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„grobes Versagen“Leopoldina-Mitglied kritisiert Bund wegen Impfstoffbeschaffung

Die Neurologin Frauke Zipp, Mitglied der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina, hat der Bundesregierung schwere Versäumnisse bei der Beschaffung von Corona-Impfstoffen vorgeworfen.

Impfstoff
Talaj/stock.adobe.com
Symbolfoto

Die Leopoldina-Neurologin Frauke Zipp warf der großen Koalition schwere Versäumnisse bei der Beschaffung von Impfstoffen in der Corona-Pandmie vor. "Ich halte die derzeitige Situation für grobes Versagen der Verantwortlichen", sagte sie der "Welt" (Samstag). "Warum hat man im Sommer nicht viel mehr Impfstoff auf Risiko bestellt?" Es habe diese Angebote gegeben, "wir hätten sie jetzt zur Verfügung". Nach ihrem Kenntnisstand habe das Unternehmen Biontech im Spätsommer wesentlich mehr Impfdosen angeboten.

Die Leopoldina gehört zu den wichtigsten Beratern der Regierung in der Pandemie. Leopoldina-Mitglied Zipp ist Direktorin der Klinik für Neurologie an der Johannes-Gutenberg-Universität in Mainz. Sie erforscht entzündliche neurologische Erkrankungen.

Zusätzliche Lieferungen für 2021 im Gespräch

Biontech hatte am Freitag erklärt, mehr Corona-Impfstoff als bisher geplant an die EU liefern zu wollen. Das Unternehmen befinde sich "in fortgeschrittenen Diskussionen, ob und wie wir weitere Impfstoffdosen aus Europa für Europa in diesem Jahr zur Verfügung stellen können", teilte Unternehmenschef Ugur Sahin der Deutschen Presse-Agentur mit. Hintergrund sind Klagen über die Knappheit von Impfstoff in Deutschland und anderen EU-Staaten. 

"Aufgrund der aktuell hohen Infektionszahlen ist eine zügige Impfstoffversorgung besonders wichtig", betonte Sahin. "Wir arbeiten mit der EU zusammen, um unsere Produktionskapazitäten weiter auszubauen und zusätzliche Impfstoffdosen bereitstellen zu können."

Wie schnell ein Vertrag über zusätzliche Lieferungen zustande kommen könnte und um welche Mengen es geht, wollte eine Unternehmenssprecherin auf Nachfrage noch nicht sagen. Die EU-Kommission bestätigte ebenfalls nur, dass es "fortgeschrittene Gespräche" über weitere Lieferungen 2021 gebe.

Biontech erwartet Klarheit Ende Januar

Sahin hatte dem "Spiegel" gesagt, man suche Kooperationspartner. "Aber es ist ja nicht so, als stünden überall in der Welt spezialisierte Fabriken ungenutzt herum, die von heute auf morgen Impfstoff in der nötigen Qualität herstellen könnten", sagte Sahin. "Ende Januar haben wir Klarheit, ob und wie viel wir mehr produzieren können."

Die EU-Kommission hat nicht nur bei Biontech, sondern auch bei fünf weiteren Firmen mit aussichtsreichen Impfstoffkandidaten bestellt, insgesamt zwei Milliarden Dosen für die rund 450 Millionen EU-Bürger. Doch sind die anderen Mittel noch nicht zugelassen.

Dazu sagte Sahin im "Spiegel": "Es gab die Annahme, dass noch viele andere Firmen mit Impfstoffen kommen. Offenbar herrschte der Eindruck: Wir kriegen genug, es wird alles nicht so schlimm, und wir haben das unter Kontrolle. Mich hat das gewundert." Gegenüber dpa stellte er klar: "Die Strategie der EU, sich verschiedene Impfstoffe zu sichern, ist nachvollziehbar und sinnvoll. Unser gemeinsames Interesse ist, Menschen, die es wünschen, mit Impfstoffen zu versorgen."

Weitere Produktionsstätten nutzbar machen

Die SPD-Fraktion drängt Gesundheitsminister Spahn, sich stärker für mehr Impfstoff einsetzen. Ein Gipfel mit allen in Deutschland produzierenden Pharmaunternehmen müsse klären, "welche Produktionsstätten bestehen und kurzfristig nutzbar gemacht werden können", sagte der Parlamentarische Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider der dpa.

Das Gesundheitsministerium bekräftigte jedoch auf Twitter, dass bis Anfang Februar 2,68 Millionen Dosen des Biontech-Impfstoffs erwartet würden. Die nächste Lieferung an die Länder sei weiter für den 8. Januar geplant. Inklusive der Lieferungen aus dem alten Jahr wären es dann insgesamt 3,98 Millionen Dosen, so viel wie auch bisher schon angekündigt.

Diskutiert wird derzeit, ob man die nötige zweite Impfdosis später verabreichen sollte, um zunächst möglichst viele Menschen einmal mit den knappen Vorräten zu impfen. Die europäische Zulassungsbehörde EMA dämpfte nun die Erwartungen. Der Nachweis der Wirksamkeit basiere auf einer Studie, bei der die Dosen im Abstand von 19 bis 42 Tagen gegeben wurden, teilte die EMA der dpa mit. Wären es sechs Monate, stünde dies nicht im Einklang mit den Bestimmungen. Ähnlich hatte sich der Präsident des Paul-Ehrlich-Instituts, Klaus Cichutek, am Mittwoch geäußert.

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