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NiedersachsenMaßnahmenpaket gegen Patiententötungen

Ein anonymes Meldesystem, schärfere Arzneimittelkontrollen und erweiterte Leichenschauen sollen Mordserien wie am Klinikum Delmenhorst künftig verhindern. Niedersachsens Gesundheitsministerin hat jetzt ein Maßnahmenbündel zur Stärkung der Patientensicherheit vorgestellt.

Aus der bisher wahrscheinlich größten Serie von Patientenmorden in deutschen Krankenhäusern zieht die Politik jetzt Konsequenzen. Wenige Tage nach Verurteilung des Krankenpflegers Niels H. wegen der Patientenmordserie am Klinikum Delmenhorst hat die niedersächsische Gesundheitsministerin Cornelia Rundt (SPD) umfangreiche Präventionsmaßnahmen angekündigt, die eine Wiederholung solcher Fälle so gut es geht verhindern sollen. Dies berichtet der Bremer Weser-Kurier. Mit dem Maßnahmenpaket sollen insbesondere ganz konkrete Lehren aus den Schwachstellen im Klinikbetrieb gezogen werden, die im Fall Niels H. dazu führten, dass die Tötungen lange unentdeckt blieben. In Hannover nahm zugleich ein Sonderausschuss des Landtags zur Aufklärung der Vorgänge um den Pflegers Niels H. seine Arbeit auf.

Neuer Typ von Meldesystem
„Wir müssen uns fragen, wie eine solche Serie von Tötungen passieren konnte, ohne dass dies aufgefallen ist”, sagte Rundt in Hannover. Es habe offensichtlich ein Risikobewusstsein für kriminelles Handeln gefehlt. Bei den zahlreichen vorhandenen Kontrollsysteme sei es bislang vornehmlich um die Wirtschaftlichkeit in Krankenhäusern und das Erkennen von Behandlungsfehlern gegangen. Künftig müsse man auch an kriminelle Motive denken, ohne die Klinikmitarbeiter unter Generalverdacht zu stellen, forderte die Ministerin.

Dem Bericht des Weser-Kurier zufolge setzt sich die Gesundheitsministerin insbesondere für ein „Whistleblower”-System an, eine Meldestelle, an die sich Krankenhausbeschäftigte anonym mit Hinweise auf mögliche Straftaten wenden könnten. „Viele Pfleger in Delmenhorst hatten über ein ungutes Gefühl berichtet, aber nicht gewusst, wo sie dies artikulieren konnten”, meinte Rundt. Bislang gibt es anonyme Stellen lediglich für Behandlungsfehler, allerdings nur auf freiwilliger Basis in etwa der Hälfte der Kliniken.

Ein bundesweites Meldesystem soll künftig auch verhindern, dass Personen, denen die Berufserlaubnis entzogen wurde, einfach in ein anderes Bundesland wechseln und sich dort in einen Job einschleichen können. Darüber hinaus sollen die Staatsanwaltschaften alle Delikte melden, die an der zuverlässigen Berufsausübung eines Bewerbers zweifeln lassen. Bisher gilt diese Regel zwar für Ärzte und Altenpfleger, nicht jedoch für Kräfte in Krankenhäusern. Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) habe sich dafür aufgeschlossen gezeigt, berichtete Rundt.

Todesfälle regelmäßig durchsprechen
Der Sonderausschuss des Landtags begrüßte die Idee, künftig regelmäßig Morbiditäts- und Mortalitätskonferenzen nach dem Beispiel der USA einzuberufen. Dort treffen sich die Ärzte einer Klinik jeden Monat, um alle Todesfälle durchzusprechen und eventuelle Auffälligkeiten aufzuspüren. Dem soll in Niedersachsen und Deutschland auch ein besserer Abgleich bei der Abgabe von Medikamenten dienen. So soll die Abgabe von Arzneimitteln auf den Stationen enger kontrolliert und dokumentiert werden. „Die Sicherheit im Krankenhaus könnte durch die Einrichtung betrieblicher Arzneimittelkommissionen oder der Beratung durch sogenannte Stationsapotheker weiter erhöht werden”, erklärte der gesundheitspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Thomas Schremmer. Apothekerkammern und Ärztekammern haben laut Rundt ihre Mitarbeit bei derartigen Modellen zugesichert. Niels H. hatte seinen Patienten in Delmenhorst ein Herzmittel gespritzt.

Erweiterte Leichenschau
Mehr Sicherheit verspricht sich die Ministerin auch durch eine erweiterte Leichenschau. Bisher betrachten Ärzte meist nur oberflächlich die Verstorbenen, künftig soll zumindest bei gewissen Anhaltspunkten eine Sektion und Blutentnahme möglich sein.

Damit sich Klinikpatienten künftig auch vor Kriminalität sicher fühlen können, soll ab Juli jedes der rund 180 Krankenhäuser in Niedersachsen auch einen ehrenamtlichen Patientenfürsprecher als Ansprechpartner für Probleme aller Art bekommen. Im niedersächsischen Landtag besteht fraktionsübergreifende Einigkeit über den Plan, auch einen Landesbeauftragten für Patientenschutz einzuführen. Dieser soll als eine Art Ombudsmann agieren – zwar soll er am Sozialministerium angegliedert sein, aber unabhängig von Weisungen und ausgestattet mit umfangreichen Auskunftsansprüchen.

Anfang März hatte das Landgericht Oldenburg hatte den Klinikmitarbeiter wegen zweifachen Mordes und zweifachen Mordversuchs zu lebenslanger Haft verurteilt. Die Staatsanwaltschaft ermittelt aber in rund 200 weiteren Verdachtsfällen an den Kliniken in Delmenhorst und Oldenburg.

Lese-Hinweis:

In der April-Ausgabe der kma (Erscheinung 1. April, Ressort Nachrichten, Seite 8) finden Sie ein Exklusivinterview mit dem Geschäftsführer des Klinikums Oldenburgs, Dirk Tenzer, über die Konsequenzen, die das Haus aus der Mordserie zieht.

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