
Um die schleppende Verbreitung digitaler Anwendungen für Patienten deutlich zu voranzubringen, hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach jetzt seine Digitalisierungsstrategie für Gesundheit und Pflege vorgestellt. Unter anderem sollen bis Ende 2024 für alle gesetzlich Versicherten digitale Akten eingerichtet werden – es sei denn, jemand lehnt das aktiv ab (Opt-out-Verfahren).
In der elektronischen Patientenakte (ePA) können etwa Befunde, Röntgenbilder und Medikamentenlisten gespeichert werden. Als freiwilliges Angebot waren die E-Akten schon 2021 eingeführt worden, doch nur ein Bruchteil der 74 Millionen Versicherten nutzt sie. Lauterbach will jetzt, dass 80 Prozent der gesetzlich Versicherten bis 2025 E-Akten haben. Bis Ende 2025 sollen zudem 80 Prozent der ePA-Nutzer, die in medikamentöser Behandlung sind, über eine digitale Medikationsübersicht verfügen.
Deutschlands Gesundheitswesen hängt in der Digitalisierung um Jahrzehnte zurück. Das können wir nicht länger verantworten.
Außerdem sollen E-Rezepte nach einer bisher stockenden Einführung einfacher nutzbar und Anfang 2024 zum verbindlichen Standard werden. Darüber hinaus will Lauterbach mehr Datenauswertungen für die Forschung gesetzlich regeln. Dafür soll unter anderem eine zentrale Stelle eingerichtet werden, die einen Zugang zu pseudonymisierten Daten aus verschiedenen Quellen wie Registern und Krankenkassendaten ermöglichen soll. Bis Ende 2026, so das Bundesgesundheitsministerium (BMG), soll dieses neue Forschungsdatenzentrum mindestens 300 Forschungsvorhaben mit Gesundheitsdaten realisieren.
Moderne Medizin basiere auf Digitalisierung und Daten, erklärt Lauterbach: „Ihre Vorteile zu nutzen, macht Behandlung besser.“ Die jetzt vorgestellte Digitalisierungsstrategie habe das BMG über mehrere Monate gemeinsam mit Patientenvertretern und Akteuren des Gesundheitswesens entwickelt. Sie solle Orientierung dafür bieten, „wie sich Versorgungsprozesse, Datennutzung und Technologien bis Ende des Jahrzehnts weiterentwickeln müssen, um Gesundheitsversorgung zu verbessern“.
So beschreibt das BMG die Gesetzesvorhaben im Einzelnen:
Das Digitalgesetz
- Bis Ende 2024 soll die elektronische Patientenakte für alle gesetzlich Versicherte eingerichtet werden (Opt-out).
- Das E-Rezept soll zum 1. Januar 2024 verbindlicher Standard in der Arzneimittelversorgung und die Nutzung stark vereinfacht werden (E-Rezept kann dann sowohl mit Gesundheitskarte wie mit ePA-App eingelöst werden).
- Ungewollte Wechselwirkungen von Arzneimitteln sollen vermieden werden, indem – in enger Verknüpfung mit dem E-Rezept – die ePA für jeden Versicherten mit einer vollständigen, weitestgehend automatisiert erstellten, digitalen Medikationsübersicht befüllt wird.
- Die Gesellschaft für Telematik (Gematik GmbH) wird zu einer Digitalagentur in 100-prozentiger Trägerschaft des Bundes weiterentwickelt und in ihrer Handlungsfähigkeit gestärkt.
- Assistierte Telemedizin soll künftig in Apotheken oder Gesundheitskiosken angeboten werden können, insbesondere auch in unterversorgten Regionen.
- Behandlungs-Programme (DMP) sollen um stärker digitalisierte Programme ergänzt werden.
- Ein interdisziplinärer Ausschuss, der u.a. mit Vertretern von BfDI, BSI, Medizin und Ethik besetzt sein wird, soll künftig die Digitalagentur bei allen Entscheidungen mit Empfehlungen zu Fragen des Datenschutzes, der Datensicherheit, der Datennutzung und der Anwenderfreundlichkeit beraten. Dies ersetzt den bisherigen Prozess der Einvernehmensherstellung mit BSI und BfDI.
Das Gesundheitsdatennutzungsgesetz (GDNG)
- Eine zentrale Datenzugangs- und Koordinierungsstelle wird aufgebaut, die den Zugang zu Forschungsdaten aus verschiedenen Quellen (z.B. Krebsregister, Krankenkassendaten) ermöglicht. Die Verknüpfung unterschiedlicher Datenquellen wird über Forschungspseudonyme ermöglicht. Die Daten bleiben dezentral gespeichert.
- Die federführende Datenschutzaufsicht für bundesländerübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten erweitert. Das heißt, die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen erfolgt dann nur noch durch eine/n Landesdatenschutzbeauftragte/n.
- Das Forschungsdatenzentrum Gesundheit (FDZ) beim BfArM wird weiterentwickelt: Künftig soll auch die forschende Industrie dort Anträge auf Datenzugang stellen können. Entscheidend für die Anfragen ist der Nutzungszweck, nicht der Absender.
- Die Datenfreigabe aus der elektronischen Patientenakte (ePA) wird vereinfacht, kann nutzerfreundlich in der ePA-App gesteuert werden (Opt-out). Pseudonymisierte ePA-Daten sollen künftig zu Forschungszwecken automatisch über das FDZ abrufbar sein.







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