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TelemedizinAlle warten auf das Geld der Kassen

In Zeiten von mehr chronisch Kranken und weniger Ärzten gilt Telemedizin als Technologie der Zukunft. Trotzdem hinkt Deutschland anderen Ländern hinterher. Die Politik stellt erst jetzt die nötigen Weichen.

Die Briten wollen in den nächsten fünf Jahren drei Millionen chronisch Kranke telemedizinisch versorgen, die Dänen stellen demnächst fast elf Millionen Euro für die Stärkung der Telematik bereit. Selbst in China ließen sich mehr als eine halbe Million Senioren rund um Peking im Massen-Screening die Augen telemedizinisch testen. Während die Politik vor allem in den USA und Skandinavien die Möglichkeiten der Fernbehandlung stark fördert, drechselt der deutsche Gesetzgeber noch am rechtlichen Klein-Klein. Geklärt sind weder die Vereinbarkeit mit dem Fernbehandlungsverbot noch der Datenschutz und die Langzeitfinanzierung. "Resultat ist eine Vielzahl unterschiedlicher Einzelprojekte, die nach der Pilotphase scheitern, weil sie kein Geschäftsmodell zur nachhaltigen Finanzierung haben”, sagt Britta Böckmann, Professorin für Medizinische Informatik an der FH Dortmund. "Eine IT-Infrastruktur über alle Sektoren fehlt ebenfalls.”

IT-Infrastruktur über alle Sektoren fehlt
Maximalversorger könnten zusätzliche Einnahmequellen erschließen, indem sie mit Teleradiologie oder Schlaganfallkonsilen ihre Infrastruktur besser nutzen sowie Einweiser und Patienten binden. Kleinere Häuser könnten sich mit Schwerpunktkliniken vernetzen und so eine hochqualifizierte Betreuung bieten, ohne dass rund um die Uhr ein teurer Spezialist vor Ort sein muss. Radiologen könnten MRT-Bilder für eine Zweitmeinung austauschen oder sie zur Weiterbildung nutzen. Chronisch Kranke wie Diabetiker und Asthmatiker werden kontinuierlich betreut, ohne dass sie zum Arzt müssen. Schlaganfall-Patienten gewinnen Zeit, wenn schon aus dem Notarztwagen Befundbilder zur Klinik geschickt werden. All das erhöht die Qualität der Behandlung, verbessert die Arbeitsabläufe und spart der gesetzlichen Krankenversicherung Geld. Doch die Kassen haben Angst, dass die Kosten für die Telemedizin ausufern könnten.

"Ich erwarte einen Schub für Telemedizin”, sagt Britta Böckmann angesichts dieser Vorteile. Sie setzt aufs Vorbild der Schlaganfallkonsile, die seit Januar 2011 als einzige Tele-Anwendung eine reguläre OPS-Ziffer haben. Auch Wolfgang Loos, geschäftsführender Vorstand der DGTelemed, ist zuversichtlich: "Der Weg in die Regelversorgung ist weit, aber nicht unerreichbar. Gerade Telemonitoring hat sich bewährt. Es wäre ein Unding, wenn‘s da nicht mit der Regelversorgung klappen sollte.” Zum Deutschen Ärztetag 2010 wurden erste Leitlinien formuliert. Es folgte die eHealth-Initiative des BMG, das Ende 2012 ein Portal mit Empfehlungen zur Gründung von Netzwerken online stellen will. Telemedizin weite sich damit von Vorreiterländern wie Nordrhein-Westfalen auf den Bund aus, hofft Loos.

Es bewegt sich etwas
Die Großstudie "Partnership for the heart” an der Berliner Charité bewies erstmals differenziert den Nutzen der Telemedizin für Herzkranke. Studienleiter Friedrich Köhler wertete die Studie, an der 710 Patienten teilnahmen, als Erfolg: "Die Zahlen belegen, dass Telemedizin keine Technikspielerei ist, sondern manchen Patienten enorm hilft.” Aktuell stellen Politik, Kassenärztliche Vereinigungen und Kassen mit dem 2012 in Kraft getretenen GKV-Versorgungsstrukturgesetz die Weichen für eine flächendeckende Fernversorgung. Erstmals ist der Begriff "Telemedizin” in einem Gesetz verankert. Bis spätestens 31. Oktober prüft der Bewertungsausschuss, in welchem Umfang ambulante Leistungen zum gleichen Geld oder weniger telemedizinisch erbracht werden können. Auf dieser Grundlage fällt bis zum 31. März 2013 die Entscheidung, welche in den Einheitlichen Bewertungsmaßstab aufgenommen werden.

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