des Pflegers untersuchen lassen. Dieser kam zu dem Ergebnis, dass zwölf Patienten möglicherweise nicht auf natürliche Weise gestorben waren.
Patiententötungen – die aktuellsten Fälle
In den vergangenen Jahren gab es immer wieder Fälle von Patiententötungen in Krankenhäusern. Hier eine Übersicht über die drei wichtigsten:
2014: Am Münchner Uni-Klinikum wird im Juli eine Hebamme wegen Mordversuchs im Kreißsaal verhaftet. Bei Kaiserschnittgeburten soll sie viermal versucht haben, Frauen mit blutverdünnenden Mitteln zu töten.
2010: Wegen Mordes und Mordversuchs verurteilt das Landgericht Dresden eine Krankenschwester zu lebenslanger Haft. Die 33-Jährige tötete mehrere Menschen mit zu hoch dosiertem Insulin.
2007: Wegen fünffachen Mordes an schwer kranken Patienten wird eine ehemalige Krankenschwester der Berliner Charité zu lebenslanger Haft verurteilt. Die 55-Jährige brachte ihre Opfer mit Medikamenten um.


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