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PharmaBiotech-Firmen im Visier

Die Krebsmedizin gilt als eine Art El Dorado der Pharmabranche.Neu entwickelte Medikamente versprechen Wachstum. Pharmariesen nehmen jetzt verstärkt Biotech-Firmen ins Visier, denn Patente laufen aus, und Forschung kostet viel Geld.

Für Marijn Dekkers ist es einer der größten Zukäufe als Vorstandschef des Bayer-Konzerns: die Akquisition des norwegischen Krebsspezialisten Algeta für 1,9 Milliarden Euro. Der Erwerb des Unternehmens, mit dem die Leverkusener schon länger in der Krebsforschung zusammenarbeiten, ist ein weiterer Baustein in der Strategie, Bayer im Pharmageschäft nach vorn zu bringen. Tatsächlich hat der Konzern in den vergangenen Jahren in der Sparte Boden gut gemacht. Noch bei der Vorlage der Quartalszahlen im November freute sich die Führungsriege über die "hervorragende Umsatzentwicklung der neuen Pharma-Produkte", von welchen das Unternehmen zusammen mehr als 5 Milliarden Umsatz erwartet - darunter die Krebsmittel Xofigo (Prostata-Karzinom) und Stivarga (Magen- und Darmtumor). Dass Bayer nun ausgerechnet Algeta übernimmt, kommt nicht von ungefähr. Die Norweger kooperierten schon länger mit den Deutschen bei Entwicklung von Xofigo.

Im Pharmageschäft steht aber nicht nur Bayer, sondern die gesamte Branche vor großen Herausforderungen. Bis zum Jahr 2020 erwarten Experten von PricewaterhouseCoopers (PwC) einen Anstieg des Pharmamarktes auf ein Volumen von 1,3 Billionen US-Dollar. Treiber sind vor allem eine wachsende Nachfrage in den Schwellenländern Asiens sowie in Brasilien, Mexiko und Russland. Sorgen bereiten den Herstellern indes auslaufende Patente und die Zurückhaltung der Behörden bei der Zulassung teuer entwickelter Arzneimittel. Folge: Umsätze und Margen drohen einzuknicken. In einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young aus dem vergangenen Jahr zu den größten Pharmakonzernen der Welt heißt es ernüchternd: "Schwaches Wachstum, sinkende Gewinne - big Pharma stagniert." Durch die Patentklippe - also das Auslaufen von Exklusivrechten bei der Produktvermarktung - drohten in den kommenden Jahren Umsatzeinbußen in einer Größenordnung von 150 Milliarden US-Dollar.

Die Unternehmen versuchen gegenzusteuern. Eine Strategie ist die Übernahme von kleinen und mittleren Biotech-Firmen. Der Pharmariese Sanofi aus Frankreich beispielsweise schluckte 2011 den Biotech-Spezialisten Genzyme, der Schweizer Roche-Konzern 2009 für 47 Milliarden US-Dollar den Biotech-Anbieter Genentech. 2013 verstärkte sich der weltgrößte Biotech-Konzern Amgen mit der Nummer drei der Branche, Onyx, und die britische AstraZeneca erwarb die US-Firma Amplimmune.

"Das Auslaufen des Patentschutzes für Medikamente mit Milliardenumsätzen hat das Interesse der Pharmabranche an Biotech-Unternehmen in den vergangenen Jahren nochmals verstärkt", resümiert Pharmaexperte und PwC-Berater Volker Fitzner. Die eigene Produkt-Pipeline sei oft nicht stark genug, um wegbrechende Umsätze nach dem Auslaufen des Patentschutzes und dem Markteintritt von Nachahmer-Medikamenten (Generika) zu kompensieren. Fitzner: "Es gibt immer mehr Biotech-Unternehmen mit hoffnungsvollen Projekten in späten klinischen Phasen."

Besonders begehrt sind dabei Krebsarzneien. Wegen bislang begrenzter Therapieerfolge in der Onkologie und der demografisch bedingten Zunahme von Krebserkrankungen könnten die Unternehmen, so die Hoffnungen, mit biotechnologisch entwickelten Produkten höhere Preise verlangen und somit Wachstum generieren. Und das bringt Geld und Rendite. Zwischen 2012 und 2018 soll nach Expertschätzung der Markt für Krebsmedikamente von weltweit 80 Milliarden US-Dollar (59 Mrd Euro) bis auf ein Volumen von 130 Milliarden Euro ansteigen.

Fitzner sieht noch eine weitere Tendenz in der Pharmabranche: "Das Blockbuster-Zeitalter geht dem Ende zu", meint er. Nicht länger wenige Produkte mit Massenabsatz und Milliarden-Erlösen, sondern die personalisierte Medizin mit passgenauen Medikamenten und speziellem Nutzen für einen kleinen Patientenkreis rückten in den Mittelpunkt.

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