Interview mit Bernhard Ziegler
Als ich Sie auf der Medica 2011 am Thieme-Stand getroffen habe, schienen Sie mir geradezu ein Exot: Ihre Kollegen trauen sich nicht in die Hallen, oder?
Nun, ich habe nicht den Eindruck, dass es viele Krankenhaus-Chefs machen, aber ich bin sicherlich nicht der Einzige. In jedem Fall schadet es niemandem, über die Messe zu gehen und sich zu informieren, was es an Entwicklungen, Neuigkeiten und Trends gibt. Gut, man kann sagen, ein großes Krankenhaus hat seine Einkaufsspezialisten und qualifizierte Mediziner und Pflegekräfte, die in ihrem Terrain am Ball bleiben. Aber ich finde, sich in einem begrenzten zeitlichen Rahmen einen Überblick zu verschaffen, ist nicht schädlich. Hinzu kommt: Man kann die Medica auch produktiv nutzen.
Wie meinen Sie das?
Nun, das Gute ist ja, dass auf der Medica auch die Entscheidungsträger der Firmen an den Ständen anzutreffen sind. Das ist ein großer Vorteil. Ich nenne Ihnen ein Beispiel: Manchmal gehen die Vorstellungen von Nutzern und Lieferanten über das, was geliefert und geleistet werden sollte, auseinander. Diese Probleme landen meistens gar nicht auf meinem Tisch, aber gelegentlich eskaliert es doch und ist nicht augenblicklich lösbar. In solch einem Fall ist die Medica eine gute Gelegenheit, sich auf Geschäftsführungs- oder Vorstandsebene zu treffen, um unter vier Augen über die Probleme zu reden und zu beratschlagen, wie man die Kuh vom Eis kriegt. Auf der Messe lässt sich das in einer dreiviertel Stunde am Rande erledigen, ich muss nicht extra zu dem Lieferanten nach München oder sonst wohin fahren und er muss auch nicht zu mir rauf nach Itzehoe kommen.
Die Medica als Gelegenheit für Konfliktmanagement — das dürfte Aussteller und Berater ernüchtern ?
Nein, nein, das ist ja längst nicht alles: Ganz wesentlich ist, dass ich auf der Medica zusammen mit meinen Mitarbeitern größere Beschaffungsentscheidungen vor Ort treffen kann. Entscheidungen, die so komplex sind, dass ich nicht schnell einmal den Einkäufer oder sonst jemanden losschicken kann. Es geht dann um Themen, für die ich neben dem Einkäufer jemanden aus der Medizintechnik und der EDV brauche, vielleicht auch noch den zuständigen Chefarzt oder einen anderen Spezialisten. In solch einer Situation ist es absolut sinnvoll, wenn diese Vier und ich uns auf der Messe mit dem Produktspezialisten des Lieferanten treffen. Dann kann jeder aus seinem Blickwinkel die Dinge darstellen, Fragen vorbringen und sich das Gerät mit seinen Funktionen zeigen lassen. Die anderen bekommen das mit und begreifen, was alles noch bedacht werden muss.
Gerade bei medizintechnischen Geräten finden sich oft sensible Nahtstellen zwischen IT, Technik und Medizintechnik? Das heißt: Ich brauche Mitarbeiter aus diesen drei Bereichen, damit es was Rundes wird. Sie müssen gemeinsam ihr Wissen einbringen, damit das System später vernünftig funktioniert.
Damit der IT-Mitarbeiter nachher nicht sagt: Tut mir leid, aber wir bekommen das Gerät nicht mit unserem KIS verbunden?
Das wäre natürlich der Extremfall, das man gar nichts koordiniert bekommtiaber so etwas soll es ja auch geben. Aber abgesehen davon ist es einfach hilfreich, wenn jeder sieht, was der jeweils andere überlegt und anstellt: Am Ende sind dann alle auf dem gleichen Informationsstand. Auch für den Chefarzt ist es hilfreich zu sehen, was alles bedacht werden muss. Der hat vor allem den Diagnose- und Behandlungspfad im Blick, ihn interessiert, was er dafür braucht und was das Gerät leistet. Wenn er aber begreift, was alles notwendig ist, damit tatsächlich alles perfekt funktioniert und zum Beispiel Daten nicht doppelt eingegeben werden müssen, dann trägt das zu einem wirklich guten Verständnis aller Beteiligten bei. Als Klinikunternehmen werden wir auf diese Weise schlagkräftiger.
Wie finden Sie die Zeit für die Medica beziehungsweise die Ausstellerbesuche?
Sicherlich, die Medica fällt in die arbeits- und kongressintensive Zeit im November. Da stellt sich schon die Frage: Habe ich die zwei oder drei Tage tatsächlich verfügbar? Mache ich sie verfügbar? Setze ich vielleicht auch Prioritäten? Aber zwei Tage Medica-Besuch sind mir in den letzten Jahren immer gelungen. Man darf ja nicht vergessen: Am Ende spart der Vorort-Besuch am Stand Zeit. Denn ich arbeite die Dinge ja nicht sequenziell ab. Mit einer guten Vorbereitung kann man versuchen, sich an einem Messetag mit drei, vier Besuchen bei verschiedenen Herstellern einen konkreten Überblick zu verschaffen, um praktisch zu sehen, ob es eine Lösung gibt für die eigenen individuellen Anforderungen. Und wenn man zu dem Schluss kommt, dass diese nicht perfekt ausfallen wird, kann man gemeinsam überlegen, an welchen Stellen Kompromisse und Abstriche möglich sind. Normalerweise ziehen sich solche Abstimmungen über Wochen hin, weil sie oft missverständnisbehaftet sind. Auf der Medica aber kann man sie im Grunde an einem Tag erledigen. Wir haben damit wirklich gute Erfahrungen gemacht.
Wie bereiten Sie sich auf den Medica-Besuch vor?
Wollen Sie eine ehrliche Antwort? In aller Regel ist Mitte November dermaßen viel los, dass ich mich selten vernünftig vorbereite. Ich vertraue darauf, dass meine Leute sich präpariert haben. Und da ich thematisch ohnehin nicht tief einsteigen kann, begleite ich das Ganze mehr oder weniger. Durch meine Anwesenheit dokumentiere ich vor allem den Willen des Hauses, Geld auszugeben und die Investition ernst zu nehmen.


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