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Bundestag will MitspracheDebatte über schärfere bundesweite Corona-Maßnahmen

Grenzen des Föderalismus

Söder verlangte vor einer Schaltkonferenz des CSU-Vorstands, dass bei mehr als 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen eine Maskenpflicht auf stark frequentierten öffentlichen Plätzen und in Schulen gelten solle, in Grundschulen und Horten ab der Marke 50. Bei einem Wert von 35 solle es auch eine bundesweite Maskenpflicht am Arbeitsplatz geben, wenn Mindestabstände nicht eingehalten werden können. Zudem sollten alle Länder nach bayerischem Muster ab einem Wert von 50 die Sperrstunde für Lokale schon um 22.00 Uhr verhängen.

Die Ministerpräsidenten der Länder hatten sich mit der Kanzlerin am Mittwoch bereits auf eine schrittweise Ausweitung der Maskenpflicht in Corona-Hotspots verständigt - dies blieb aber wesentlich unpräziser als jetzt von Söder verlangt. Mit Blick auf die starke Zuständigkeit der Länder bei Maßnahmen gegen die Pandemie-Bekämpfung sagte dieser: «Ich bin ein überzeugter Föderalist, aber ich glaube, dass der Föderalismus zunehmend an seine Grenze stößt.»

Spahn für Verlängerung von Sonderrechten

Die Kritik am geringen Einfluss der Parlamente auf die Entscheidungen über Corona-Maßnahmen entzündet sich unter anderem daran, dass sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn Sonderrechte verlängern lassen möchte, die ihm der Bundestag im März eingeräumt hatte. «Das ist ja nicht irgendwie Willkür oder Zufall, dass es entsprechende Möglichkeiten für den Bund, für den Bundesminister gibt oder für die Länder, sondern das sind gesetzliche Grundlagen, vom Bundestag beschlossene Grundlagen», verteidigte Spahn am Dienstag im ZDF-«Morgenmagazin» seinen Vorstoß.

Bislang sind die Sonderrechte bis März 2021 begrenzt. Im Gesetzentwurf heißt es nun, die bisherigen Regelungen sollten - «unter der Voraussetzung, dass dies zum Schutz der Bevölkerung vor einer Gefährdung durch schwerwiegende übertragbare Krankheiten erforderlich ist» - «verstetigt» werden. Zur Frage, was das konkret heißt, wollte sich eine Ministeriumssprecherin am Montag in der Bundespressekonferenz nicht äußern.

Auf die Frage, warum die Rahmenbedingungen nach der akuten Übergangssituation nicht wieder vom Bundestag festgelegt werden sollten, sagte Spahn: «Das werden sie ja auch weiterhin, wie es ja auch in unserem vorgeschlagenen Infektionsschutzgesetz so wäre, dass der Bundestag die Regeln festsetzt. Was wir vereinheitlichen wollen und übrigens auf eine bessere rechtliche Grundlage, auf eine eindeutigere rechtliche Grundlage stellen wollen - das ist ja auch das, was Abgeordnete zurecht fordern - sind die Regelungen rund um die Einreise.» Das Thema Einreise könne nur der Bund regeln und solle nicht von 16 Bundesländern unterschiedlich gehandhabt werden. «Das sieht eben der Gesetzentwurf vor», sagte Spahn.

Sonderrechte dürfen nicht zum Dauerzustand werden

Allerdings hat der Bundestag durchaus Mitwirkungsrechte. So wurde die «epidemische Notlage von nationaler Tragweite» - die Grundlage für die Sonderrechte der Regierung - im März vom Bundestag beschlossen. Der Bundestag kann sie auch wieder aufheben. Und auch im neuen Gesetzentwurf steht, dem Bundestag werde «das Recht eingeräumt, entsprechende Verordnungen abzuändern oder aufzuheben».

Trotzdem kritisierte der Geschäftsführer des Deutschen Richterbundes, Sven Rebehn im «Handelsblatt»: «In der ersten Phase der Corona-Pandemie ist es vertretbar gewesen, Freiheitsrechte durch Verordnungen der Exekutive einzuschränken, um möglichst rasch auf akute Gefahren reagieren zu können. Das darf aber nicht zum Dauerzustand werden.»

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte der «Augsburger Allgemeinen» (Dienstag), es werde schon zu lange hinter verschlossenen Türen verhandelt. «Beratung, Abwägung, Entscheidung und Kontrolle gehören gerade in Krisenzeiten ins Parlament.» Unmut gibt es aber nicht nur bei der Opposition, sondern auch in den Koalitionsfraktionen. «Das Parlament muss der Ort sein, an dem die zentralen Entscheidungen getroffen werden», sagte beispielsweise Unionsfraktionsvize Thorsten Frei (CDU) der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten» (Dienstag).

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