Elke Ferner hat leichtes Spiel. Wie unterscheiden sich ihre Pläne für eine Pflegereform von denen der Koalition? Die SPD-Fraktionsvize mit feuerrotem Haarschopf sagt: "Die Unterschiede liegen darin, dass wir es ernst meinen." Nach langen Ankündigungen liegt nun tatsächlich ein Konzept für eine Pflegereform vor - allerdings von der oppositionellen SPD-Fraktion, nicht von der Koalition.
"Wir wollen das Jahr 2011 zum politischen Pflegejahr in der Koalition machen", sagte der damalige Gesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) schon im Dezember. Spitzentreffen mit Pflegevertretern folgten. "Ein großes Pflegejahr 2011" kündigte Rösler im April an. Eckpunkte werde die Koalition bis zur Sommerpause beschließen, sekundierte damals auch FDP-Experte Heinz Lanfermann.
Auch Rösler-Nachfolger Daniel Bahr (FDP) blieb prinzipiell dabei: Das Jahr werde zum Jahr der Pflege. Jetzt ist der Sommer da, und in den Fraktionen von CDU/CSU und FDP ist man entweder im Urlaub oder geht in Sachen Pflege auf Tauchstation. Näheres ist momentan niemandem zu entlocken. Eine Bahr-Sprecherin betont: Eckpunkte würden noch im Sommer vorgelegt. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zählt das Projekt zu den "wichtigen Aufgaben" der Koalition für die zweite Jahreshälfte.
Das Problem ist nur: In der Kernfrage der Finanzierung haben sich in der Koalition viele unterschiedliche Meinungen aufgetürmt. Forderungen nach Beitragserhöhungen stehen einem kategorischen Ausschließen derselben gegenüber. "Nicht all das, was wünschenswert ist, ist auch finanziell machbar", hatte schon Rösler betont. Als FDP-Chef geht es ihm momentan nicht so sehr um mehr Sozialleistungen, sondern um Abgabensenkungen 2012.
Doch von den 2,3 Millionen offiziell Pflegebedürftigen wünschen sich viele mehr Leistungen. Und eigentlich alle sind einig: Mehr sollen vor allem die Demenzkranken bekommen. Von den 1,2 Millionen Altersverwirrten werden etwa 750.000 mit geringer Hilfe zu Hause gepflegt. Familienangehörige gehen zu Hunderttausenden auf dem Zahnfleisch.
"Die notwendigen Maßnahmen sollten jetzt ergriffen werden", sagt der zuständige Vorstand des Kassen-Spitzenverbands, Gernot Kiefer. Den Dementen sollen laut einem bereits Anfang 2009 an die Regierung übergebenen Expertengutachten ein neues System helfen: Sie würden demnach verstärkt als bedürftig eingestuft. "Um es praktisch bei den Menschen ankommen zu lassen, braucht es mindestens zwei bis drei Jahre", mahnt Kiefer.
Der Vizechef des Kassentankers Barmer GEK, Rolf-Ulrich Schlenker, fordert "ein deutliches Reformsignal" zur Einführung des vielbeschworenen neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Der Vorstand der Deutschen Hospiz Stiftung, Eugen Brysch, meint: "Wie die Banken und die Griechen warten wir in Deutschland auf eine Rettung der Pflege."
Die SPD-Fraktion hat schon mal ausgerechnet, was auf den Beitragszahler zukommen könnte. Ihr 29-Seiten-Konzept für eine Reform zählt viele Verbesserungen auf - Kostenpunkt: 6 Milliarden Euro. Davon entfallen allein für die Besserstellung der immer zahlreicheren Dementen 4,2 Milliarden, so SPD-Pflegeexpertin Hilde Mattheis.
Dann kommt noch der Aufbau von Reserven über individuelle Beiträge hinzu - Teile der Koalition wollen dies, die SPD lehnt es ab. Auch Kassenfunktionär Kiefer sieht das skeptisch: Die Pflegeversicherung habe auch ohne neuen Kapitalstock Rücklagen von zuletzt 5,1 Milliarden Euro. In der SPD ist man noch unschlüssig, ob man die Beitragsbemessungsgrenze anheben will.
Für die Beitragszahler zeichnet sich momentan nur ab: Billiger wird Pflege nicht. Schon ab 2014 müsste der Beitrag laut SPD auch ohne mehr Leistungen von derzeit 1,95 Prozent auf 2,1 Prozent steigen. Ansonsten, ätzt Fraktionsvize Ferner, werde die Koalition "nicht den Mut haben, jetzt im Sommer etwas Substanzielles vorzulegen". Rund zwei Monate haben Union und FDP noch, wenn sie die Opposition eines Besseren belehren will. Am 23. September fängt der Herbst an.


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