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Arab HealthGeldregen in der Wüste

Alljährlich findet in Dubai Ende Januar die Arab Health statt. Auf der zweitgrößten Gesundheitsmesse der Welt warb in diesem Jahr der Gesundheitsminister Philipp Rösler für die deutsche Medizintechnik. Erfolgsaussichten: hervorragend.

Es war einmal ein Öl-Multi, der schlenderte über die Arab Health und kaufte sich einen Perfusor, ein Venendruck- und ein Blutgasmessgerät, Monitore und diverse andere Apparaturen, die auf einer Intensivstation benötigt werden. Er ließ sie in seinem Privatflugzeug installieren und flog dahin zurück, wo er hergekommen war.

Niemand weiß genau, ob diese Geschichte stimmt. Es gibt aber auch niemanden, der sie entschieden ins Reich von Tausendundeiner Nacht verweisen würde. Seit 36 Jahren findet in Dubai die Arab Health statt und hat sich im Lauf der Zeit zur zweitgrößten Medizintechnikmesse der Welt nach der Medica gemausert. Mit weniger würde sich der Herrscher über das Emirat, Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, sicherlich auch nicht zufrieden geben. Dort, wo bis in die 50er Jahre nur ein paar arme Fischer und Perlentaucher lebten, hat er das höchste Gebäude der Welt errichten lassen, den 828 Meter hohen Burdsch Chalifa (Turm des Kalifen). Davor sprudeln Fontänen, die schöner sind als die berühmten Wasserspiele von Las Vegas und allabendlich Hunderte von Schaulustigen in ihren Bann ziehen. In der Mall of the Emirates, für viele die schönste Einkaufspassage Dubais, gibt es einen künstlichen Skihang mit der einzigen schwarzen Indoor-Piste der Welt. Die Dubai Mall wiederum wirbt mit einer Kunsteisbahn olympischen Ausmaßes und einem Aquarium, in dem 33.000 Meerestiere leben und Haie über den Köpfen der Besucher durchs Wasser schweben.

Gesundheitswirtschaft des Orients boomt

Diese Selbstinszenierung als Ort der unbegrenzten Möglichkeiten beruht nicht nur auf Größenwahn. Dubai hatte nie viel Öl, und demnächst wird es ganz versiegen. Damit die Stadt dann nicht auf dem Trockenen sitzt, baut das Fürstenhaus auf den Tourismus. Und hier schließt sich der Kreis zur Arab Health: Dieses Konzept würde ohne ein funktionierendes Gesundheitswesen nicht aufgehen. Deshalb und damit wohlhabende Araber nicht länger außer Landes fliegen, um sich beispielsweise in deutschen Krankenhäusern behandeln zu lassen, investiert der Scheich in den Ausbau medizinischer Einrichtungen. Die Life Science Nord Agentur schätzt, dass sich die Gesundheitsausgaben der Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) und Saudi-Arabiens bis 2025 auf 60 Milliarden US-Dollar erhöhen werden. Vor acht Jahren wurde Dubai Healthcare City aus dem Boden gestampft, eine Freihandelszone für medizinische Einrichtungen und Unternehmen der Gesundheits- und Pharmaindustrie. Auch in Abu Dhabi, Ras al Khaima und Qatar werden gerade Krankenhäuser gebaut. Saudi-Arabien hat einen Masterplan verabschiedet, der die Errichtung von insgesamt 2000 Krankenhäusern im gesamten Königreich vorsieht.

Türöffner in den Wachstumsmarkt

Die Arab Health ist das Eingangstor in den mittleren Osten und in die Länder Afrikas und Asiens. Das sieht auch Philipp Rösler so: "Die Arab Health ist der Türöffner für den wirtschaftlichen Erfolg der deutschen Gesundheitswirtschaft in einem der wichtigsten Wachstumsmärkte. Politische Begleitung kann diesen Prozess aktiv fördern", sagt er, der als erster deutscher Bundesgesundheitsminister die Messe in Dubai persönlich besichtigte. Gemeinsam mit Scheich Hamdan Bin Rashid Al Maktoum, dem Bruder und Stellvertreter des Herrschers von Dubai, schlenderte er über die Arab Health und informierte sich über die Angebote der deutschen Aussteller. Deutschland und die Vereinigten Arabischen Emirate wollen ihre Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Gesundheitswirtschaft weiter ausbauen, erklärte er und unterzeichnete gemeinsam mit dem Gesundheitsminister der VAE, Hanif Hassan Ali, am Rande der Messe eine entsprechende Absichtserklärung. Vor allem bei der Telemedizin und der Krankenhausplanung wollen die Länder verstärkt kooperieren. So startete beispielsweise das Diabetes-Institut Karlsburg aus Mecklenburg-Vorpommern mit der Universität von Ajman ein Pilotprojekt, in dessen Rahmen das Diabetesmanagement in den VAE implementiert werden soll. Die Initiative Gesundheitswirtschaft der rheinland-pfälzischen Landesregierung arbeitet mit dem Rashid-Hospital in Dubai zusammen, um die Schlaganfallversorgung im Emirat - angefangen bei der Prävention bis hin zur Rehabilitation - zu optimieren.

"Die Arab Health ist ein Muss für Medizintechnikunternehmen, die in der Region Fuß fassen möchten", sagt auch Markus Braun, Erster Vorsitzender der German Healthcare Export Group (GHE), einem Verband, der Medizintechnikunternehmen in ihren weltweiten Exportbemühungen unterstützt. Der Scheich gilt als technologieaffin, und gerade die deutsche Medizintechnik genießt ebenso wie das deutsche Gesundheitssystem einen tadellosen Ruf. Deutschland ist noch vor China die größte Ausstellernation auf der Orient-Messe. Der deutsche Pavillon beherbergte auf 3400 Quadratmetern 332 Aussteller. Dazu kamen auf weiteren 2500 Quadratmetern zahlreiche deutsche Stände außerhalb des deutschen Pavillons. 400 Quadratmeter davon hatte allein Siemens belegt. Der Konzern tritt in Dubai als einer der Hauptsponsoren auf. "Selbst während der weltweiten Krise war das Bruttosozialprodukt positiv. Hohe Ölpreise sind das Fundament, um die Wachstumspläne der hiesigen Staaten und ihrer Regierungen umzusetzen", begründet Siemens-Sprecherin Uta Apel das Engagement ihres Unternehmens in der Golfregion. "Die Nachfrage nach Infrastruktur ist in allen Bereichen, in denen Siemens aktiv ist, hoch: In den VAE haben wir zum Beispiel kürzlich für die Investmentgesellschaft der Regierung von Abu Dhabi, Mubadala Healthcare, ein komplettes Molecular Imaging Center in Al Ain mit modernster PET/CT-Technik ausgestattet."

Weniger deutsche Aussteller als im Vorjahr

Trotz dieser rosigen Aussichten ist die Zahl der deutschen Aussteller aufgrund gestiegener Standpreise im Vergleich zum Vorjahr um etwa zwölf Prozent zurückgegangen. Möglicherweise verstärkt sich dieser Negativtrend noch, fürchtet Michael Löffler von Tradex-Services, der auf der Arab Health den Deutschen Pavillon organisiert. Das Bundeswirtschaftsministerium hat angekündigt, die Aussteller ab 2012 vermutlich nicht mehr zu subventionieren. "Dabei werden hier noch richtige Geschäftsabschlüsse gemacht", urteilt Löffler. "Die Arab Health ist zwar kleiner als die Medica, aber dafür gibt es in Dubai auf weniger Quadratmetern mehr zu sehen." Nicht nur darin unterscheiden sich die Medica und die Arab Health.

Reinhold Voss, der für das Unternehmen Dräger in Dubai Infrastrukturprojekte im Mittleren Osten, Afrika und Südasien koordiniert, findet die Arab Health internationaler als die europäisch geprägte Medica. Das liegt nicht nur daran, dass jeden Tag um zwanzig vor vier der Gesang eines Muezzins durch die Messehallen tönt. "Weil sich alle in einer Fremdsprache verständigen müssen, ist die Kommunikation hier offener und weniger formal", so Reinhold Tokar, Geschäftsführer von Thieme Compliance. Zum dritten Mal unterhält sein Unternehmen einen Stand auf der Arab Health und informiert über Patientenaufklärungsbögen und -filme. Vom regen Zulauf in diesem Jahr ist Tokar selbst überrascht, sortiert einen dicken Stapel Visitenkarten von Gesprächspartnern, die er getroffen hat: Sie sind aus dem Iran, Jemen, Oman, Kenia.

Das passt zur Einschätzung Löfflers: "Die diesjährige Arab Health ist die bestlaufende Messe seit zehn Jahren. Die Aussteller sind alle sehr zufrieden." Möglicherweise trägt dazu auch das Gefühl bei, in eine völlig andere Welt einzutauchen. Die Arab Health veranstaltet für ihre Aussteller am ersten Abend immer einen großen Empfang, unter freiem Himmel direkt am Meer - das hat was. Bauchtänzerinnen dürfen dabei nicht fehlen. Die sind zwar so unecht wie ihre Brüste, kommen in der Regel aus Russland und bewegen sich ein bisschen "itchy", wie ein Mann aus dem Iran beklagt, "weil sie den Text nicht verstehen und deshalb nicht wissen, dass sie dazu tanzen müssten wie eine Welle bei einer milden Brise." Schön sind sie trotzdem - und damit ist in Dubai viel gewonnen.

Diesen und weitere interessante Beiträge lesen Sie in der aktuellen kma-Ausgabe Februar 2011.

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