
Die Bundesregierung hat für Deutschland zwei neue Corona-Antikörper-Medikamente gekauft. "Ab nächster Woche werden die monoklonalen Antikörper in Deutschland als erstem Land in der EU eingesetzt. Zunächst in Uni-Kliniken", kündigte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in der "Bild am Sonntag" an. "Die Gabe dieser Antikörper kann Risikopatienten in der Frühphase helfen, dass ein schwerer Verlauf verhindert wird", erläuterte Spahn. Die Kosten belaufen sich demnach auf 400 Millionen Euro.
Eine Anwendung erfolge nach individueller Nutzen-Risiko-Abschätzung der behandelnden Ärzte, teilte das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) auf Anfrage mit. Mit dieser Form der Antikörper wurde Ex-US-Präsident Donald Trump nach seiner Corona-Infektion behandelt, wie die "BamS" berichtete. In den USA gibt es für diese Arzneimittel eine Notfallzulassung der Arzneimittelbehörde FDA, in der Europäischen Union sind sie bisher nicht zugelassen.
Medikamente der Hersteller Eli Lilly und Regeneron
Das Ministerium hat sich den Angaben zufolge Kontingente von zwei der sogenannten monoklonalen antikörperhaltigen Arzneimittel gesichert. Es handele sich zum einen um den Antikörper Bamlanivimab, der vom US-Pharmaunternehmen Eli Lilly entwickelt wird, zum anderen um die die beiden gleichzeitig zu verabreichenden Antikörper Casirivimab/Imdevimab des US-Herstellers Regeneron.
Monoklonale Antikörper werden im Labor hergestellt und sollen das Virus nach einer Infektion außer Gefecht setzen. Monoklonal bedeutet, dass die eingesetzten Antikörper alle gleich sind und das Virus an einem fest definierten Ziel angreifen. Dadurch kann verhindert werden, dass das Virus an die menschliche Zelle andockt. Wird das unterbunden, kann sich das Virus nicht im Körper vermehren.
"Nach vorliegender Studienlage könnte die Medikation möglicherweise dabei helfen, die Virusmenge im Körper zu begrenzen und so einen positiven Einfluss auf den Krankheitsverlauf haben", teilte eine Ministeriumssprecherin mit. Die Arzneimittel sollen in den kommenden Wochen nach und nach den spezialisierten Krankenhäusern kostenlos zur Verfügung gestellt werden.
UKE setzt Medikamente ein und dokumentiert Wirkung
Zu den Kliniken, die die zwei neuen Corona-Antikörper-Medikamente bei der Behandlung von Covid-19-Patientinnen und -Patienten verabreichen werden, gehört laut eigenen Angaben das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. "Es ist angekündigt, dass die Medikamente in den nächsten Wochen im UKE ankommen werden. Wie viele Dosen und wann genau ist bislang noch unklar", sagte die Leiterin der Infektiologie Marylyn Addo gegenüber dem NDR.
Es sollen stationäre und teil-stationäre Patienten damit behandelt werden, die milde oder moderate Symptome haben und Risikofaktoren für einen schweren Verlauf zeigen. Für Intensivpatienten, die bereits beatmen werden, sei das Medikament nicht geeignet. Die Verabreichung wird das Klinikum wissenschaftlich begleiten.
Marylyn Addo warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen: "Die Daten sind vielversprechend, aber momentan geht keiner in der Expertengemeinschaft davon aus, dass das nun das Medikament ist, dass den Schalter in der Pandemie umlegt und das nun das heilsbringende Medikament ist". Das von Eli Lilly entwickelte Medikament wurde bei einer Studie auch prophylaktisch in einem Pflegeheim eingesetzt. Es soll das Risiko der Bewohnerinnen und Bewohner, an Covid-19 zu erkranken, gesenkt haben. Marylyn Addo: "Vielleicht ist das der Ort, an dem diese Substanzen den meisten Benefit bringen können".
Gesundheitsexperten begrüßen Medikamenten-Kauf
Als sinnvollen Schritt begrüßen Gesundheitsexperten von SPD, FDP und Grünen den Kauf. Die Studienlage entwickele sich in die Richtung, dass sich der Krankheitsverlauf damit positiv beeinflussen lasse, sagte etwa SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach den Partnerzeitungen der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft (Montagausgabe). "Wegen der hohen Kosten dieser Medikamente hätten die Kliniken diese Versorgung wahrscheinlich nicht angekauft. Ich begrüße die Aktion also."
Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dohmen sieht das Medikament als "sinnvolle Ergänzung" bis genügend Menschen geimpft sind. "Wenn beispielsweise in Pflegeheimen ein Ausbruch entdeckt wird, könnten durch einen raschen Einsatz Behandlungen auf der Intensivstation vermieden werden. Das Medikament ist kein Wundermittel, aber ein ergänzender Baustein." Er kritisierte, dass diese Strategie erst jetzt verfolgt werde. Im Wettlauf mit Mutationen reiche es nicht, auf Impfungen zu setzen.
Auf die Notwendigkeit weiterer Untersuchungen weist FDP-Gesundheitsexperte Andrew Ullman hin. Die Datenlage sei dünn. "Wenn Spahn die Sache professionell angehen will, bleibt ihm nichts anderes übrig, als das Medikament im Rahmen einer Studienzulassung an Uni-Kliniken zu erproben."





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