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EinblickVerdammt zum Däumchendrehen

In der kma-Rubrik "Einblick" berichten ausländische Mitrabeiter aus deutschen Kliniken. In diesem Artikel spricht der syrische Flüchtling HASIM AL-SAYED (Name von der Redaktion geändert) über die vielen Hürden auf seinem Weg zu einem Ausbildungsvertrag als Pflegeassistent

Zusammen mit meinem Vater bin ich im März 2001 aus Syrien nach Deutschland geflohen. Obwohl es damals noch keinen Bürgerkrieg gab, zwangen politische Gründe meinen Vater schon damals zur Flucht. Hier in Deutschland wurden wir als Flüchtlinge jedoch nur geduldet, was weitreichende Folgen hatte. Wir bekamen keine langfristige Aufenthaltsgenehmigung, sondern immer nur ein Bleiberecht für jeweils zwei bis drei Monate. Dieses musste immer wieder von Neuem verlängert werden – mit völlig offenem Ausgang. Nie wusste ich, ob die Verlängerung tatsächlich genehmigt wird. Um Deutsch zu lernen, konnte ich hier zwar die Schule in einer Förderklasse besuchen. Ob ich in Deutschland aber tatsächlich eine Perspektive haben würde, blieb für mich für viele Jahre in einem unerträglichen Schwebezustand.

Ein Medizinstudium kam ohne Aufenthaltsgenehmigung nicht in Frage. Was mir blieb, war eine schulische Ausbildung zum Elektriker. Unbezahlt, denn arbeiten darf man offiziell auch nicht, wenn man "geduldet" ist. Eigentlich darf man damit gar nichts, außer Däumchen zu drehen. Da die Elektrik und ich aber nun mal keine Freunde wurden, brach ich die Ausbildung kurz vor dem Abschluss ab. Ohne Chance auf ein Medizinstudium wollte ich wenigstens einen Beruf im Gesundheitswesen. Einfacher gesagt als getan, denn auch dafür musste ich einen wahren Hindernisparcours durch die deutsche Bürokratie absolvieren. Nach einiger Zeit schaffte ich es, an einer sechsmonatigen Pflegeassistenzmaßnahme teilzunehmen und erfuhr, dass der Berliner Klinikkonzern Vivantes im Rahmen des Bridge-Projekts Ausbildungsplätze auch für Flüchtlinge anbietet.

Die Lehrstelle war an Bedingungen geknüpft: Deutschkenntnisse, bestandener Eignungstest und eine Aufenthaltsgenehmigung. Den Eignungstest bestand ich ohne Probleme, Deutsch konnte ich auch, doch mit der Aufenthaltsfrage begann erneut der Ärger. Schließlich war die Aufenthaltsgenehmigung Voraussetzung für einen festen Ausbildungsvertrag. Obwohl ich die Ausbildung unbedingt wollte, fragte mich der Sachbearbeiter bei der Ausländerbehörde doch ernsthaft, warum ich eine Ausbildung machen wolle? Schließlich könnte ich doch zuhause bleiben und den ganzen Tag fernsehen.

Nach einem hartnäckigen Kampf mit den Ämtern bekam ich endlich meinen Ausbildungsvertrag. Anfangs war es schwer, denn in dem Jahrgang waren von 28 Auszubildenden 26 Abiturienten – dazu ein Freund und ich. Es war eine harte Zeit mit viel Lernen, Sonderschichten und Nachhilfe – aber ich habe es geschafft. Als ausgebildete Pflegekraft arbeite ich nun endlich in dem Bereich, der mir schon lange am Herzen liegt. Mit meiner Ausbildung und einer fünfjährigen Berufserfahrung könnte ich jetzt sogar ohne Abitur Medizin studieren. Doch ich bin nun verheiratet und habe einen kleinen Sohn – das verändert die Prioritäten. Daher habe ich mich mit meiner Arbeits- und Lebenssituation arrangiert und bin zufrieden. Denn ich erinnere mich noch gut an die schlechten Zeiten.

AUSLÄNDISCHE MITARBEITER BERICHTEN AUS DEUTSCHEN KLINIKEN
2001 musste die Familie des heute 27-jährigen Hasim Al-Sayed aus Syrien fliehen. Als geduldeter Flüchtling durchlitt er danach das absurde deutsche Flüchtlingssystem. Keine Ausbildung, kein Job – und immer von der schnellen Abschiebung bedroht. Hasim Al Sayed gab nicht auf und erkämpfte sich eine Ausbildung. Inzwischen arbeitet er als Pfleger in einer Komfortklinik.

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