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MarkttrendsGoldgräberstimmung

Der Telemedizinmarkt ist schwierig. Bisher investieren Firmen wenig, aber sie bringen sich in Stellung.

Der Siegeszug der Telemedizin ist nicht aufzuhalten”, triumphierte DB Research vor zwei Jahren. Der Umsatz könne europaweit im Schnitt um zehn Prozent pro Jahr auf 19 Milliarden Euro bis zum Jahr 2020 wachsen, während die Gesundheitsausgaben bloß halb so schnell zunähmen. Damals wie heute stimmen in Deutschland aber auffallend wenige Akteure aus Industrie und Klinik in den Jubel ein. Denn der junge Wachstumsmarkt wird aus mehreren Gründen gebremst. Die Industrie ist fragmentiert und gespalten: Auf der einen Seite stehen 5.000 bis 6.000 kleine und mittelständische Betriebe, auf der anderen die Healthcare-Sparten der Großkonzerne wie Bosch, Siemens, Philips und GE. Den Kleinen kommt zugute, dass sie sich auf wenige Geräte oder Plattformen spezialisieren und flexibel auf die unterschiedlichen Bedürfnisse von Krankenhäusern, Arztpraxen oder Klinikverbünden anpassen können. Ihre Innovationen vor allem im Telemonitoring treiben den Markt voran. Sie bauen aber zumeist Insellösungen, die mit den anderen selten kompatibel sind. Dieser Schnittstellen-Mangel läuft den Anforderungen einer intersektoralen Vernetzung entgegen. Zudem fehlt das Geld für Evaluierungsstudien. Die Mehrheit der 288 Telehealth-Projekte, die in 120 Kommunen laufen oder beendet wurden, wird nur zeitlich befristet durch Land und Bund gefördert oder über Integrierte Versorgungsverträge mit Kassen, vorrangig AOK und TK, finanziert.

Telekom soll großen Roll-out planen
Auf der anderen Seite halten sich die Technologiekonzerne auffallend zurück. Seit kaum ein, zwei Jahren trauen sich erste aus der Deckung. "Die wollen nicht voll einsteigen, aber zumindest als First Mover wahrgenommen werden, falls der Markt doch noch durchstartet”, beobachtet Sven Jansen, Director Consulting & Transformation bei I-Soft. Der Mannheimer Healthcare-IT-Anbieter zählt seit der Fusion mit CSC heute quasi selbst zu den Großen. E-Health-Produkte bieten die Firmen als Teil einer Systemlösung an. "Telemedizin im engeren Sinne decken wir nicht ab, aber den Vernetzungsaspekt mit unserer E-Health-Lösung Soarian Integrated Care”, sagt etwa Stefanie Schiller von Siemens Healthcare. Andere holen sich wie die Telekom, die dem Hörensagen nach 2013 einen großen Roll-out wagt, einen Drittanbieter für die Geräte dazu. "Politische Entscheider haben die große Chance für intelligente Telemedizinprogramme vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und zunehmenden Fachkräftemangels erst jetzt erkannt”, begründet Ralf von Baer, Geschäftsführer von Bosch Healthcare, die schleppende Marktentwicklung. Vielen Patienten leuchtet gerade das Telemonitoring indes schon ein. "Ich bin flexibler und sicherer”, beteuerte Detlef Bülow, Teilnehmer der "Partnership for the heart”-Studie, auf einem Symposium der Bundesärztekammer. Lob fand der Herzinfarkt-Patient für die Benutzerfreundlichkeit des Remote Patient Monitoring Systems: "Ein Geldautomat ist manchmal schwieriger zu bedienen.” Das sah auch die DGTelemed und vergab den "Karl Storz Telemedizinpreis” 2011 an das Konsortium des kardiovaskulären Projekts. Aipermon, 2005 als Spin-off von Infineon gegründet, entwickelte die Technologie zur Übertragung der Vitalparameter in die elektronische Patientenakte, während Bosch Healthcare die Systemintegration verantwortet.

Für die Kleinen bleiben Nischen
Die Goldgräberstimmung dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen, glaubt Klaudia Kohl, Marketing Managerin bei Vitaphone: "Durchsetzen werden sich dann wahrscheinlich Firmen mit breitem Produktportfolio, während sich kleinere in Nischen zurückziehen. Die wachsende Zahl an Klinikketten verlangt über das reine Telematik-Gerät hinaus übergreifende Managed Services.” Die Geräte und Plattformen dafür gibt es längst. "Das Stadium der Kinderkrankheiten haben wir hinter uns”, sagt Sven Jansen von I-Soft. "Die Frage lautet nicht mehr: Können Technologien Fuß fassen? Sondern: Wie kommen Industrien in den Markt?” Wegweisend ist der Teleradiologieverbund Ruhr, seit Januar 2012 im Regelbetrieb. Derzeit sind knapp 50 Kliniken und Praxen vernetzt. 2013 sollen es 100 Teilnehmer in dem mit über fünf Millionen Einwohnern größten Ballungsraum Deutschlands sein. Gerade werden die Vorbereitungen getroffen, um Anwendungsszenarien wie Schwerverletztenversorgung und Schlaganfallnetzwerke zu integrieren. Außerdem rollt sich der Verbund in Richtung Rheinland, Sauerland und Ostwestfalen aus.

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