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Corona-AusnahmeregelungKritik an Stopp von Krankschreibungen per Telefon

Wer eine Krankschreibung wegen Atemwegsbeschwerden brauchte, bekam diese zuletzt auch ohne Praxisbesuch, nach telefonischer Rücksprache mit dem Arzt. Nun ist damit Schluss. Das sorgt für Kritik.

Nein-Smiley
Foto: Pixabay

Gesundheitspolitiker, Gewerkschaften und Verbraucherschützer üben massive Kritik daran, dass es von diesem Montag an keine telefonischen Krankschreibungen bei Atemwegsbeschwerden mehr geben soll. Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) nannte den Schritt am Samstag «verfrüht». Zum jetzigen Zeitpunkt sei es wichtig, Infektionsrisiken konsequent zu vermeiden. Auch Vertreter anderer Parteien und Verbraucherschützer sprachen von einem Fehler und forderten, dass die Entscheidung zurückgenommen wird.

Ursprünglich sollte die Ausnahmeregelung der AU-Richtlinie bis zum 23. Juni 2020 gelten, um das Ansteckungsrisiko in Arztpraxen zu verringern. Der Gemeinsame Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Krankenkassen hatte jedoch am Freitag beschlossen, diese Regelung auslaufen zu lassen. Betroffene Arbeitnehmer müssen sich demnach von diesem Montag an wieder in der Praxis vorstellen. Die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) hatte das begrüßt.

Wenig Realitätssinn und Misstrauen

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach schrieb am Samstag bei Twitter: «Jetzt die telefonische Krankschreibung auslaufen zu lassen ist klar falsch. Es hat sehr geholfen, dass Kranke nicht in den Wartezimmern gesessen haben.» Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, nannte den Beschluss des Bundesausschusses einen Fehler und «unverantwortlich». Die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Maria Klein-Schmeink, forderte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) auf, diesen kurzfristig außer Kraft zu setzen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) forderte eine Verlängerung der telefonischen Krankschreibung bis mindestens Ende Juni. «Jetzt zu beschließen, sich bei Atemwegsbeschwerden nicht mehr telefonisch krankschreiben zu lassen, zeugt von wenig Realitätssinn des G-BA und tiefem Misstrauen gegenüber den Beschäftigten», sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Man sei mit der Pandemie «noch lange nicht über den Berg».

Gefährdung einer bislang positiven Entwicklung 

Hessens Sozialminister Kai Klose (Grüne) schrieb in einem am Samstag veröffentlichten Brief an Spahn: «Die Entscheidung geht in eine falsche Richtung und gefährdet die positive Entwicklung, die in der laufenden SARS-CoV-2-Pandemie erreicht werden konnte.» Bürger, andere Patienten und das in der Praxis tätige Personal würden damit einem vermeidbaren Risiko ausgesetzt.

Das Bundesgesundheitsministerium verwies am Sonntag auf Nachfrage auf einen Bericht des «Tagesspiegels». Dort wurde ein Ministeriumssprecher mit den Worten zitiert: «Das ist eine Entscheidung der Selbstverwaltung». Der Beschluss sei zu einem Zeitpunkt gefallen, «zu dem sich die niedergelassenen Ärzte besser auf Corona-Patienten haben einstellen können».

Beschluss weder für Praxen noch Patienten gut

Ärzte und Kliniken betonten dagegen, die Entscheidung, telefonische Krankschreibungen nicht mehr zu ermöglichen, sei gegen ihren Willen getroffen worden. Sie sei weder für die Praxen noch für die Patienten gut, hieß von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), die die Praxisärzte vertritt.

Der Beschluss sei vom Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GKV) und dem unparteiischen Vorsitzenden des G-BA getroffen worden, gegen die Stimmen der Ärzte, Zahnärzte und der Krankenhäuser, hieß es von der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Das Beschlussgremium des Bundesausschusses ist mit drei unparteiischen Mitgliedern, fünf Vertretern der Krankenkassen und insgesamt fünf Ärzte- und Klinikvertretern besetzt.

Auch die Freie Ärzteschaft (FÄ) kritisierte die Entscheidung scharf. So sieht FÄ-Vize Dr. Axel Brunngraber die Gesundheit von chronisch Kranken und medizinischem Personal durch den Beschluss gefährdet. Er fordert daher die Ausnahmeregelung der AU-Richtlinie wie ursprünglich geplant bis Mitte Juni 2020 beizubehalten. Der FÄ-Vorsitzende Wieland Dietrich verwies zudem kritisch auf eine Firma, die unter AU-Schein.de weiter AU-Bescheinigungen online verkaufen dürfe. "Obwohl dieses Vorgehen in völligem Gegensatz zu den AU-Richtlinien des G-BA steht, wird nichts dagegen unternommen. Hier sollte der G-BA handeln", fordert Dietrich.

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