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KrankenhausinformationssystemeKIS-Markt erhält neuen Schub durch KHZG

Nach einem turbulenten Vorjahr mit dem Ausstieg von Agfa, dem Einstieg von Dedalus und einer Teilübernahme der Cerner-KIS-Sparte durch die CompuGroup ist vorläufig wieder Ruhe in den KIS-Markt eingekehrt. Derzeit profitieren alle Hersteller vom KHZG-Geldregen. Lange wird die Ruhe nicht halten. 

KIS-Markt 2021
Thieme Group
Der KIS-Markt 2021.

1. Dedalus: Neuer Marktführer legt weiter zu

Das italienische Unternehmen ist seit der Übernahme sämtlicher Healthcare IT-Aktivitäten von Agfa im vergangenen Jahr neuer Marktführer im deutschen KIS-Markt. Dedalus hatte für die Übernahme der Agfa-Healthcare-Sparte in Deutschland, Österreich, der Schweiz, Frankreich und Brasilien stolze 975 Millionen Euro bezahlt – finanziert vom Hauptanteilseigner Ardian, dem größten Private Equity-Unternehmen in Europa. Ein Jahr nach der Übernahme zieht man bei Dedalus nun eine erste positive Bilanz, man sei „hochzufrieden“, heißt es aus der deutschen Unternehmensniederlassung in Bonn. Das Jahr 2020 habe die Erwartungen von Dedalus „bei Weitem übertroffen“, man sehe sich in Deutschland in der Rolle eines Antreibers, der die Krankenhäuser ins Zeitalter des neuen Gesundheitssystems begleite, sagt DACH-Geschäftsführer Winfried Post.

Der Health-IT-Konzern mit Hauptsitz in Florenz hat im vergangenen Jahr 20 neue Kunden für sein ORBIS-KIS gewinnen können, insgesamt sind derzeit 830 KIS-Systeme in deutschen Krankenhäusern installiert. Doch das Geschäft boomt auch in anderen Bereichen der Health-IT, zum Beispiel in der Radiologie und der Kardiologie. Dort verzeichnete das Unternehmen nach eigenen Angaben den höchsten Auftragseingang aller Zeiten.

Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz im Klinik-IT- und Imaging-Geschäft 222 Millionen Euro, die DACH-Sparte steuert rund ein Drittel zum Gesamtumsatz des Unternehmens bei. Die Integration der früheren Agfa- Sparte stellt zwar einen enormen Aufwand dar, verläuft bislang aber ruhig und geräuschlos. Vielleicht auch, weil Dedalus als reines Health-IT-Unternehmen mit Health-IT-Themen vertrauter ist als bislang die Führungsetagen des Mischkonzerns Agfa Gaevert. Investor Ardian steckt weiterhin viel Energie in den Ausbau von Dedalus zum europäischen Marktführer. Im April übernahm das Unternehmen für 450 Millionen US-Dollar die Health-IT-Sparte von DXC Technology – und wurde damit nun auch zu einem der führenden Player im britischen Health-IT-Markt.

2. CompuGroup: Aufstieg zur Nummer zwei

Die CompuGroup Medical SE & Co. KGaA (CGM) ist ein börsennotiertes Unternehmen, die Marktkapitalisierung beträgt rund 3,6 Milliarden Euro (Stand: Anfang Mai 2021). Das weltweit tätige Unternehmen erzielte 2020 einen Umsatz von 837 Millionen Euro. Der Koblenzer Konzern ist im vergangenen Jahr mit der Übernahme der Cerner KIS-Systeme Medico, Soarian Integrated Care, Selene (Spanien) sowie Soarian Health Archive zur Nummer zwei im deutschen KIS-Markt aufgestiegen, dafür legte CGM die Summe von 203 Millionen Euro auf den Tisch. Das Unternehmen ist nun in 350 Akut- und rund 500 Rehakliniken mit seinen Produkten vertreten. Die KIS-Sparte erzielte im vergangenen Jahr einen Umsatz von 187 Millionen Euro, was einem Umsatzwachstum von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Umsatzsprung dürfte jedoch zum überwiegenden Teil der Übernahme geschuldet sein.

Neben dem ausgebauten KIS-Geschäft ist CGM auch einer der führenden Hersteller von Praxissoftware und als Konnektor- Anbieter ein wichtiger Player beim Aufbau der Telematikinfrastruktur. CGM hat zudem nach Abschluss des Cerner-Deals in den USA zugeschlagen und eMDs aus Austin übernommen und ist damit nun der viertgrößte Anbieter von Arztinformationssystemen in den USA. Mit dem Cerner- Kauf gelang den Koblenzern endlich ein substanzieller und dringend benötigter Zukauf im KIS-Markt, um ihr Produktportfolio in diesem Bereich aufzubessern.

Noch 2017 war der Versuch gescheitert, den damaligen KIS-Marktführer Agfa zu übernehmen. Das neue erworbene KIS System „Selene“ soll für Wachstum im spanischen Markt sorgen, CGM Medico und CGM Clinical Archive werden gerade vom Unternehmen runderneuert. „Wir haben in den letzten Jahren massiv in die Entwicklung eines völlig neuen Krankenhausinformationssystems investiert und tun dies auch weiter. Für unsere Kunden bedeutet dies, dass sie gerüstet sind für alle Veränderungen im Krankenhausbereich und diese aktiv gestalten können“, sagt Hannes Reichl, CGM-Geschäftsführender Direktor Inpatient und Social Care. Vor wenigen Wochen gelang es CGM, mit der Uniklinik Hamburg-Eppendorf (UKE) einen ersten Großkunden für CGM Clinical zu gewinnen.

3. Cerner: US-Gigant orientiert sich international

Der US-Konzern Cerner gehörte bislang zu den absoluten Schwergewichten im deutschen Markt. 2015 hatte das Unternehmen die Gesundheits-IT von Siemens für 1,3 Milliarden Dollar gekauft und war damit zum zweitgrößten KIS-Hersteller in Deutschland aufgestiegen. Eine Position, die der US-Riese mit einer Marktkapitalisierung von 18,8 Milliarden Euro und einem Jahresumsatz von weltweit 5,5 Milliarden US-Dollar im vergangenen Jahr mit einem Teilverkauf seiner KIS-Sparte an CompuGroup verloren hat.

Der Konzern, der in den USA zu den großen KIS-Anbietern zählt, blickt verstärkt auf den internationalen Markt und hat sein bislang breit angelegtes KIS-Portfolio verkleinert: Medico, Soarian Integrated Care und Selene gingen an die CompuGroup, das US-KIS Millennium kommt in Deutschland weiterhin nicht zum Einsatz. Geblieben sind Cerner im Deutschland ISH-Med und Soarian Clinicals, derzeit sind Cerner KIS-Systeme laut Unternehmen in mehr als 250 Krankenhäusern im Einsatz.

Als einziges vollständig in SAP Healthcare integriertes KIS eignet sich ISH-Med besonders für größere Ketten sowie Verbünde mit mehreren Häusern. Derzeit überarbeitet Cerner intensiv das KIS und passt es an die nächste SAP-Generation an. Außerdem rollt der IT-Hersteller derzeit schrittweise das ISH-Med Model System aus, eine weitgehende Vorkonfiguration des KIS sowie ein umfangreiches Prozessmodell. Mit der neuen Generation von ISH-Med habe man das Ziel, „für unsere Kunden mehr Effizienz in der Routine zu erreichen, aber auch neue Möglichkeiten der semantischen Interoperabilität sowie standardisierte Prozesse, höchste Benutzerfreundlichkeit und die proaktive Unterstützung durch aktuelle Technologien, wie maschinelles Lernen oder künstliche Intelligenz“, sagt Deutschland-Geschäftsführer Stefan Radatz.

4. Nexus: Kontinuierliches Wachstum

Der börsennotierte IT-Hersteller aus Donaueschingen ist mit seinem KIS Nexus schon lange nicht nur in Deutschland aktiv, im Gegenteil. Rund 670 Nexus-KIS sind derzeit weltweit installiert, 262 davon in Deutschland. Der Software-Hersteller Nexus sieht die eigene Produktstrategie durch die jüngsten Marktentwicklungen unberührt, man sei als PE-unabhängiges Unternehmen sehr stabil auf das eigene Geschäft fokussiert, heißt es seitens Nexus. Das Unternehmen erfreut seine Anleger schon seit Jahren mit oft zweistelligen Wachstumszahlen.

Das war 2020 erneut der Fall, der Umsatz stieg um 10,4 Prozent auf 162,9 Millionen Euro. Seit vergangenem Jahr hat das süddeutsche Unternehmen auch mehrere IT-Firmen in unterschiedlichen Ländern übernommen, unter anderem den niederländischen Archivierungsspezialisten RVC sowie die Mehrheit an dem US-Software-Hersteller Sophrona Solutions mit Sitz in Minnesota. Nexus hat sich nach eigenen Angaben 2020 stark darauf konzentriert, „unsere Kunden in der Pandemie-Situation zu unterstützen. Kurzfristige Einsätze, neue COVID-19-Softwarelösungen, angepasste Schnittstellen und ständige Ansprechbarkeit waren uns in dieser Zeit wichtig. Unsere Kunden haben es uns gedankt und wir konnten auch 2020 unser Geschäft weiter ausbauen“, sagt Nexus-CEO Dr. Ingo Behrendt.

5. Meierhofer: Mobil in der Cloud

Im deutschen KIS-Markt ist die Meierhofer AG das letzte inhabergeführte Unternehmen. Wichtigstes Produkt im Portfolio ist das M-KIS, das ursprünglich von Firmenchef Matthias Meierhofer selbst entwickelt worden war. Heute zählen nach eigenen Angaben mehr als 275 Akut-, Reha- und psychiatrischen Kliniken aus der DACH-Region zum Kundenkreis. Seit 2016 ist Asklepios mit einer Beteilung von 40 Prozent ein bedeutender Minderheitsgesellschafter an Meierhofer.

Meierhofer profitiert von der Partnerschaft; so stattet der KIS-Hersteller die sieben Hamburger Krankenhäuser von Asklepios mit M-KIS aus. In diesem Jahr stehen bei Meierhofer vor allem Portfolio-Erweiterungen in den Bereichen Managed Services beziehungsweise Cloud-Lösungen, mobile Anwendungen oder Künstliche Intelligenz auf dem Entwicklungsprogramm. Zudem steht unter anderem die Anbindung an die Telematikinfrastruktur und die Umsetzung der elektronischen Patientenakte (ePA) für Deutschland, die ELGA für Österreich und das elektronische Patientendossier für die Schweiz auf der Agenda des Unternehmens.

6. Telekom: Erneute Unruhe bei IT-Systems

Die Deutsche Telekom hat mit ihrem Healthcare-Bereich erneut ein bewegtes Jahr hinter sich. Der Bereich Healthcare Solutions gehört zur Telekomtochter T-Systems, die sich seit Jahren im Umbruch befindet. Schon 2018 begann dort eine Umstrukturierung und der Abbau von mehreren tausend Stellen. Zuletzt kam es erneut zum Personalabbau, auch in der Untersparte Healthcare. Das sei nun aber abgeschlossen, sagt Michael Waldbrenner, Geschäftsführer der Deutschen Telekom Clinical Solutions GmbH. „Fakt ist aber auch, dass T-Systems das Thema Health weiter strategisch im Fokus hat“, so Waldbrenner gegenüber kma.

Faktisch stagniert das KIS-Geschäft von Telekom Healthcare seit Jahren, die Zahl der Installationen des Telekom-KIS iMedOne liegt mit 240 nur unwesentlich höher als in den Vorjahren. Trotz des insgesamt schrumpfenden Marktes in Deutschland bezeichnet Waldbrenner die Geschäftsentwicklung im vergangenen Jahr als „insgesamt gut“, auch weil die Telekom am Aufbau der Telematikinfrastruktur gut verdient hat und KHZG-Projekte zusätzliche Erträge in die Kassen spülen.

7. i-Solutions Health: Klein, aber selbstbewusst

Als kleine mittelständische KIS-Schmiede ist I-Solutions Health seit Jahren stabil im deutschen KIS-Markt unterwegs. Der Umsatz im Geschäftsjahr 2019/2020, das am 31. März 2020 endete, betrug 29,1 Millionen Euro. Offizielle Zahlen zum gerade abgelaufenen Geschäftsjahr 2020/2021 liegen noch nicht vor, die Umsatzentwicklung sei aber „positiv“, teilte das Unternehmen mit. Man gewinne Neukunden und rechne damit, dass das Krankenhauszukunftsgesetz (KHZG) zu weiteren Umsatzsteigerungen führen werde. Laut I-Solutions Health ist das hauseigene KIS ClinicCentre derzeit 98 Mal in Deutschland installiert.

In diesem Jahr konzentriert sich das Unternehmen bei der KIS-Weiterentwicklung verstärkt auf die Entwicklung webbasierter medizinischer Portale, beispielsweise ein Zuweiserportal, ein Patientenportal oder ein Portal für die mobile Visite. Als potenziellen Übernahmekandidaten für Private Equity-Unternehmen oder andere Interessenten sieht sich I-Solutions Health nicht. Das Unternehmen sei weiterhin gesund aufgestellt, habe genügend Ideen und Kraft, neue Produkte webbasiert selbst zu entwickeln. „Wo es Sinn macht, sind wir daran interessiert, mit Start-Ups sowie anderen innovativen Marktteilnehmern zu kooperieren“, sagt Dr. Wolrad Rube, Vorsitzender Geschäftsführer der I-Solutions Health GmbH.

8. Philips: Zähes Ringen um mehr Marktanteile

Seit einiger Zeit versucht Philips, das KIS Tasy in der DACH-Region zu etablieren – mit bislang überschaubarem Erfolg. Tasy kommt bislang überwiegend in Lateinamerika zum Einsatz, besonders in Brasilien. Dort wird es in mehr als 1 000 Gesundheitseinrichtungen verwendet – entweder als komplettes KIS-System oder abgestimmt auf Anforderungen in Fachkliniken. Im deutschen KIS-Markt erhielten die Holländer erstmals 2019 vom Krankenhaus Düren einen Zuschlag. Neben Düren kommt Tasy laut Philips im DACH-Markt demnächst mit einer Groß- Installation in einer Klinikkette zum Einsatz, das Unternehmen spricht in diesem Zusammenhang von fünf Installationen.

Dennoch, das Geschäft kommt sehr viel langsamer voran als gedacht, auch weil die Niederländer anfänglich offenbar den hohen Adaptionsaufwand von Tasy auf das deutsche DRG-System unterschätzt haben. Einige Marktbeobachter sehen sich bislang mit ihrer Skepsis über den Einstieg von Philips in den KIS-Markt bestätigt. Das Unternehmen selbst wittert nun aber im Zuge des KHZG seine Chance. Der träge KIS-Markt bekomme durch das KHZG einen Schub, heißt es dort. „Bei der Entscheidung für ein neues KIS wird neben einer modernen Systemarchitektur auf Interoperabilität geschaut. Mit Tasy erfüllen wir beide Kriterien vollumfänglich und geben darüber hinaus Impulse in den verschiedenen Fördertatbeständen wie zum Beispiel Medikation“, gibt sich Oliver Schmid, Business Manager Electronic Medical Record (EMR) und bei Philips GmbH für die DACH-Region verantwortlich, optimistisch.

„Das Krankenhausinformationssystem Tasy ist eine technologisch moderne Alternative für die etablierten Systeme im Markt (…). Auch wenn es etwas langsamer voran geht, als wir uns das vorgestellt haben, wir sind angetreten, um zu bleiben“, sagt Gerrit Schick, Head of Health Informatics, Philips GmbH Market DACH.

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