
Die bayerische Landesregierung sieht sich durch ein Gutachten in ihrer Kritik an den Krankenhausreformplänen des Bundes bestätigt. „Mit dem derzeitigen Konzept drohen drastische Einschnitte in der bayerischen Krankenhauslandschaft“, kommentierte Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) am 8. Februar. Er verweist dabei auf die Ergebnisse eines von ihm in Auftrag gegebenen Gutachtens bei der Firma BinDoc.
Demnach würden die Reformpläne die Notfallversorgung und die reguläre stationäre Versorgung in jedem achten Krankenhaus in Bayern gefährden. Wenn Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) an seinen Plänen festhalte, käme es zur Zerstörung bewährter und dringend benötigter Strukturen, so der CSU-Politiker. Holetschek drohte im Extremfall mit einer Klage in Karlsruhe.
Bayern ist im Wahlkampf.
Bundesgesundheitsminister Lauterbach wies jegliche Vorwürfe zurück und wandte sich gegen Panikmache. Die Planungshoheit für die Kliniken liege eindeutig bei den Ländern, das sei auch nicht anders geplant, sagte der SPD-Politiker bei der Konferenz „Europe 2023“ der Zeit-Verlagsgruppe. Wenn Bayern die Sorge habe, dass ganz viele Krankenhäuser verschwinden, würde das nur bedeuten, dass Bayern plane, so viele verschwinden zu lassen. Die Inhalte des Gutachtens und Holetscheks Interpretation ließen sich so zusammenfassen: „Bayern ist im Wahlkampf.“
Das „Gutachten zur Folgenabschätzung der Krankenhausreform auf die Versorgungsstruktur in Bayern“ komme laut dem Landesgesundheitsminister zu dem Schluss, dass 53 der rund 400 bayerischen Krankenhäuser (13 Prozent) durch die Reformpläne herabgestuft würden. Diese könnten dann künftig nur noch eine ambulant-stationäre Basisversorgung anbieten, zum Beispiel bei Diabetes- oder Kreislaufproblemen. „An diesen Häusern könnten keine Notfallversorgung und keine reguläre stationäre Versorgung mehr stattfinden“, warnte der Minister.
Stationäre Basisversorgung nur noch in 100 Krankenhäusern
„Mehr als 50 Krankenhäuser in Bayern wären also keine vollwertigen Krankenhäuser mehr, wenn der Bund die bislang bekannten Pläne umsetzen würde. Auch bei Häusern mit einem breiteren Versorgungsangebot würde sich das Angebot nach den Berliner Plänen verschlechtern. Knapp 100 Krankenhäuser würden künftig nur noch eine stationäre Basisversorgung anbieten“, sagte Holetschek. Zahlreiche andere auch in der Fläche relevante Angebote würden nach der Konzeption des Bundes an diesen Häusern wegfallen, ein besonders gravierendes Beispiel sei die Geburtshilfe. „Auch die Versorgung bei einem Schlaganfall wäre gefährdet“, sagte er.
Welche Kliniken und Regionen besonders betroffen wären, lässt das Gutachten laut Holetschek offen: „Aus unserer Sicht steht außer Frage, dass die Vorschläge der Kommission noch erhebliche Änderungen auch in wichtigen Punkten erfahren werden und es keineswegs eine Eins-zu-Eins-Umsetzung der Vorschläge geben darf und wird.“
Bayern will sich wehren
Sollte der Bund sich gegen Korrekturen und eine Länderöffnungsklausel sperren, werde Bayern juristisch gegen die Pläne vorgehen, drohte er. „Ich werde es nicht hinnehmen, wenn die Planungshoheit der Länder durch die Reform ausgehebelt wird. Notfalls bin ich auch bereit, dafür nach Karlsruhe zu gehen und vor dem Bundesverfassungsgericht zu klagen“, sagte Holetschek. Weiterhin betont er, dass auch für Fachkrankenhäuser passende Regelungen gefunden werden müssten. „Die Regierungskommission lässt zu diesen Häusern vieles im Unklaren. In Bayern leisten diese spezialisierten Kliniken - zum Beispiel für Kinderheilkunde – einen im bundesweiten Vergleich überdurchschnittlichen Versorgungsbeitrag, gerade auch in der Intensivmedizin.“
Finanzielle Sicherung oberste Prioriät
Holetschek forderte Lauterbach zu einem Krankenhaus-Gipfel mit den Ländern, Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) und Klinikvertretern auf: „Es wird Zeit, dass der Bundesgesundheitsminister mit allen Betroffenen redet, anstatt über ihre Köpfe hinweg zu planen.“ Es brauche eine Krankenhausreform - aber diese müsse sich am Wohl der Patientinnen und Patienten orientieren.
Er betonte außerdem, dass die höchste Priorität auf der finanziellen Sicherung der Krankenhäuser liegen müsse. So werde Bayern künftig Krankenhausinvestitionen mit 643 Millionen Euro jährlich fördern und diesen Betrag weiter ausbauen. Außerdem würden den bayerischen Krankenhäusern einmalig 100 Millionen Euro mit Blick auf bislang nicht gedeckte Sachkostensteigerungen im Jahr 2023 aus den Bayerischen Härtefallfonds zur Verfügung gestellt. Weiterhin sei ein Förderprogramm für kleinere Krankenhäuser im ländlichen Raum im Umfang von 100 Millionen Euro beschlossen worden.
Holetschek schloss sich zudem einem Vorschlag an, einen neuen Strukturfonds über 100 Milliarden Euro einzurichten, um Kliniken unter die Arme zu greifen. „Ohne finanzielle Unterstützung können die Krankenhäuser den notwendigen Transformationsprozess nicht bewältigen“, sagte er. Sonst drohe auch die Gefahr, „dass einige Kliniken die Strukturreform gar nicht mehr erleben“.
Konvergenzphase reicht nicht
Des Weiteren sei die von der Regierungskommission vorgesehene Konvergenzphase von fünf Jahren deutlich zu kurz. Holetschek macht klar: „auch dem Freistaat Bayern ist daran gelegen, die Reform gemeinsam mit dem Bund und den anderen Ländern anzugehen. Aber nicht um jeden Preis.“ Weiterhin erklärte er, dass es Korrekturen und Vereinfachungen bei den Voraussetzungen der sogenannten Level und den am jeweiligen Level möglichen Leistungsgruppen geben müsse, sowie Öffnungsklauseln für die Länder, um regionalen Besonderheiten Rechnung tragen zu können.
Unnötige Panikmache
SPD und Grüne warfen Holetschek unnötige Panikmache vor: „Es ist völlig unverantwortlich von Minister Holetschek, jetzt überall zu zündeln und den Menschen Angst zu machen“, sagte Ruth Waldmann (SPD). Eine Krankenhausreform sei unverzichtbar, ohne sie werde es erst recht zu Schließungen kommen. Mit dem Gutachten torpediere Holetschek den Prozess zwischen Bund und Ländern zur benötigten Reform der Krankenhausfinanzierung.
Das Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege hatte ein „Gutachten zur Folgenabschätzung der Krankenhausreform auf die Versorgungsstruktur in Bayern“ bei der Firma BinDoc erstellen lassen. Dafür dienten Ergebnisse der dritten Stellungnahme und die Empfehlung der Regierungskommission als Grundlage. Die verfügbaren Daten seien jedoch noch in Teilen limitiert, weshalb die berechneten Zahlen nicht mit letzter Exaktheit die Auswirkungen wiedergeben können. Sie können aber ein klarer Indikator für die Tendenz der zu erwartenden Folgen sein.






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