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KommentarDie Zukunft der regionalen Versorgung ist vernetzt

Corona hat die Unterschiede in der Versorgungsqualität aufgezeigt; das KHZG wird weitere Defizite offenbaren. Sollen Wirtschaftlichkeit und Versorgungsqualität in Einklang gebracht werden, müssen regionale Versorgungsnetzwerke her. Ganzheitlich gedachte Patientenportale werden hier eine elementare Rolle spielen.

Admir Kulin
m.Doc GmbH
Admir Kulin, Gründer und Geschäftsführer der m.Doc Gmbh, Anbieter für innovative digitale Gesundheitslösungen.

Einige von Ihnen kennen vielleicht die Studie der Academy of Health Information Management Executives (AHIME), die im März erstmals auf dem Entscheider-Event präsentiert wurde. Demnach können wir in Deutschland zwar Datenschutz, Patientenorientierung in deutschen Kliniken sucht man hingegen vergebens. Vor allem wird kritisiert, dass Daten hierzulande nicht intelligent verknüpft werden. Wie eigentlich immer steht auf dem Attest für das deutsche Gesundheitssystem: digitaler Reifegrad, mangelhaft!

Das ist aktuell eine Pille, die vielleicht sogar noch einen Hauch bitterer schmeckt, schließlich redet die gesamte Klinikwelt aktuell mit dem KHZG über nichts anderes als die Digitalisierung. Deswegen sollten wir die Erkenntnisse der AHIME Academy in Kombination mit dem KHZG vielmehr als Chance sehen. Denn die Fördergelder geben uns aktuell die Chance, den letzten Platz in Sachen Patientenzentrierung zu verlassen und wieder Anschluss zu anderen Nationen zu finden. Allerdings reicht es dafür nicht aus, Digitalisierungsprojekte umzusetzen. Wir müssen unsere Sichtweise auf die Versorgung in den Kliniken verändern, weg vom Struktur- hin zu einem Prozesskrankenhaus, wie die Studienautoren ebenfalls richtig anmerken.

Silos aufbrechen

Das Problem mit starren Strukturen: Wer ausschließlich in ihnen denkt, vergisst Vernetzung und Austausch unter- und miteinander. Das gilt für die einzelnen Abteilungen und Disziplinen in einer Klinik genauso wie für verschiedene Kliniken oder Sektoren des Gesundheitswesens. Solche Silos können prinzipiell sehr lange relativ autark voneinander existieren - wäre da nicht der "Störfaktor" Patient, der permanent zwischen den Sektoren - beispielsweise vom ambulanten in den stationären - und auch innerhalb eines Sektors zwischen verschiedenen Disziplinen oder Häusern wechselt. Er ist der Bruch in einer ansonsten "heilen Silowelt". Und wenn der Patient in einem eigentlich für ihn gemachten Gesundheitssystem zum Störfaktor wird, stimmt definitiv etwas nicht.

Aber auch ohne den Blick auf die Patienten wird es immer schwieriger, autark in einem System zu überleben. Zum einen erschwert der auf Bundesebene angestoßene Strukturwandel im stationären Sektor das Überleben kleinerer Häuser in ländlichen Regionen. Zum anderen sorgt der akute Fachkräftemangel bei Ärzteschaft und Pflege dafür, dass qualifiziertes Personal sich auf einige wenige gut ausgestattete Kliniken mit entsprechendem Ruf und in einer möglichst attratktiven Region konzentrieren, während das regionale Krankenhaus in einer der zahlreichen deutschen Provinzen das Nachsehen hat.

Digitalisierung als Heilsbringer? Oder als Mittel zum Zweck?

Doch lassen sich solche Herausforderungen durch Digitalisierung lösen? Ja, wenn sie durchdacht eingesetzt wird und auf eine regionale Vernetzung abzielt. Das wunderbare an Digitalisierung ist nämlich, dass mit ihr immer auch die Frage nach der Zukunftsfähigkeit bestehender Strukturen gestellt werden muss. Genau hierauf zielen ja auch die Fördertatbestände des KHZG ein, beispielsweise Fördertatbestand 2, Patientenportale. Selbst auf Ebene einer einzigen Klinik kann ein Patientenportal nicht losgelöst von den bestehenden Krankenhaussystemen funktionieren. Ohne den Input aus dem KIS, der Vernetzung mit den anderen Systemen - z. B. im Labor oder der Radiologie - und ohne den Input vorgelagerter Behandler und ohne den Output an nachgelagerte Behandler, unterscheidet sich ein Patientenportal kaum von den bisherigen analogen Kommunikationswegen und bringt vermutlich nicht einmal einen Effizienzgewinn für das Haus.

Wird ein Patientenportal jedoch für eben jene Vernetzung genutzt, entstehen ganz neue Möglichkeiten. Dann werden schon mit der Patientenaufnahme, die natürlich zu Hause lange vor dem eigentlichen Aufenthalt erfolgt, ganz andere Informationen an die Ärzteschaft und Pflege einer Klinik übermittelt. Wenn beispielsweise Befunde vom Patienten ins Portal geladen werden oder der vorgelagerte Behandler mit der digitalen Überweisung auch gleich Laborwerte und andere behandlungsrelevante Informationen mitliefert, dann haben wir die rein administrative Ebene schnell verlassen und befinden uns inmitten einer ganz neuen Qualitätsebene der Behandlung - einer, auf der sich Ärzteschaft und Pflege von der ersten Minute des Aufenthalts komplett auf die Patienten fokussieren können, weil ihnen alle relevanten Informationen zur Verfügung stehen - und zwar stations- und disziplinübergreifend.

Das eine solche Arbeitsatmosphäre positiv auf das Image von Kliniken als Arbeitgeber einzahlen würde, muss sicherlich nicht gesondert betont werden - insbesondere bei der jüngeren Generation, die quasi voraussetzt, digitale Tools im Arbeitsalltag vorzufinden. Digitalisierung kann also dafür sorgen, dass die Arbeit in Kliniken wieder sinnstiftend wird. Dann nämlich, wenn Dokumentations- und Administrationsaufwand auf das Minimum reduziert werden, das mit dem heutigen Stand der Technik und mit den aktuellen Möglichkeiten der Automatisation zu erreichen ist.

Vernetzung weiter gedacht

Vernetzung ist aber nicht nur mit Blick auf eine einzelne Klinik ein gangbarer Weg, die aktuellen Herausforderungen zu adressieren. Auch die Vernetzung von Kliniken einer Region zu einem starken Klinikverbund wird nötig sein, um weiterhin eine qualitativ hochwertige Versorgung in der Fläche - insbesondere in den ländlichen Regionen - gewährleisten zu können. Und auch hier wird einem ganzheitlich gedachten Patientenportal eine elementare Rolle zukommen - und zwar nicht nur in Akutkliniken, sondern auch in der Versorgung chronisch kranker Patienten.

Chronische Erkrankungen sind tatsächlich ein gutes Beispiel dafür, welchen Stellenwert Patientenportale künftig einnehmen können, ja vielleicht sogar müssen. Denn in Deutschland gibt es nur wenige Kliniken, die sich auf bestimmte Erkrankungen wie etwa COPD spezialisiert haben. Für die Patienten sind die regelmäßigen Aufenthalte in einer mitunter weit entfernten Spezialklinik nicht nur mit Aufwand verbunden. Sie müssen auch mit dem Gedanken leben, dass im Zweifel kein Spezialist im unmittelbaren Umfeld zur Verfügung steht. Das ließe sich ändern. Und zwar mittels eines starken regionalen Versorgungsnetzwerks, das auf telemedizinische Lösungen setzt, in dem die einzelnen Kliniken mit einem Patientenportal untereinander vernetzt sind, sich austauschen können und in dem neue Versorgungsmöglichkeiten wie etwa die Videosprechstunde zum Einsatz kommt.

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