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BundestagGrünes Licht für Lieferengpassgesetz

Der Bundestag hat das Gesetz zur Bekämpfung von Arzneimittellieferengpässen beschlossen. Vorräte vielgenutzter Arzneimittel als Sicherheitspuffer werden zur Pflicht. Preisregeln sollen gelockert werden.

Apotheke
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„Die Bundesregierung hat heute die Weichen gestellt, um Engpässe bei Arzneimitteln zu vermeiden“, sagte Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach. Lieferengpässe bei Medikamenten besonders für Kinder sollen künftig mit zusätzlichen Maßnahmen zuverlässiger abgewendet werden. Der Bundestag hat dazu das „Gesetz zur Bekämpfung von Lieferengpässen bei patentfreien Arzneimitteln und zur Verbesserung der Versorgung mit Kinderarzneimitteln“ (ALBVVG) beschlossen.

Das Gesetz der Ampel-Koalition macht Vorräte von mehreren Monatsmengen für vielgenutzte Arzneimittel als Sicherheitspuffer zur Pflicht. Zudem sollen Preisregeln gelockert werden, um Lieferungen nach Deutschland für Hersteller lohnender zu machen. Für Apotheken soll es leichter werden, bei nicht verfügbaren Präparaten auf ähnliche auszuweichen.

Wenn wir hier sparen, ist das nicht ethisch.

Lauterbach sagte, eine übertriebene Ökonomisierung habe die Versorgung mit patentfreien Medikamenten über die vergangenen Jahre deutlich verschlechtert. Mittlerweile sei es eine „unhaltbare“ Situation. „Wir korrigieren das und ändern die Rahmenbedingungen so, dass Deutschland als Absatzmarkt für Arzneimittel wieder attraktiver wird.“ Lauterbach rechtfertigte Mehrausgaben insbesondere für Kinder. „Wenn wir hier sparen, ist das nicht ethisch.“ Längerfristig müsse es auch möglich werden, dass patentfreie Medikamente wieder mehr in Europa produziert werden.

Redner der Opposition lehnten die Gesetzespläne als unzureichend ab. Engpässe gab es zuletzt bei Fieber- und Hustensäften für Kinder, betroffen waren auch Krebsmedikamente und Antibiotika für Erwachsene. Aktuell sind gut 490 Meldungen zu Lieferengpässen amtlich erfasst.

Das Gesetz sieht daneben andere Neuregelungen vor. Geschaffen werden soll etwa auch eine dauerhafte Möglichkeit zu Krankschreibungen per Telefon, ähnlich wie bei einer inzwischen beendeten Corona-Sonderregelung.

  • Für Kinderarzneimittel werden die Preisregeln gelockert: Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages bzw. Preismoratoriums-Preises anheben. Zukünftig dürfen keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden.
  • Antibiotika mit Wirkstoffproduktion in der EU und im Europäischen Wirtschaftsraum müssen bei Ausschreibungen von Kassenverträgen zusätzlich berücksichtigt werden. Die Anbietervielfalt wird erhöht.
  • Der Preisdruck durch Zuzahlungsbefreiungsregeln wird gesenkt: Statt heute 30 Prozent liegt die Zuzahlungsbefreiungsgrenze künftig bei 20 Prozent. Das bedeutet: Liegt der Preis mindestens 20 Prozent unter Festbetrag, kann der GKV-Spitzenverband Arzneimittel von der Zuzahlung freistellen. Der Preisdruck bei Festbeträgen wird dadurch gedämpft.
  • Vereinfachung der Austauschregeln für Apotheken: Ist ein Arzneimittel nicht verfügbar, dürfen Apothekerinnen und Apotheker ein wirkstoffgleiches Arzneimittel abgeben. Für den Austausch sollen Apotheken und Großhändler einen Zuschlag erhalten. Können die Arzneimittel nur noch in Kleinpackungen abgegeben oder muss aus einer Packung eine Teilmenge entnommen werden, wird die Zuzahlung für die Versicherten auf die abgegebene Menge begrenzt.
  • Preisinstrumente für versorgungskritische Arzneimittel können im Fall einer Marktverengung gelockert werden. Gibt es bei wichtigen Arzneimitteln zu wenig Anbieter, können Festbetrag oder Preismoratorium einmalig um 50 Prozent angehoben werden.
  • Erhöhte verbindliche Bevorratungspflichten von Arzneimitteln.  Pharmazeutischen Unternehmen wird für rabattierte Arzneimittel künftig eine sechsmonatige Lagerhaltung vorgeschrieben. Dies beugt kurzfristigen Lieferengpässen vor, gleicht gesteigerte akute Mehrbedarfe aus und stellt eine bedarfsgerechte Versorgung sicher. Auch Krankenhausapotheken und krankenhausversorgende Apotheken müssen ihre Vorräte bei parenteral anzuwendenden Arzneimitteln und Antibiotika zur intensivmedizinischen Versorgung aufstocken. Wenn bei Krebsarzneimitteln ein Engpass absehbar wird, gilt das auch für Apotheken, die daraus anwendungsfertige Zubereitungen herstellen. Darüber hinaus wird der Großhandel verpflichtet, die Bevorratung mit Kinderarzneimitteln auf vier Wochen zu erhöhen.
  • Vorhandene Strukturen zur Bewältigung von Lieferengpässen bei Arzneimitteln werden gestärkt: Das BfArM erhält zusätzliche Informationsrechte u.a. gegenüber Herstellern und Krankenhausapotheken. Zudem wird ein Frühwarnsystem zur Erkennung von drohenden Lieferengpässen eingerichtet.
  • Verfügbarkeit neuer Reserveantibiotika: Die Regeln zur Preisbildung werden so angepasst, dass der finanzielle Anreiz für die Forschung und Entwicklung von neuen Reserveantibiotika für pharmazeutische Unternehmen verstärkt wird.

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