Von traditionellen Schneidereiunternehmen, die ein Herzchen im Logo tragen, bis hin zu Konfektionsanbietern mit Twitter-Profil – die Berufsmode-Branche ist extrem bunt. Da gibt es etwa Güldi-Moden, die in Sachsen seit 22 Jahren Arbeitskleidung unter dem Slogan "Berufsbekleidung mit Herz” schneidern und die Kittel bei Bedarf mit Bienchen besticken. Oder Familienunternehmen wie den Wuppertaler Hersteller Dieckhoff, der 1931 Bekleidung aus Zellwollmusseline erfand und sich seither zu einem Anbieter von Kliniktextilien mit einem Jahresumsatz von 29 Millionen Euro entwickelt hat.
Marketing mit Facebook und Model-Casting
Aber den Zeitgeist präsentiert vermutlich am ehesten Clinic Dress, ein Geschäftsbereich der 600-Millionen-Euro schweren Kwintet-Gruppe. Sie macht mit – für den Markt – ungewöhnlichen Social-Media-Aktivitäten auf sich aufmerksam. Über Facebook hat Clinic Dress zuletzt die beliebtesten Farben für Pflegerkleidung abgefragt (Favorit: Beere, auf dem letzten Platz: Apricot), seine Follower zum Model-Casting gebeten und sie aufgerufen, ihr liebstes Kleidungsstück zu kreieren. Hier sollen junge Pflegekräfte langfristig für das Haus und seine Marke gewonnen werden.
Fast alle Kliniken vertrauen auf Vollversorger
Doch längst verkaufen die Textilproduzenten ihre Ware nicht mehr allein an Krankenhäuser. Ihr Hauptgeschäft machen sie heute vielmehr mit Textilserviceunternehmen, Dienstleistern also, die – je nach Ausrichtung und individuellem Vertrag – die Einrichtungen mit Berufskleidung, aber auch Stations- oder Patientenwäsche versorgen. Dabei übernehmen sie meist nicht nur die Bereitstellung, sondern auch gleich die Wäsche, Pflege und Reparaturen. Etwa 90 Prozent der Krankenhäuser haben ihre Wäscheversorgung heute schon ausgelagert, schätzt der Berater Hans Kehl. Das Essener Beratungshaus Healiz hat bei einer Analyse herausgefunden, dass der Gesundheitsmarkt einer der wichtigsten Zielmärkte für Textilservice-Unternehmen ist. "Rund zwei Milliarden Euro, das entspricht etwa einem Fünftel des Branchen-Gesamtumsatzes, erwirtschaften die Firmen europaweit mit der textilen Versorgung von Krankenhäusern und Pflegeheimen”, so Healiz-Geschäftsführerin Sherille Veira-Schnitzler. In Deutschland, dem Land mit hohem Ausschreibungsanteil, war der Health-Sektor 2011 mit einem Umsatz von 705 Millionen Euro sogar das zweitgrößte Marktsegment für Textilversorger.
400 Anbieter auf dem Markt
Die Branche stellt sich allerdings recht polypolistisch dar: Die sieben größten Textilservice-Unternehmen erzielen nach Angaben des Verbands Intex gemeinsam weniger als die Hälfte des gesamten Branchenumsatzes. Insgesamt tummeln sich nach Schätzung des Textilservice-Verbands etwa 400 Anbieter auf dem Markt. Viele von ihnen haben ihre Wurzeln im klassischen Wäschereibetrieb. Die Betriebsgesellschaft Duisburger Krankenhäuser (BDK) entstand zum Beispiel aus einer regionalen Kooperation ausgelagerter Krankenhauswäschereien. "Wir waren damals Vorreiter, als wir die Wäschereien zentralisiert haben”, sagt Joachim Gröger, Betriebsleiter Textile Systemversorgung bei der BDK. Heute stattet das Unternehmen 50 Krankenhäuser und Seniorenheime mit Miet- oder Leasingwäsche aus.
Ausschreibungen immer häufiger nur über den Preis
Kleinen Anbietern wie der BDK stehen große Vollversorger gegenüber, die neben Kliniken auch Industrie, Handwerk oder das Gaststätten- und Hotelgewerbe mit Berufsbekleidung beliefern. Alle kämpfen mit dem gleichen Problem: Sie können keine marktgerechten Preise durchdrücken. "Die Situation macht inzwischen der gesamten Branche zu schaffen”, klagt etwa Henrik Hylleberg Luxhøj vom Versorger Berendsen. "Bei öffentlichen Aufträgen gibt es eine immer stärkere Tendenz zur reinen Preis-Ausschreibung.” Zwar reift bei den Kliniken langsam die Einsicht, dass hochwertige Berufsbekleidung auch zum Image des Hauses beitragen kann, wie Marktforscherin Veira-Schnitzler berichtet. "Doch für die meisten Einkäufer sind Textilien noch immer Produkte mit geringer Bedeutung, bei deren Bezug noch immer stark nach Preisen geschaut wird, weniger nach Qualität.” Und das scheint schließlich auch ein Blick in die meistgenutzte Internetsuchmaschine zu bestätigen: Gibt der Suchende bei Google den Begriff medizinische Berufsbekleidung ein, setzt die Auto-Vervollständigung ein und ergänzt um ein offenbar in diesem Zusammenhang häufig gebrauchtes Adjektiv. Es lautet: günstig.


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