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Kasack-EinkaufHören Sie auf Ihre Mitarbeiter!

Mitbestimmung – wer sich über diese Regel beim Einkauf von Berufsbekleidung hinwegsetzt, kann böse Überraschungen erleben. Mitarbeiter, so zeigt sich immer wieder, sind wenig kompromissbereit bei Design und Gewebe.

Personalräte kämpfen ja gemeinhin um manch wichtige Mitarbeiterinteressen. Um höhere Gehälter etwa oder um bessere Arbeitsbedingungen. Im Uniklinikum Essen entzündete sich allerdings jüngst ein Streit um ein besonders unschuldig wirkendes Detail: um Brusttaschen, fehlende. 14.000 neue Kasacks hatte die Klinik für ihre Pflegekräfte bestellt, aus einem pflegeleichten, luftigen Material, in den Corporate-Farben der Einrichtung – blau-weiß-gelb. Und eben: ohne die praktischen aufgenähten Täschchen. Eine bewusste Entscheidung mit Hintergedanken, munkelten prompt die Angestellten: "Statt der Tasche hat man nun eine Schlaufe anbringen lassen, in der Hoffnung, die Pflegekräfte würden dadurch freiwillig ihren Dienstausweis häufiger tragen”, sagt etwa einer. Und auch Personalrat Stephan Gastmeier, selbst gelernter Krankenpfleger, kritisiert: "An dieser Schlaufe können die Pfleger, aber auch die Patienten böse hängen bleiben und sich verletzen.” Außerdem werde die Brusttasche dringend benötigt. Gastmeier: "Kugelschreiber, Notfalltelefon, Taschentuch – das muss doch alles irgendwo verstaut werden.” Am Klinikum folgten wochenlange Diskussionen, ein Ausschuss wurde gebildet, Krisensitzungen abgehalten.

Debakel am UK Essen
Die Anekdote zeigt, wie sensibel das Thema Berufsbekleidung ist. "Das sind ja schließlich Kleidungsstücke, die wir täglich tragen, mit denen wir ständig in Berührung, quasi auf Tuchfühlung sind”, sagt die Essener Krankenschwester Gülay Yanik. "Die Kleidung kann uns in unserer Arbeit unterstützen, aber im schlimmsten Fall eben auch behindern.” Oder einfach kräftig auf die Nerven gehen. Etwa wenn das Material kratzt, der Mitarbeiter darin unnötig schwitzt, oder – auch das kam in Essen vor und befeuerte die Auseinandersetzungen – Hautirritationen auftreten.

Reine Baumwolle bleibt ein Traum
"Ich würde jedem empfehlen, gerade für Berufsmode reine Baumwollstoffe zu wählen”, sagt der Textilexperte Hans Kehl, der Gesundheitseinrichtungen bei ihrer Wäsche- und Kleiderversorgung berät. "Aber der hohe Pflegeaufwand, den dieser Stoff nach sich zieht, vor allem das Bügeln in Handarbeit, bedeutet ja Zusatzkosten – das können sich die meisten Häuser kaum leisten.” Stattdessen greifen Hersteller von Berufsmode heute größtenteils zu Mischgeweben. Als Kompromiss konnte sich in den letzten Jahren ein Textil aus 35 Prozent Baumwolle und 65 Prozent Polyester durchsetzen. "Hier einigt man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner”, sagt Kehl. "Gerade so viel Polyester, dass das Bügeln entfällt, und ein wenig Baumwolle, dass der Träger nicht allzu sehr schwitzt.” Aber es gibt auch Stoff-Innovationen. Etwa ein Textil, das so gewebt ist, dass der Baumwollfaden auf der dem Körper zugewandten Stoffseite verläuft und das Polyester nur die äußere Seite des Kleidungsstücks bedeckt. Innen Natur, außen Kunstfaser. Von diesem Gewebe ist zum Beispiel Joachim Gröger von der Betriebsgesellschaft Duisburger Krankenhäuser (BDK) angetan. Das Unternehmen versorgt 25 Krankenhäuser mit Berufskleidung und Wäsche, seit zwei bis drei Monaten ausgewählte Häuser testweise auch mit Kleidungsstücken aus eben diesem Stoff. "Das kommt die Häuser etwa 40 bis 50 Cent pro Stück teurer – aber die erste Resonanz der Pfleger auf den Tragekomfort ist sehr gut”, so Gröger.

Auch im Uniklinikum Essen werden derzeit neue Kasacks Probe getragen. Nach dem Debakel der letzten Monate will man jetzt stärker auf die Pflegekräfte hören: In kleineren Gruppen testen sie derzeit mehrere Modelle verschiedener Hersteller auf Tragegefühl, Sitz, Praktikabilität, Durchsichtigkeit. Erst dann sollen die finalen Oberteile bestellt werden. Eines steht schon heute außer Frage: Brusttaschen werden sie vermutlich alle haben.

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