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Rahmenplan für BerlinKliniken im Krisenmodus – wenn der Ernstfall kommt

Was tun bei Angriff oder Infrastruktur-Ausfall? Ein neuer Rahmenplan zeigt, wie Kliniken in Berlin auf Krieg, Krisen und Katastrophen vorbereitet werden sollen. Nach zwei Jahren Arbeit wurde er nun vorgestellt.

Krisenmodus
gpointstudio/stock.adobe.com
Symbolfoto

Es sind düstere Szenarien, auf die sich der Berliner Senat, die Bundeswehr und zwölf Kliniken der Hauptstadt detailliert vorbereitet haben: Die Millionenmetropole wird militärisch angegriffen, auf den Straßen wird gekämpft. Kliniken fallen deswegen aus, gleichzeitig sind aber viele Verletzte zu versorgen – was dann? Dazu gib es nun ein Papier, in dem zwei Jahre Arbeit stecken: den Rahmenplan „Zivile Verteidigung Krankenhäuser“ (RP ZVKH). Er wurde nun den Geschäftsleitungen der Berliner Krankenhäuser vorgestellt.

Der Rahmenplan sei explizit kein Notfallplan, sondern „ein fortzuentwickelndes Arbeitspapier zwischen der Senatsgesundheitsverwaltung und den Berliner Krankenhäusern, das Empfehlungen zusammenfasst und zugleich weitere Prüf- und Arbeitsaufträge im Rahmen der Krisen- und Notfallvorsorge definiert“, heißt es in einer Mitteilung der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG).

Spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 hat sich die Gefährdungslage Deutschlands massiv verändert.

Der komplette Plan bleibt aus Sicherheitsgründen unter Verschluss. Mitgeteilt hat der Senat aber, um welche wichtigen Fragen es geht: Wie lässt sich verhindern, dass für den Klinikbetrieb Dienstleistungen und Lieferketten ausfallen? Wie lassen sich Patienten im Ernstfall verteilen? Und gibt es auch ausreichend Notstrom, Sanitätsmaterial und Arzneimittel?

Hintergrund ist der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und ein auch von der Nato befürchteter weiterer Vormarsch Richtung Europa. Schon als Russland 2014 die ukrainische Halbinsel Krim annektierte, beschloss die Bundesregierung, die Zivile Verteidigung in Deutschland wiederaufzubauen, die nach der Wiedervereinigung ein Schattendasein fristete.

In einem Faktenpapier zu dem Rahmenplan heißt es nun: „Spätestens seit Beginn des Ukraine-Krieges 2022 hat sich die Gefährdungslage Deutschlands massiv verändert.“

Szenario: Kriegerische Auseinandersetzung in Berlin

Gesundheitssenatorin Ina Czyborra (SPD) erklärte dazu: „Wir haben in Deutschland und auch in Berlin ein sehr gut ausgestattetes und funktionierendes System, um Katastrophen, Unfälle, Naturgefahren oder Kriminalität zu bewältigen. Aufgrund der veränderten Gefährdungslage ist es aber notwendig geworden, die zivile Verteidigung stärker auszubauen als dies in den vergangenen Jahren der Fall war.“ Im besten Fall tue Berlin damit etwas, „was uns in Friedenszeiten nützt und vor Angriffen schützt, weil wir stark aufgestellt sind“.

Vorstellung Rahmenplan Berlin
Alexandra Heeser
v.l.: Marc Schreiner (BKG), Dr. Ina Czyborra (Senatorin SenWGP) und Staatssekretärin Gesundheit und Pflege, Ellen Häußdörfer, sowie Dörthe Arnold, Pressesprecherin SenWGP bei der Pressekonferenz zum Rahmenplan.

Beispielszenarien

Als mögliche schlimmste Szenarien werden unter anderem angenommen:

  • erhöhtes Patientenaufkommen bei gleichzeitig ausfallender Infrastruktur und Ressourcen
  • eine kriegerische Auseinandersetzung in Berlin
  • die vollständige Evakuierung der Hauptstadt

Von Hitzewellen bis zum Nato-Bündnisfall

„Ohne Angst und Hysterie schauen wir, wie wir diese Herausforderungen klug und mit Weitsicht bewältigen können“, betont BKG-Geschäftsführer Marc Schreiner. Er erklärt: Durch regelmäßige Notfallübungen seien die Krankenhäuser gut darauf vorbereitet, auf akute Gefahrenlagen zu reagieren. Der Rahmenplan zeige aber, dass noch etliches zu tun sei. Es liegt aktuell eine erste Fassung vor. Der Plan soll jährlich zweimal aktualisiert werden.

Wir müssen unsere Gesundheitsinfrastruktur krisenfester aufstellen.

Mögliche besondere Krisenlagen, etwa durch militärische Konflikte oder hybride Bedrohungen, erforderten weitergehende Vorbereitungen. „Wir müssen unsere Gesundheitsinfrastruktur krisenfester aufstellen“, bilanziert Schreiner.

In dem Faktenpapier heißt es dazu, dass die Krisen- und Bedrohungslagen sehr komplex und vielfältig seien. Es gehe um Pandemien und Wetterkatastrophen wie zum Beispiel Hitzewellen, Hochwasser oder Überschwemmungen, aber auch um Cyber- und Terrorangriffe, Angriffe auf kritische Infrastruktur, hybride Bedrohungslagen bis hin zu möglichen militärischen Konflikten.

Bei der Vorstellung wurde auch über die Möglichkeit des Nato-Bündnisfalles gesprochen, in dem Deutschland zur „Drehscheibe für die Verbringung von Soldaten und Material in die Kampfgebiete“ würde. Dabei müssten auch täglich bis zu 1000 Kriegsversehrte hier im Land in Kliniken – als Teil des Zivilschutzes – gesundheitlich versorgt werden. Für die Hauptstadt würde das täglich bis zu 100 Kriegsversehrte bedeuten.

Ja, wir können Krise.

Dass der Aufbau eines zivilen Verteidigungssystems mit ausreichend Personal sowie materiellen Ressourcen – mit Blick auf die besonderen Herausforderungen, denen sich die Krankenhäuser in diesem Kontext stellen müssen – Geld kostet, ist allen Anwesenden klar. Schreiner ist der Auffassung, dass die 1,5 Prozent aus dem Sondervermögen Infrastruktur für zivile Verteidigung und Resilienz auch für die Ertüchtigung der Krankenhäuser genutzt werden könnten und sollten. Staatssekretärin Ellen Haußdörfer versichert, dass auch Maßnahmen des Rahmenplans im Berliner Haushalt, der kommende Woche verabschiedet werden soll, mitgedacht wurden. Sie ist sich sicher: „Ja, wir können Krise. Und mit dem Rahmenplan können wir es noch besser.“

Die Arbeitspakete für die kommende Zeit sind nun geschnürt und alle Beteiligten – inklusive der Berliner Krankenhäuser – machen sich ab heute auf den Weg, den Rahmenplan umzusetzen.

Hintergrund

Die Senatsverwaltung für Wissenschaft, Gesundheit und Pflege (SenWGP) hat zusammen mit der Berliner Krankenhausgesellschaft, der Bundeswehr und zwölf ausgewählten Berliner Krankenhäusern als erstes Bundesland ein Arbeitspapier erarbeitet. Es soll als Basis für Maßnahmen dienen. Allerdings sind sowohl die Bundesländer als auch der Bund in der Pflicht, die Bevölkerung – wie im Koalitionsvertrag vereinbart – für das Thema Prävention zu sensibilisieren.

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