Wenn es in einem Krankenhaus mitten im Ruhrgebiet ein wenig so aussieht wie in einer amerikanischen Arztserie, dann liegt das an einem neuen Trend: Einige besonders modebewusste Krankenschwestern sind es leid, in der Kleidungsausgabe ihrer Klinik nur zwischen den zwar gemütlichen, aber immer etwas zerknitterten Baumwollkasacks und den neuen Kitteln aus Polyestergemisch wählen zu können, die etwas mehr Chic haben, sich aber "wie Plastik anfühlen”. Also wird bestellt: in Amerika, per Direktversand, auf eigene Kosten. Kasacks wie in "Grey‘s Anatomy”, Shirts wie aus "Scrubs”. Gewaschen werden die Teile zu Hause. Das ist zwar nicht üblich und schon gar nicht erlaubt, aber die Mitarbeiter machen es trotzdem. "Wir wollen eben schick aussehen und es zugleich bequem haben”, sagt eine, die ihren Namen nicht veröffentlicht sehen will. "Die Teile sind hübsch, haben freundliche Farben und sind aus sehr leichtem Material gewebt.”
Mehr Farben und Taille
Dass Funktionalität und modischer Chic bei Berufsmode einander nicht ausschließen, entdecken auch immer mehr europäische Anbieter und begegnen, wie ein Blick in deren Kataloge zeigt, dem neuen Bedarf: Clinic Dress etwa hält Kasacks in bis zu fünfzehn verschiedenen Farben vor – von traditionellem Weiß über Gelb, Koralle und Burgund bis hin zu Marineblau. Modische Raffinesse stecken die Osnabrücker Designer aber vor allem in ihre Schnitte: leicht taillierte Passformen finden sich hier ebenso wie schräg verlaufende Druckknopfleisten am Ausschnitt oder sogar Kasacks mit Reißverschluss.
"Die große Herausforderung für uns Hersteller ist, optisch ansprechende Schnitte zu kreieren, die dann aber auch noch bequem sind”, erklärt Mechthild Röhm, Mitglied der Geschäftsleitung von MIP Europe. "Als wir vor sechs Jahren unsere Kollektion ganz neu aufgestellt haben, tüftelten wir lange an den richtigen Passformen.” Jede Größe wurde in ihren Relationen in Länge und Weite so lange verändert, bis die richtige Bewegungsfreiheit fürs Arbeiten gefunden war. "Enge Kasacks mit zu engen Armkugeln lassen sich zum Beispiel nicht verkaufen, weil sich darin keine Pflegekraft vernünftig bewegen kann.” Ähnliches gilt für Hosen. "Wir haben jetzt für Pflegekräfte eine Hose in Anlehnung an die derzeit angesagte Röhrenjeans entwickelt. Aber auch hier mussten wir darauf achten, das Hosenbein nicht gar zu eng zu schneidern, sondern etwas Luft zu lassen – immerhin wird darin ja zum Teil auch körperlich schwer gearbeitet.” MIP hat sich deshalb extra mit einer Designerin aus dem Sportswear-Bereich zusammengetan.
Oder doch lieber praktisch und unisex?
Joachim Gröger, der Betriebsleiter des Wäschedienstleisters Betriebsgesellschaft Duisburger Krankenhäuser (BDK), steht dem Ruf nach mehr Mode skeptisch gegenüber. Zwar hört auch er unter seinen Mietkunden immer öfter den Wunsch nach "diesen Sonderformen”, wie er die neuen Modeentwicklungen nennt, also taillierter Schnitt, schicker Kragen, abgesetzte Farben an Kragen oder Brusttasche. "Aber ich erkläre dann erst mal, welche Probleme diese Details mit sich bringen können.” Beispiel Farbakzente: Wird etwa der Kragen an einem weißen Kasack in einer dunklen Farbe abgesetzt, färbt sich das nach Meinung von Gröger nach und nach immer mehr auf den Rest des Kleidungsstücks ab. "Bei Pastelltönen mag das nicht so sein, aber je dunkler die Kontrastfarbe, desto weniger bleiben die Stücke schneeweiß. Das ist vielen nicht bewusst.” Auch bei taillierten Outfits rät er zur Vorsicht. "Es ist uns schon passiert, dass die von einer Klinik bestellt wurden, weil sie eben schick aussahen, dann aber wieder zurückkamen.” Zu unbequem, zu untauglich für die Arbeit auf Station, so das Feedback. Dann wolle man doch lieber Unisex-Modelle.
Kluge Hersteller befragen die Basis
Jürgen Patsch, Vertriebsleiter Gesundheit und Pflege bei CWS-boco Deutschland, kennt diese Probleme nicht: "Unsere Kleidungsstücke werden, bevor sie in die Vermietung gehen, massiv geprüft. Da färbt nichts ab.” Auch die Schnitte erprobt der hessische Textilversorger, dessen Kleidungsstücke im konzerneigenen Unternehmen Eurodress hergestellt werden, erst mal ausgiebig. "Wir achten darauf, dass unsere Modelle weder unförmig ausfallen, noch hauteng anliegen. Dazu arbeiten wir sehr eng mit unserer Zielgruppe zusammen, fragen etwa auf Messen Bedürfnisse und Wünsche ab und bieten unsere Mode zum Probetesten an, um Rückmeldungen zu bekommen.”
Von zu weiten Ausschnitten und zu engen Poloshirts
Und so bleibt es wohl das Erfolgsgeheimnis schlechthin: die Kunden zu fragen. Und zwar nicht die Einkäufer oder Klinikleitung, sondern jene, die der Kleidung täglich ausgeliefert sind. Dann passiert es auch nicht, wie jüngst in einem Düsseldorfer Krankenhaus, dass Tausende von Kasacks umgetauscht werden müssen, weil die Ausschnitte zu weit aufklappen, wenn sich die Schwestern zum Patienten hinunterbeugen. Dann weigern sich Ärzte auch nicht, wie derzeit in einem südhessischen Stadtkrankenhaus, die extra für sie angeschafften Poloshirts anzuziehen, weil diese so eng geschnitten sind, dass sie sich darin "fühlen wie hineingequetscht.” Und vielleicht werden dann Krankenschwestern auch nicht mehr Privatbestellungen nach Übersee schicken, um sich in ihrer Arbeitskleidung wohl zu fühlen.


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