Ex-Bundespräsident Walter Scheel und die Ehefrau des dementen Rhetorikers Walter Jens, Inge Jens, haben "katastrophale Zustände" in der Altenpflege beklagt.
"Es ist doch ein Skandal, dass Deutschland, dieses wohlhabende Land, kein Geld hat, seine alternde Bevölkerung auch außerhalb von Familien würdevoll bis zum Tode zu versorgen", schrieb der 92-jährige Scheel in einem Beitrag für die "Süddeutsche Zeitung" (Samstag). Die fast 85-jährige Inge Jens kritisierte: "Die Normen, die bei der Pflege von Demenzkranken angelegt werden, sind grotesk."
Scheel sieht "katastrophale Zustände in Alters- und Pflegeheimen, von der persönlichen Geringbetreuung aus Personalmangel ganz zu schweigen, finanziert über ein akribisches Abrechnungssystem nach Modulen, wo jede kleinste "Dienstleistung" der Pfleger am Monatsende berechnet wird!" Dies sei Anlass zur Scham: "Unhaltbar, solche Verhältnisse! Unsere Gesellschaft krankt auch in diesem Bereich immer mehr an einer menschlichen Verrohung".
Jens berichtete der Nachrichtenagentur dpa: "Ich muss mir zum Beispiel jedes Vierteljahr bescheinigen lassen, dass mein Mann auch wirklich immer noch dement ist. Es könnte ja sein, dass er schon nicht mehr dement ist und wir immer noch 600 Euro im Monat für seine Betreuung bekommen. Ich finde das empörend."
Der 88-jährige Walter Jens gilt als einer der wichtigsten deutschen Intellektuellen der Nachkriegszeit. Durch seine Demenzerkrankung kann er seit Jahren aber nicht mehr sprechen und ist rund um die Uhr auf Pflege angewiesen. In der vergangenen Woche hatten Meldungen über die Alzheimer-Erkrankung des ehemaligen Fußball-Managers Rudi Assauer für Schlagzeilen gesorgt.
Scheel sagte, in Alters- und Pflegeheimen müsse "Personalmangel ein Fremdwort" sein. Um die Defizite abzustellen, wünscht er sich, die Pflegeberufe vor allem für junge Menschen attraktiver zu machen. "Geben wir helfenden Jugendlichen einen Bonus für Stipendien für spätere Zeiten! Garantieren wir demjenigen, der ein Jahr in einem Pflegeheim hilft, einen Ausbildungsplatz." Und: "Ich möchte noch erleben, dass junge Schulabsolventen ebenso stolz den Berufswunsch Pflegekraft äußern wie etwa Bankkaufmann."


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