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Urteil für Mecklenburg-VorpommernHonorar-Notärzte auf Rettungswagen nicht mehr erlaubt

Die Rettungsdienste in Deutschland stehen vor einem großen Problem. Nach einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) dürfen in Rettungswagen in Mecklenburg-Vorpommern künftig keine Honorar-Notärzte mehr beschäftigt werden. Einige Experten sehen deshalb die Notarztversorgung bundesweit in Gefahr.

Die Richter in Kassel bestätigten jetzt ein Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern, das die Beschäftigung als Scheinselbstständigkeit eingestuft hatte (Az: L7R60/12 und B12R19/15B). Im konkreten Fall geht es um den Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes im Nordosten. Nach der BSG-Entscheidung ist es in Mecklenburg-Vorpommern künftig nicht mehr möglich, auf Rettungswagen Honorar-Notärzte zu beschäftigen, was vor allem in ländlichen Regionen verbreitet ist. Statt dessen müssten die Notärzte sozialversicherungspflichtig angestellt werden.

Die bisherigen Beschäftigungsmodelle müssten ab sofort umgestellt werden, teilte der Rechtsvertreter des DRK, BDO Legal, mit. Sonst würden die Träger des Rettungsdienstes nach dem Urteil unkalkulierbare rechtliche Risiken eingehen. Fraglich sei allerdings, ob die Ärzte, die den notärztlichen Rettungsdienst bisher neben ihrem eigentlichen Job übernähmen, bereit seien, sich zusätzlich als Notarzt sozialversicherungspflichtig anstellen zu lassen. Zudem seien Konflikte mit dem Arbeitszeitgesetz zu befürchten.

Die meisten sind Notarzt im Nebenjob

Nach Auskunft der Notarzt-Börse im schleswig-holsteinischen Pogeez sind schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der bislang eingesetzten Notärzte eigentlich in Krankenhäusern angestellt und betreiben den Notarzt-Dienst als Nebentätigkeit. Weitere 20 Prozent hätten private Praxen, und lediglich rund zehn Prozent lebten als reine Freelancer wirklich von der Arbeit als Notarzt, sagt Olaf Björk von der Notarzt-Börse. Das Unternehmen zählt rund 4.900 Mitglieder und vermittelt bundesweit 14.000 bis 15.000 Notarzteinsätze pro Jahr.

Für Mecklenburg-Vorpommern habe die Entscheidung gravierende Folgen, fürchtet Björk. Viele Kollegen sei frustriert, genügend Ärzte, die an einer Festanstellung als Notarzt interessiert seien, gebe es nicht. Um sie trotzdem nicht zu verprellen, hoffen Experten deshalb, dass die zuständigen Bundesministerien für Arbeit und Gesundheit eine Übergangslösung beschließen. "Alles muss zunächst so weiter laufen", fordert Björk.

In Berlin und Brandenburg gelten andere Regeln

Stephan Porten, Fachanwalt für Medizinrecht bei BDO Legal, sieht als Folge der BSG-Entscheidung auch bundesweite Konsequenzen. Das Bundessozialgericht habe klargemacht, wie es auch in vergleichbaren Fällen entscheiden würde, sagt Porten. "Es muss davon ausgegangen werden, dass die Sozialversicherungsträger die Entscheidung des BSG zum Anlass nehmen, die Sozialversicherungspflicht von Honorarärzten jetzt ebenso in anderen Bundesländern gerichtlich durchzusetzen." Wenn das Mecklenburg-Vorpommersche Beispiel jedoch Schule mache, werde der heute zu großen Teilen von Honorarärzten bestrittenen notärztlichen Versorgung deutschlandweit eine wesentliche Grundlage entzogen. Das gelte ganz besonders im ländlichen Raum.

Die Verantwortlichen in den Rettungsdiensten stünden jetzt vor einer gewaltigen Aufgabe, erklärt Porten. Verschärfend wirke in diesem speziellen Fall, dass das für die benachbarten Bundesländer Berlin und Brandenburg zuständige Landessozialgericht Potsdam die Rechtslage bisher anders beurteile. Derzeit könnten Ärzte also noch in die unmittelbare Nachbarschaft ausweichen und dort auf Honorarbasis weiterarbeiten. In anderen Bundesländern, so heißt es bei BDO Legal, fehle noch die entsprechende Rechtsprechung, so dass auch diese Ausweichmöglichkeiten böten.

Bundesweit gibt es nach Schätzungen der Notarzt-Börse rund 1.230 Notarztstandorte, und nur 30 Prozent davon werden demnach von angestellten Ärzten besetzt. Sollte sich die Ansicht der Sozialgerichte durchsetzen, seien 860 Notarzt-Einsatzfahrzeuge ab sofort nicht mehr zu besetzen.

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